"Ein bisschen Bescheidenheit würde gut tun"

Von Interview: Jochen Tittmar
BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke sieht die Borussia nicht als klassischen Titelverteidiger
© Getty
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SPOX: Also ist man quasi von vornherein ohne Chance?

Watzke: Ich würde sagen, man hat aufgrund dieser Struktur immer nur dann eine Chance, wenn es die Bayern nicht optimal hinkriegen - so wie im letzten Jahr. Bayern hat jetzt mit Manuel Neuer auch noch den weltbesten Torwart dazu bekommen. Sie sind nicht nur der Topfavorit, sondern sie haben es ja auch permanent selbst erklärt, bis ich es dann auch übernommen habe (lacht). Ich bin aber wirklich der Meinung, dass sie es sind.

SPOX: Uli Hoeneß hat bereits angekündigt, dass die Bayern künftig wieder mehr Attacke gegen die Konkurrenz fahren wollen. Bereitet man sich beim BVB in irgendeiner Form darauf vor?

Watzke: Wenn das Attacken der Qualität wie beim letzten Mal sind, als er uns die ganze Woche bescheinigt hat, wie hoch wir in München verlieren werden, habe ich kein Problem damit. Dann soll er weiter machen. Es ist schon erstaunlich, dass er sich als Präsident des FC Bayern über solche Dinge Gedanken macht. Das ist aber sein persönliches Problem. Bei uns hat der Präsident jedenfalls andere Aufgaben.

SPOX: Bleiben wir bei den Aufgaben Ihrer Mannschaft. Nächste Saison spielt man in der Champions League. Es heißt oft, man könne sich in diesem Wettbewerb gesund finanzieren. Auf Schalke, in Hamburg, Stuttgart oder Bremen kann man dies langfristig aber nicht wirklich erkennen. Verbirgt sich hinter dem schönen Schein der Champions League für einen Klub, der nicht Bayern, Leverkusen oder Wolfsburg heißt, auch eine schwelende Gefahr auf mittelfristige Sicht?

Watzke: Die Gefahren lauern überall. Wenn man in die Champions League kommt, ist das größte Problem der Klubs - ausgenommen die Bayern und die DAX-Vereine -, dass schon der Weg dorthin oft nicht sehr gesund war. Dann hofft man, dass einen die Millionen wieder gesund machen. Das erweist sich aber oft als Trugschluss, weil natürlich auch die Kosten steigen.

SPOX: Wenn der Erfolg dauerhaft ausbleibt, schaffen es die Vereine wohl nicht, die Kosten wieder vernünftig zu senken.

Watzke: Dann muss eben ein Klub mit 30 oder 35 Millionen Euro Personalbudget klar kommen. Das ist schon machbar. Wenn man jahrelang mit 40 oder 50 Millionen Personalbudget in der Champions League arbeiten konnte, muss man eben auch zeigen können, dass es auch mit einem kleineren Budget geht. So einfach ist das. Wir sind im letzten Jahr mit einem Personaletat von 34,5 Millionen Euro Meister geworden, die Meisterschaftsprämie nicht mit eingerechnet.

SPOX: Eine Champions-League-Teilnahme muss also aus buchhalterischer Sicht gar kein Risiko sein?

Watzke: Nein. Wenn man seinen Klub vernünftig führt, ist das ein Null-Risiko. Man darf sich nur nicht von den automatischen Begehrlichkeiten, die dann kommen, verrückt machen lassen.

SPOX: Wie geht der BVB dieses Abenteuer an?

Watzke: Borussia Dortmund hat auf dem Weg in die Champions League keinen Euro Schulden gemacht. Wir kommen dort kerngesund an. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit für uns sehr hoch, kerngesund auch wieder heraus zu gehen. Das ist der große Unterschied zu den von Ihnen angesprochenen Vereinen.

SPOX: Die Kosten sind aber auch in Dortmund angestiegen.

Watzke: Dass wir das nicht nur so sagen, sondern auch so meinen, sieht man daran, dass wir von den vermeintlich 20 Millionen Euro Mehrerlösen ganze sechs Millionen in den höheren Spieleretat gepackt haben. Unsere Transferbilanz ist quasi ausgeglichen. Wir haben ein Investitionsprogramm für das Stadion verabschiedet und den Rest auf die Seite gelegt - für den Fall, dass wir einmal eingreifen müssen.

