"Wir brauchen einen Typ wie Klopp"

Von Interview: Bärbel Mees
Die Hertha am Boden: Wie geht es nach dem Abstieg weiter?
© Getty

Der Abstieg der Hertha ist besiegelt. Was sind die Gründe für den Absturz und wie geht es nun in der Hauptstadt weiter? Daniel Otto ist einer der bekanntesten Hertha-Blogger und spricht im Interview mit SPOX über Fehler, einen nötigen Image-Wandel mit Hilfe von Peter Fox, Zukunftssaussichten und wie die Fans die Lage bei der alten Dame sehen.

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SPOX: Wie ist die Stimmung derzeit in Berlin?

Daniel Otto: Es ist geteilt: Die einen haben mit dem Abstieg abgeschlossen und vertreten die Meinung, Hertha muss sich komplett erneuern und über den Umweg der zweiten Liga erstarkt wieder zurückkommen. Die anderen sind melancholisch. Grundsätzlich aber sind die Hertha-Fans sehr realistisch, was die Situation angeht?

SPOX: Im Klartext: Welche Fehler wurden gemacht?

Otto: Wir wissen alle nicht, wie die Ausgangslage vor der Saison ausgesehen hat. Wenn man sieht, wie viel Geld zur Rückrunde freigemacht wurde, muss man sich die Frage stellen, wo das Geld in der Hinrunde war und wieso es nicht verwendet wurde, um Spieler zu kaufen. Wir hätten dringend einen Stürmer gebraucht. Nach der letzten Saison haben alle himmelhoch gejauchzt und wollten eine konkurrenzfähige Mannschaft haben. Drei Spieler wurden verkauft, was finanziell durchaus vernünftig war. Die Frage ist nur, ob man mit Vernunft auch Erfolg haben kann. Hertha hat auf B- und C-Spieler zurückgegriffen und das kann einfach nicht funktionieren.

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SPOX: Werden in Berlin auch einzelne Spieler für den Abstieg verantwortlich gemacht?

Otto: Arthur Wichniarek hat sich vor der Saison ein Haus gekauft und gesagt, er fühle sich wohl und wolle sich richtig reinhängen. Das hat nicht geklappt. Trotzdem würde ich die Schuld nicht bei Einzelnen suchen. Das war ein Komplett-Versagen von einem Gebilde, das in der letzten Saison sehr gut funktioniert hat. Ich verstehe nicht, warum man bereits nach sieben Spieltagen die Reißleine gezogen und sich von Lucien Favre getrennt hat. Wenn man Dieter Hoeneß zwingt zu gehen und dem Trainer die komplette Verantwortung überträgt, muss man ihm Zeit geben. Statt des Reflexes, den Trainer rauszuwerfen, hätte man versuchen müssen, sich zu einigen und wieder anzugreifen. Hertha hat es sich damals zu einfach gemacht.

SPOX: Favre rauszuwerfen war also zu übereilt?

Otto: Ja. Laut Michael Preetz hat Favre zugegeben, er könne nicht mehr. Aber wenn man in der Bundesliga nicht mehr kann, ist man in dem Job falsch. Allerdings muss man auch die Unerfahrenheit von Preetz in den Raum stellen, denn Dieter Hoeneß hätte Favre bis zur Rückrunde gehalten. Ich mache Preetz den Vorwurf, nicht lange genug gewartet zu haben.

SPOX: Wie viel Schuld kann man Preetz insgesamt am Abstieg geben?

Otto: Er hat immer auf die Stelle von Hoeneß gewartet, wurde dann aber mit der Situation ziemlich alleine gelassen. Es ist bitter, dass seine Fehler gleich mit dem Abstieg bestraft werden. Ich weiß nicht, ob er die nötige Härte hat, um mal auf den Tisch zu hauen. Hoeneß hatte Autorität, Preetz eher nicht. Dennoch sollten wir ihn nicht rauswerfen, denn die Zeit in der zweiten Liga werden ihm als Lehrjahre dienen und Gold wert sein. Daraus wird er gestärkt hervorgehen und vielleicht auch noch lange Zeit in Berlin bleiben.

SPOX: Gegenbauer ist auch bis 2012 da...

Otto: Er musste von den Fans viel Kritik einstecken. Viele wundern sich, warum er die Schatulle nicht schon im Sommer geöffnet hat, sondern erst im Winter, als es eng wurde. Wir haben eben keinen Franz Beckenbauer, wir haben Werner Gegenbauer. Allerdings würde Gegenbauer alles für die Hertha tun. Er hat das mit verbockt und er muss das jetzt auch wieder auslöffeln.

