Chaos-Tage in Köln: Selbst Jesus spielt mit

Von Christian Bernhard
Zvonimir Soldo steht in Köln heftig unter Beschuss
© Getty

Der 1. FC Köln steckt mitten im Abstiegskampf. Doch das ist nicht das einzige Problem der Rheinländer. Mittlerweile brennt es an vielen Fronten. Manager Michael Meier gibt keine gute Figur ab, Trainer Zvonimir Soldo steht vor dem Aus, Präsident Wolfgang Overath ist abgetaucht und auf der Torhüterposition könnte es eng werden.

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Die vergangenen Tage beim 1. FC Köln waren turbulent. Mitunter mehr als das. Zuerst gab Lukas Podolski ein Interview, das für Aufregung sorgte, danach verließ Torhüter Faryd Mondragon vor dem BVB-Spiel das Teamhotel, um sich dann in dieser Woche mit Jesus zu vergleichen.

Manager Michael Meier stellte Coach Zvonimir Soldo öffentlich an den Pranger und erste potenzielle Nachfolger für den Kroaten machten die Runde. Jetzt steht die Partie in Hannover an (Sa., 15.15 Uhr im LIVE-TICKER) - ein erstes Endspiel für den gesamten Verein.

SPOX hat die Brennpunkte in der Domstadt herausgearbeitet und sagt, wie es weitergeht.

Brennpunkt Michael Meier

Das momentan größte Pulverfass: FC-Manager Michael Meier stellte Coach Zvonimir Soldo im "Express" öffentlich an den Pranger ("Er ist halt kein Medienfuchs") und bescheinigte dem Klub daraufhin eine "Außendarstellung zum Weglaufen".

Es scheint derzeit alles ein wenig aus dem Ruder zu laufen. Auch Meier kann daran nichts ändern. Tagelang wurden weder Lukas Podolski noch Faryd Mondragon für ihre Aktionen sanktioniert, mit Poldi hat Kölns Manager laut dem Kölner Boulevard bereits mehrere Monate nicht mehr gesprochen.

Meier hat zudem die Fans gegen sich, ihm bläst ein harter Gegenwind von vielen Seiten ins Gesicht - auch aufgrund seiner nicht wirklich erfolgreichen Transferpolitik im Sommer. Nachdem er Podolskis Kritik als "Jammern auf hohem Niveau" bezeichnet hatte, hieß es bei der Partie gegen den BVB auf einem Banner im Fan-Block: "Jammern auf hohem Niveau!? Poldis Worte ernst nehmen."

Das lange angekündigte Gespräch mit Podolski steht immer noch aus. Das Problem: Klärt Meier die Sache nicht bald, verliert er intern sein Gesicht. Watscht er den Publikumsliebling öffentlich ab, wird der Zorn der Fans nur noch größer. Alles andere als eine angenehme Konstellation.

Momentan schlägt sich Meier eher mit Durchhalteparolen, als mit konkreten Lösungsansätzen durch: "Ich sehe im Hannover-Spiel eine Chance und keine Belastung. Natürlich hinterlässt das alles Spuren. Aber das Glück kommt irgendwann zurück."

Brennpunkt Zvonimir Soldo

Der FC-Coach ist momentan nicht zu beneiden. Sein Team steht auf Rang 17, der Manager stellte ihn öffentlich an den Pranger und ein Teil der eigenen Fans pfiff ihn vor dem Dortmund-Spiel aus. Soldos stoische Art ist in solch einer kritischen Situation nicht gerade förderlich. Auch deshalb kursierte zuletzt schon der Name von Thomas Doll als möglicher Nachfolger durch die Gazetten.

Rückendeckung erhält der Kroate ausgerechnet von seinem Vorgänger Christoph Daum. "Er bewegt sich im Rahmen seiner Möglichkeiten und alles andere, was man jetzt von ihm verlangt und ihm unterstellt, [...], ist einfach illusorisch", sagte Daum gegenüber "Sport1".

Doch auch Soldo muss sich Vorwürfe gefallen lassen. In 42 Bundesligaspielen als Chefcoach des FC hat er im Schnitt 1,05 Punkte geholt - kein Trainer in der Geschichte des Vereins, der mindestens 34 Spiele auf der Kölner Bank saß, war schlechter.

Soldo lässt eine klare Linie vermissen: Nach der Posse um Mondragon hat er sich öffentlich immer noch nicht festgelegt, wer gegen Hannover im Tor stehen wird: Erneut Miro Varvodic oder doch wieder der kolumbianische Routinier. Mondragon nahm ihm die Entscheidung am Freitag wohl selbst ab (s. Brennpunkt Torhüter).

"Wenn jeder sein eigenes Ding durchsetzen will, dann wird es schwierig. Es passieren hier einige Dinge, die nicht normal sind", sagte Soldo nach dem Training am Donnerstag.

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Brennpunkt Torhüter

Als ob der FC nicht schon genug Probleme hätte, machte Keeper Mondragon eine weitere Baustelle auf. Nachdem ihm Soldo mitgeteilt hatte, dass er aufgrund seiner Länderspielreise gegen den BVB nicht im Tor stehen werde, verließ der Kolumbianer vor dem Spiel das Teamhotel. Seine Begründung: "Wenn ich zu müde bin, um zu spielen, bin ich auch zu müde, um auf der Bank zu sitzen."

