Alles ist möglich

Von Daniel Börlein
Philipp Wollscheid (l.) ist wie Mario Götze eine der Entdeckungen der letzten Saison
© Imago

Philipp Wollscheid war einer der Shootingstars der letzten Saison. Beim 1. FC Nürnberg ist er längst unersetzbar. Doch der eine oder andere Top-Klub hat ihn im Blickfeld. Und seine Entwicklung scheint noch nicht am Ende.

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Als die vergangene Saison vorbei war, zog es Philipp Wollscheid dorthin, wo es viele junge Männer seines Alters im Sommer hinzieht: Auf eine so genannte Partyinsel. Auf Ibiza relaxte der Abwehrspieler des 1. FC Nürnberg ein paar Tage und feierte zusammen mit Mehmet Ekici, Nuri Sahin, ein paar weiteren Freunden sowie Julian Wießmeier und Ilkay Gündogan das bestandene Abitur seiner beiden Teamkollegen. Wie ein normaler 22-Jähriger das eben macht.

Was Wollscheid in den Monaten zuvor erlebt hatte, war dagegen alles andere als normal. Der Saarländer hatte beim Club nach der Winterpause als bis dato völlig unbeschriebenes Blatt einen Stammplatz in der Innenverteidigung erobert und ihn bis zum Schluss nicht mehr hergegeben.

Aufstieg zum Top-Innenverteidiger

Vielmehr noch: Mit Wollscheid im Abwehrzentrum legten die Franken eine richtig gute Rückrunde hin, kassierten in 17 Spielen nur 17 Gegentore und landeten am Ende auf einem starken sechsten Platz.

Der Club mutierte binnen weniger Monate von einem Abstiegskandidaten zum Europa-League-Anwärter - und Wollscheid vom Abwehrspieler der zweiten Mannschaft zu einem der besten Innenverteidiger der Bundesliga.

Im SPOX-Ranking der letzten Saison landete er hinter den beiden Dortmundern Mats Hummels und Neven Subotic sowie Schalkes Benedikt Höwedes auf Platz vier. Das Fachmagazin "Kicker" stufte ihn sogar auf Rang zwei ein. "Wie es in der Rückrunde lief, war natürlich optimal", sagte Wollscheid.

Ansprüche sind gestiegen

Die Leistungen der vergangenen Saison sind inzwischen abgehakt, gleichzeitig allerdings auch der Maßstab für diese Spielzeit. Wollscheid muss sich bestätigen und zeigen, dass das letzte halbe Jahr kein Ausreißer nach oben war. Die Ansprüche sind gestiegen.

"Ich bin mir bewusst, dass ich nun in einer anderen Situation bin als in der vergangenen Saison", sagt er im Gespräch mit SPOX. "Aber es ist doch eine tolle Sache, jetzt fest bei den Profis statt bei den Amateuren dabei zu sein."

Wollscheid: "Gebe mich nicht zufrieden"

Bei Coach Dieter Hecking ist Wollscheid gesetzt. Nürnbergs Trainer guckte in der Vorbereitung zwar genau hin, ob sein Schützling Probleme hat, mit der neuen Situation zurechtzukommen. Doch schnell war klar: An Wollscheid führt auch in dieser Saison kein Weg vorbei.

Keine Spur von Nachlässigkeit oder Höhenkoller angesichts des Lobes vieler Experten ließ er bislang erkennen. Wollscheid weiß sich selbst ganz gut einzuschätzen und neigt nicht dazu abzuheben.

"Ich muss mich immer wieder neu beweisen. Ich ticke nicht so, dass ich mich mit dem Erreichten zufrieden gebe", sagt er. "Und so viel habe ich ja auch noch nicht erreicht. Ich habe jetzt gerade mal ein halbes Jahr Bundesliga hinter mir. In meinem Alter haben viele da schon deutlich mehr."

Einen ähnlich rasanten Aufstieg haben allerdings vergleichbar wenige Gleichaltrige hingelegt. Und noch ist diese Entwicklung nicht am Ende. "Ich kann mich noch in allen Bereichen verbessern. Aber ich habe keine Bedenken, dass mir das gelingen wird", sagt er.

Nürnberger Abwehrstabilisator

Andreas Wolf, Wollscheids Partner in der Innenverteidigung der letzten Spielzeit, hat den Verein verlassen. Routinier Per Nilsson fällt derzeit ebenso verletzt aus wie Keeper Raphael Schäfer. Wollscheid ist deshalb nun mehr denn je gefordert.

Er muss der jungen Abwehr um Neuzugang Timm Klose (23) und Keeper Patrick Rakovsky (18) Sicherheit und Stabilität verleihen. Bislang gelingt ihm das recht ordentlich. Er ist auf dem Weg, die nächste Evolutionsstufe zu erreichen.

Bewusst beschäftigen will er sich damit aber nicht. "Ich mache mir keine großen Gedanken über Gesamtziele. Damit bin ich in der letzten Saison sehr gut gefahren", sagt er. "Ich versuche, einen Schritt nach dem anderen zu machen und mich natürlich weiterzuentwickeln."

Im Fokus von Top-Klubs

Wohin dieser Weg führt, scheint derzeit noch offen. Oder besser: Alles scheint möglich. Warum nicht auch eine Berufung in die Nationalelf, wenn er seine Leistungen weiterhin konstant abruft?

Der eine oder andere Top-Klub verfolgt Wollscheids Entwicklung ohnehin schon ganz genau. Nach den starken Auftritten in der letzten Saison gab es bereits Gerüchte über ein Interesse von Bayer Leverkusen.

"Damit beschäftige ich mich nicht", sagt er. "Ich fühle mich derzeit in Nürnberg sehr wohl." Auch deshalb verlängerte er seinen Vertrag beim Club vorzeitig bis 2014. Ob er tatsächlich so lange bleiben wird, lässt er offen. Wollscheid weiß, wie schnelllebig das Geschäft ist.

"Die Saison hat gerade mal begonnen, wir haben noch fast ein ganzes Jahr vor uns. Da kann ich nicht jetzt schon über irgendwelche zukünftigen Dinge spekulieren. Man weiß ja nie, was passiert", sagt er.

"In der letzten Saison hat man beim Saisonstart auch nicht damit gerechnet, dass ich im weiteren Saisonverlauf den Sprung in die Stammelf schaffe. Von daher bin ich da ganz relaxt." Fast so wie im Sommerurlaub auf Ibiza.

Philipp Wollscheids Karriere in Zahlen

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