Hoeneß: Fußballbranche "nicht unmenschlich"

SID
Uli Hoeneß glaubt nicht, dass der Profi-Fußball Burnout-fälle fördert
© Getty

Die Diskussion um wachsenden Druck und Stressbewältigung im deutschen Profifußball setzte sich auch am Wochenende fort: Präsident Uli Hoeneß von Rekordmeister Bayern München hat sich gegen den Eindruck gewehrt, der Profifußball fördere Burnout-Fälle wie die von Schalke-Trainer Ralf Rangnick oder des früheren Münchners Sebastian Deisler.

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"Die Branche ist überhaupt nicht unmenschlich. Wir sollten aufhören zu glauben, dass diese Problematik ein ganz fußballspezifisches Problem ist - das ist es absolut nicht. Ich glaube, dass es in den Firmen im Alltag viel mehr Burnout-Syndrome gibt als im Fußball", sagte Hoeneß am Samstag im "ZDF".

Einen tiefen Einblick in die Seele eines Fußballlehrers gab unterdessen Bayer Leverkusens Chefcoach Robin Dutt am Sonntag im Sport1-Doppelpass, einen Tag nach dem 0:3 beim FC Bayern.

Dutt: "Kein Ventil"

"Die größte Energie verliert man, weil man kein Ventil für die Respektlosigkeiten, Unwahrheiten und Diffamierungen hat, die einem Trainer entgegengebracht werden. Es gibt so viele Situationen, in denen man als Trainer die Faust in der Tasche ballt, weil man durch eine Gegenreaktion die Situation nur noch mehr ausufern lassen würde."

Natürlich wisse der Trainer, dass er einen stressigen Beruf hat. Dutt: "Wir fordern nur ein, dass uns mehr geholfen wird. Diskussionen um sportliche Niederlagen sollten auch sportlich diskutiert werden. Es wird dabei aber immer geschaut, ob es neben der sportlichen Niederlage auch menschliches Versagen gibt. Wenn das dann gefunden wurde, dann wird darauf rumgeritten."

Methoden zur Stressbewältigung sollten indes künftig in die Ausbildung für Fußballtrainer aufgenommen werden. Diese Auffassung vertritt der Schalker Mannschaftsarzt Thorsten Rarreck nach dem Rücktritt von Trainer Ralf Rangnick aufgrund eines Burnout-Syndroms.

Stresstraining für Trainer

"Wenn man den Stress nicht reduzieren kann, muss man die Stressbelastbarkeit erhöhen. Dies sollte Inhalt der Trainerausbildung sein: Selbstmanagement, innere Ressourcen kräftigen, das wäre ein wichtiger Anfang", sagte der Rarreck dem "Spiegel".

Seiner Meinung nach sei die Prognose für eine Rückkehr Rangnicks günstig. Allerdings führten Krisen bisweilen auch dazu, "dass man eine ganz neue Perspektive entwickelt und feststellt: Ich habe andere Ziele. Rangnick hat ja viele Qualitäten und ist ein intelligenter Geist", so Rarreck.

Kahn erwartet Rangnick zurück

Ex-Nationaltorwart Oliver Kahn erwartet ebenfalls, dass Rangnick wieder auf der Trainerbank sitzen wird. "Ich sehe keinen Grund, warum Rangnick nach seiner Genesung nicht zurückkehren sollte", sagte Kahn den Badischen Neuesten Nachrichten.

Der ehemalige Meister-Trainer Armin Veh (jetzt Eintracht Frankfurt) sagte am Sonntag: "Rangnick ist mit Sicherheit kein Einzelfall. In der Bundesliga ist die Hälfte der Trainer latent gefährdet. Den Druck hat jeder. Im Kollegenkreis spricht aber niemand darüber. Es ist kein Traumjob für mich, aber es zwingt mich ja auch niemand ihn zu machen. Ich finde es gut, dass wir jetzt soweit sind, damit offen umzugehen."

Uli Hoeneß bemühte sich indes um eine Relativierung. Man solle "nicht anfangen, den Fußball in eine spezielle Kaste zu stecken. Fußball ist repräsentativ für die Gesellschaft. Wie es beim Fußball passiert, passiert es auch in anderen Firmen", ergänzte der frühere Manager im "Aktuellen Sportstudio".

Menschen benötigen eine Auszeit

Immer mehr Menschen benötigten eine Auszeit, weil sie "mit dem Druck, der auf sie einprasselt, einfach nicht fertig werden", meinte Hoeneß. Das sei ein gesamtgesellschaftliches Problem, aber kein fußballspezifisches. Rangnick war am Donnerstag wegen eines Erschöpfungssyndroms zurückgetreten.

Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer beim deutschen Meister Borussia Dortmund, sieht auch fußballspezifische Probleme. "Ich habe das früher von außen auch nicht so geglaubt. Dass man wirklich unter einem massivem Druck steht, das merkt man erst, wenn man das am eigenen Leibe erlebt. Man muss das versuchen zu kanalisieren", sagte er im Zweiten.

Hoeneß wie Watzke sehen indes gute Chancen, dass Personen wie Rangnick in den Fußball zurückkehren können. Die Bayern hätten Ottmar Hitzfeld, der 2004 ebenfalls ausgebrannt bei den Münchnern ausgeschieden war, Anfang 2007 ein zweites Mal geholt, "weil wir überzeugt waren, dass er nach einer gewissen Ruhepause wieder in der Lage war, diesen Job auszuführen". Watzke: "Jemanden nachher wieder einzustellen (...), da hätte ich überhaupt keine Bedenken."

Ralf Rangnick: Der Trainer-Steckbrief

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