SPOX: Sie haben auch die Verträge einiger Spieler schon vor der Meisterschaft verlängert, was in der Summe einem weiteren Neuzugang gleichkommt. Gehört das auch zu den Lehren, die der BVB aus der eigenen Finanzkrise gezogen hat?

Watzke: Ich brauchte keine Lehren zu ziehen, da ich die Vergangenheit nicht beeinflusst habe. Bei uns gilt ein Prinzip, auf das ich peinlichst genau achte und um das es bei uns auch keine Grabenkämpfe gibt: Wir wollen den maximalen sportlichen Erfolg ohne jemals wieder einen Euro neue Schulden zu machen. Wir haben also eine strikt einnahmeorientierte Ausgabenpolitik.

SPOX: Weiter gedacht bedeutet dies?

Watzke: Wir haben nun einen Etat von 40,5 Millionen. Das streben andere nach der Konsolidierung an, wir gehen damit aber als Meister in die Champions League. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wenn wir uns in der kommenden Saison nicht für die Königsklasse qualifizieren, der Kader dennoch finanzierbar sein muss. Diesen 40,5-Millionen-Etat können wir auch in der Europa League stemmen.

SPOX: Was ist, wenn Sie beide Wettbewerbe verpassen sollten?

Watzke: Dann müssen wir eben wieder auf 35, 36 Millionen zurück. Das ist dann aber kein großer Schritt. So sieht aus meiner Sicht verantwortliches Arbeiten aus. Jeder Klub hat aber seine eigene Philosophie, und oftmals gibt es in manchen Vereinen zu viele Verteilungskämpfe. Ich bin von jeher der Meinung, dass einer im Klub die komplette operative Verantwortung haben muss, damit es nicht zu große Fliehkräfte gibt, wenn es darum geht, Geld zu verteilen.

SPOX: Welche Umstände müssten denn eintreten, damit Sie nächste Saison mit Platz fünf oder sechs zufrieden wären?

Watzke: Für mich sind Platzierungen nicht entscheidend. Ich muss das Gefühl haben, dass wir zu jeder Zeit der Saison alles gegeben und nahezu am Optimum gearbeitet haben. Wenn wir dann beispielsweise wie vor zwei Jahren mit 59 Punkten die Europa League verpassen würden, kann ich niemandem einen Vorwurf machen. Wenn ich das Gefühl habe, wir haben nicht alles gegeben, bin ich unzufrieden. Selbst wenn wir Dritter werden.

SPOX: Einige legen Ihnen das als Understatement aus.

Watzke: Wirtschaftlich vernünftig zu handeln hat nichts mit Understatement zu tun. Leider Gottes hat sich auf der ganzen Welt eine Mentalität eingebürgert, nach der man schon heute das Geld ausgibt, das man erst in fünf Jahren einnimmt. Woher haben wir denn momentan all diese Verwerfungen wie die Euro-, Griechenland- oder Italien-Krise?

SPOX: Sagen Sie es uns.

Watzke: Das hat einzig und allein damit zu tun, dass alle permanent und immer über ihre Verhältnisse leben. Wir vom BVB heben nicht den Zeigefinger und denken, wir wüssten alles besser. Aber ein bisschen Bescheidenheit und ein bisschen Demut würden gut tun. Nur das auszugeben, was man einnimmt, das hat man vor 30, 40 Jahren überall gelernt. Heute wird geglaubt, man könne dies außer Kraft setzen. Das geht aber nicht.

SPOX: Was muss also auf den Fußball bezogen passieren?

Watzke: Knochentrockene, konservative Kaufleute mit großer Liebe für den Fußball müssen an der Spitze der Klubs stehen, dann wäre das sicherlich oft leichter.

SPOX: Jemand wie Sie also?

Watzke: Es gibt noch andere, schauen Sie sich den FC Bayern an. Ich sehe zudem mit großer Sympathie und großem Respekt, wie es derzeit beim Hamburger SV läuft und wie Herr Jarchow versucht, das Rad zurück zu drehen. Auch wie es Christian Heidel und Harald Strutz in Mainz machen, ist weltklasse. Die haben mit ganz, ganz kleinen Mitteln immer nur das ausgegeben, was man eingenommen hat und sich mit Platz fünf trotzdem gegen Weltkonzerne durchgesetzt. Es gibt genügend gute Beispiele.

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