Am Donnerstag setzte der Kolumbianer noch einen drauf. "Ich fühle mich, als hätte ich ein Messer im Rücken. Aber so ist das im Leben, auch Jesus Christus wurde hinterhältig enttäuscht und verraten", sagte er in einer von ihm einberufenen Presserunde. Damit dürfte er sich fürs erste selbst aller Chancen beraubt haben, wieder ins Tor zurückkehren.

Mondys Zukunft ist offen, er soll weiterhin Angebote aus den USA vorliegen haben. Doch kann der 21-jährige Varvodic der Mannschaft die Sicherheit und Ruhe im Abstiegskampf geben? Mondragon spielte vor seiner Ausbootung alles andere als souverän, hat aber die Erfahrung auf seiner Seite. Die fehlt dem jungen Kroaten komplett: Vor dem (soliden) Debüt gegen den BVB hatte er in seinen drei Jahren in der Domstadt kein einziges Pflichtspiel für die Profis bestritten, im Regionalliga-Team kam er aufgrund seiner Nicht-EU-Staatsbürgerschaft nicht zum Einsatz. Ist er dem Druck gewachsen?

Die Entscheidung der Klubführung, Thomas Kessler im Sommer an St. Pauli auszuleihen, darf in Anbetracht der jetzigen Konstellation zumindest bezweifelt werden. Und die Chance, Tom Starke im Sommer in die Domstadt zu holen, wurde ebenfalls verpasst. Präsident Wolfgang Overath soll ein Veto gegen den damals so gut wie abgeschlossenen Transfer eingelegt haben. Ob die vereinslosen Stefan Wessels und Michael Rensing bald schon einen Anruf aus Köln bekommen?

Brennpunkt Präsidium

In turbulenten Zeiten braucht es eine starke Führung und ordnende Hand. "Wir machen uns Sorgen über einige Dinge, die im Klub passieren", sagte Vize-Präsident Jürgen Glowacz im "Kölner Stadt-Anzeiger". Bitter für den FC, dass Präsident Wolfgang Overath zuletzt im Urlaub weilte und nicht vor Ort auftreten konnte. Für Daum ist klar, "dass nun Overath möglichst schnell selber das Heft in die Hand nehmen sollte. Er delegiert natürlich auch gerne und gibt Verantwortung ab. Aber in solch einer Situation wäre es sicher dringend notwendig, dass er mit Präsenz ein klares Zeichen setzt."

Wie sehr Overath vermisst wird, verdeutlicht der Wunsch von Kapitän Youssef Mohamad: "Dass Wolfgang Overath wieder vor dem Anpfiff zu uns in die Kabine kommt. Das sollte er immer machen. Er sollte jeden Tag am Geißbockheim sein. Die Spieler würden das lieben. Wir brauchen ihn. Der Präsident war selbst Fußballer und weiß, was wir brauchen."

Am Donnerstag wurde der lange überfällige Krisengipfel zwischen Vorstand und Geschäftsführung abgehalten. Danach war in einer Erklärung von einer "Reihe von positiven Signalen, die uns zuversichtlich stimmen" die Rede. Die Dinge um Podolski und Mondragon seien "intern gelöst" worden. Soldo wusste von dem Treffen anscheinend nichts: "Zu mir hat der Präsident noch nichts gesagt. Wenn er das Ihnen gesagt hat, finde ich das auch nicht gut. Da müssen Sie ihn fragen", sagte er Journalisten.

Wie geht es weiter?

Das Spiel in Hannover ist ein erstes Endspiel, für das Team - und den Coach. Eine weitere Niederlage und Soldo dürfte wohl kaum noch zu vermitteln sein, trotz der Aussagen des Vorstands ("Wir haben vollstes Vertrauen in die handelnden Personen"). Meier weiß, was es braucht: "Trainer, Spieler, Manager - wir brauchen in dieser Situation alle drei Punkte."

Das Problem ist aber größer: "Der FC steckt in der Sackgasse", titelte der "Kölner Stadt-Anzeiger" kürzlich. Doch wie kommt man da raus? Vielleicht, indem man dem Umfeld klipp und klar vermittelt, zu was der Verein momentan im Stande ist: "In Köln geht es in den nächsten zwei, drei Jahren einzig um den Klassenerhalt", sagt Daum.

Die Geduld vieler Fans wurde bereits überstrapaziert. "Immer sind andere Schuld, sei es die Fans, Reporter und was weiß ich. Wir können nichts für deren Versagen und ihre Unqualifiziertheit", heißt es in einem Forumsbeitrag. "Kein Plan, keine Strategie, null Kritikfähigkeit und Realitätsverlust der übelsten Sorte. Ich hab keinen Bock mir diesen Trümmerhaufen anzusehen."

Der "Kicker" brachte kürzlich Toni Schumacher als Krisenhelfer ins Gespräch. Und der Ex-Nationaltorhüter scheint nicht abgeneigt zu sein: "Mir liegt der Klub am Herzen. Deshalb könnte ich mir vorstellen, zu helfen."

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