Eintracht Frankfurt: Dem Abstieg geweiht

Von Jochen Tittmar
Der verhinderte Torjäger Theofanis Gekas steht sinnbildlich für den Absturz von Eintracht Frankfurt
© Getty

Eintracht Frankfurt steht nach der Niederlage beim FSV Mainz 05 auf dem Relegationsplatz. Die Lage ist bedrohlich, das Restprogramm macht wenig Hoffnung. Die 2. Liga wäre für die Hessen ein finanzieller Kraftakt.

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"Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie auf Dauer an uns vorbeigehen." Diesen Satz sagte Frankfurts Vorstandsboss Heribert Bruchhagen vor drei Jahren. Er sagte ihn über den FSV Mainz 05.

Dieses Statement holt den 62-Jährigen am Saisonende 2011 wieder ein. Nicht nur, dass die Mainzer der Eintracht seit der Rückkehr in die Bundesliga den Rang abgelaufen haben. Es waren auch sie, die die Hessen endgültig in eine der bedrohlichsten Situationen der letzten Jahre gebracht haben.

Die Eintracht ist zwei Spieltage vor Saisonschluss nun tatsächlich auf dem Relegationsplatz angekommen. Der direkte Abstieg - es wäre der vierte nach 1996, 2001 und 2004 - ist angesichts der jüngsten Entwicklungen sogar wahrscheinlicher als der 16. Platz. Der Rettungsanker Relegation ist fortan "unser großes Ziel" (Trainer Christoph Daum).

Klar, hätte Theofanis Gekas gegen den FC Bayern seine Riesenchance beim Stande von 1:0 genutzt, dann hätte der Wind in Frankfurt in diesen Tagen womöglich aus einer anderen Richtung geweht.

Daum-Effekt blieb aus

Doch Gekas trifft keinen Möbelwagen mehr. Wie auch der gesamten Eintracht nichts mehr gelingen will. Zwei Wochen vor Saisonschluss ist die Ernüchterung wieder so groß wie am Ende der Ära Michael Skibbe.

Der musste gehen, weil das Team tot war. Kein Selbstvertrauen, keine Gemeinschaft, nur noch Verunsicherung.

Der umtriebige Daum, der bei seiner Antritts-PK recht unpassend vom Europapokal fabulierte, hat den gewünschten Effekt in Form von Punkten noch nicht erreicht. Das zeigen die nackten Zahlen: nur drei Punkte aus fünf Spielen, noch kein Sieg, zwei Tabellenplätze abgerutscht.

Frankfurts Spiel auf Gekas zugeschnitten

Die ordentlichen Auftritte gegen Bremen, in Hoffenheim und gegen Rekordmeister Bayern zeigten zwar, dass Daum an den nötigen Stellschrauben drehte. Die Adler fanden wieder einigermaßen zu taktischer Disziplin und spielerischer Zielstrebigkeit zurück. Ein Dreier sprang dennoch nicht heraus. Schlimmer noch: Die direkte Konkurrenz begann zu punkten.

Die Eintracht ist auch unter Daum weiter in ein berechnendes Schema gekleidet. Dieses steht und fällt mit der Personalie Gekas. Auch wenn der Mainzer Coach Thomas Tuchel vor Frankfurts Debakel am Bruchweg davon sprach, dass die Umschaltbewegung der Eintracht auf Gekas schwer zu verteidigen sei, ist es genau dieser Spielzug, der seit diesem Jahr einfach nicht mehr gelingen will. Und da er nicht gelingt, verflacht das Spiel der Hessen zu einer statischen, vorhersehbaren und unflexiblen Melange der Ungefährlichkeit.

Das liegt freilich nicht nur an Gekas selbst. Um ihn herum agiert trotz des zarten Aufwärtstrends der ersten Daum-Spiele keiner so, wie er eigentlich könnte. "Der Leistungseinbruch von fünf, sechs Spielern ist eklatant", stellt Bruchhagen fest.

Daum: An die Wand gespielt worden

Der Auftritt in Mainz war der vorläufige Höhepunkt eines beispiellosen Absturzes und gleichzeitig ein Rückfall in Zeiten, die zwar nicht lange her sind, aber alleine schon aufgrund der Persönlichkeit des ungezügelten Motivators Daum der Vergangenheit angehören sollten.

Daum legte in der letzten Trainingswoche den Fokus fast ausschließlich auf die von intensivem Pressing gekennzeichnete Mainzer Spielweise. Es ist daher nicht zu erklären, warum die SGE am Bruchweg so dermaßen chancenlos unter die Räder kam.

An die Wand seien sie gespielt worden, monierte Daum. Bruchhagen gab sichtlich angeschlagen zu, nicht im Traum mit einem solchen Rückschlag gerechnet zu haben.

Restprogramm macht wenig Hoffnung

Der Blick aufs Restprogramm gleicht dem auf die Tabelle. Während die formverbesserten Konkurrenten aus Wolfsburg und Mönchengladbach ausschließlich gegen Teams antreten, für die die Saison gelaufen ist (Kaiserslautern und Hoffenheim bzw. Freiburg und Hamburg), muss die Eintracht gegen Köln und bei Dortmunds Meisterfeier antreten.

Warum nun ausgerechnet diese beiden Spiele erfolgreich bestritten werden sollen, wo doch schon die gesamte Rückrunde desaströs verlief (acht Punkte mit sechs Toren aus 15 Spielen) und dennoch zahlreiche Chancen auf Befreiungsschläge (Bruchhagen: "Es gab 40.000 Schlüsselszenen") ausblieben, weiß keiner.

Gegen Köln fehlen mit Chris, Maik Franz, Giorgios Tzavellas, Ricardo Clark und Sebastian Rode (wurde für ein Spiel gesperrt) - mal wieder - einige Abwehrspieler. Daum bleibt also ähnlich wie Skibbe nichts anderes übrig, als auf den gleichen Kern an Akteuren zu setzen, die jedoch schon das gesamte Jahr über der Musik deutlich hinterherlaufen.

So ist auch der sportliche Frust der Frankfurter Anhänger nachvollziehbar. Der Stimmungsboykott in Mainz ist die eine Sache, die Eskalation am Riederwald allerdings vollkommen überzogen. Ob sich die Geschehnisse am Samstagabend nun tatsächlich so abgespielt haben wie berichtet - verbrieft ist ein Warnschuss der Polizei zur eigenen Sicherheit vor vermummten Radikalen - oder auch nicht: Die Eintracht flüchtet mehr oder minder vor einem Haufen Chaoten aus der Stadt in ein Trainingslager abseits des Wahnsinns am Main. All dies ist in der aktuellen Situation sicherlich nicht zuträglich für Psyche und Nervenkostüm der Protagonisten.

Eintracht büßt Fernsehgeld ein

"Wir müssen sprechen in dieser Woche, ohne Christoph Daum und intern. Da wird noch was passieren, und da muss noch was passieren", ruft Marco Russ daher auf. Daum kündigte bereits "einige schmerzliche Worte" für die Profis an - der Ausgang bleibt offen.

Sollte auch dies nicht fruchten, ist die Eintracht dem Abstieg geweiht. Dann droht das Gesamtwerk Eintracht Frankfurt, von Bruchhagen in den vergangenen Jahren quasi in Eigenregie auf ein solides wirtschaftliches wie sportliches Fundament gestellt, in sich zusammen zu fallen.

Frankfurt hat sich finanziell vor der Saison für seine Verhältnisse schon weit aus dem Fenster gelehnt und kalkuliert mit einem Verlust zwischen drei und fünf Millionen Euro. Beim Fernsehgeld wird man 1,4 Millionen einbüßen, so viel wie kein anderer Verein in der Liga.

Zweitligalizenz nur bei Liquiditätsnachweis

In Liga zwei, das gab Bruchhagen bereits bekannt, erhält die SGE die Lizenz nur dann, wenn ein Liquiditätsnachweis von knapp über einer Million erbracht wird.

Und stünde dann ohne jene Spieler da, deren Arbeitspapiere nur für die höchste Spielklasse aufgesetzt wurden (u.a. Franz und Ochs) - und ohne Trainer.

Von Rücktritt will Bruchhagen, dessen bis 2012 datierter Vertrag nur für die erste Liga Gültigkeit besitzt, nichts wissen. Er trägt allerdings die sportliche Verantwortung und wird sich kritisch hinterfragen müssen. Wie es aussieht, wird Mainz nun doch auf Dauer an seinem Verein vorbeiziehen. Das dürfte ihm heute völlig egal sein.

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