SPOX: Was ist mit Funkel?

Otto: Er hat seine Zeit gebraucht, um den maroden Zustand der Mannschaft zu verändern. In der Rückrunde hat man eine qualitative Verbesserung gesehen. Aber wir sind im Stadion und vor dem Fernseher trotzdem verzweifelt: Wie kann man bis zu sechs hochkarätige Torchancen herausarbeiten, aber nur ein Tor erzielen?  Natürlich kann der Trainer nicht auf den Platz laufen und mitspielen, aber es fällt natürlich auf ihn zurück. Er muss solche Situationen mit der Mannschaft so einüben, dass der Ball eben auch reingeht. Funkel hatte allerdings auch einfach kein Glück.

SPOX: Das klingt banal...

Otto: Stimmt, aber Favre hat in der vergangenen Saison gesagt: "Es liegt manchmal einfach an nichts." Favre hatte das Glück, Funkel eben nicht. Wenn man es nicht hat, steigt man eben ab.

SPOX: Das Ziel ist nun der direkte Aufstieg. Und Gegenbauer sagt, dass der Umbruch gar nicht so groß ausfallen wird...

Otto: Ob das sinnvoll ist, wird die Mannschaft auf dem Platz beantworten. Ich hätte nichts dagegen, wenn die Mannschaft zusammenbleibt und in der zweiten Liga richtig zusammenfindet. Es ist wichtig, dass einige Stützen wie Lustenberger bleiben. Wenn die aber Angebote bekommen, wird es schwer werden, sie zu halten.

SPOX: Wen kann man aus der aktuellen  Mannschaft halten?

Otto: Cicero wird mit 3,5 Mio. Euro zu teuer sein. Gut wäre es, wenn Lustenberger und Raffael bleiben würden. Gekas hatte bei uns alle Chancen, aber er hat sich nicht bewiesen. Bei Ramos weiß ich nicht, ob er mit in die zweite Liga zu gehen würde. Für Wichniarek wäre die zweite Liga nicht schlecht. Dort hätte er die Chance, sich in Berlin vielleicht irgendwie noch beliebt zu machen. In der Hinterhand haben wir noch Rasmus Bengtsson. Er hat in der Bundesliga bisher nicht überzeugt, aber er und Hubnik könnten den Abgang von Friedrich locker verkraften.

SPOX: Besteht die Angst, dass Hertha in der 2. Liga versumpft?

Otto: Das ist die Angst, die wir alle haben. Aber was den Etat betrifft, ist Hertha jetzt der FC Bayern der 2. Liga. Natürlich kann das zum Problem werden. Wir waren jahrelang die graue Maus und jetzt kommen wir in die 2. Liga und sind mehr oder weniger die Größten. Hertha konnte es jahrelang nicht, gegen unterklassige Mannschaften zu spielen, aber das müssen sie jetzt lernen. Denn die entscheidende Frage ist natürlich: Wie lange hält die Hertha das finanziell durch? Ist eine Mannschaft zu lange in der 2. Liga, springen die Sponsoren ab.

SPOX: Und das bei 33 Millionen Schulden. Wie versucht man, das in den Griff zu kriegen?

Otto: Ich glaube mit Ingo Schiller ist ein sehr kompetenter Mann am Werke. Er kann alle Eventualitäten schultern und weiß, wie er damit umgehen muss. Natürlich drücken die Schulden, aber die Kredite sind langfristig angelegt. Aber auf Dauer sind die Kredite in der zweiten Liga nicht zu finanzieren. Nach ein bis zwei Jahren wird es wahrscheinlich eng.

SPOX: Ist die Lizenz gefährdet?

Otto: Schiller sagt nein. Und er hat in den letzten Jahren bewiesen, dass man ihm glauben kann...

SPOX: Vieles hängt vom nächsten Trainer ab. Welcher Typ muss her?

Otto: Ich wünsche mir einen Typ wie Klopp, der ein Band zwischen dem Team und den Fans knüpfen kann. Das hatte weder Funkel noch Favre drauf. In Berlin geht alles über Erfolg und deshalb muss ein Trainer kommen, der Erfolg hat. Wen ich ungern dabei hätte, wäre noch einmal Funkel. Er hat trotz genug Zeit in der Rückrunde nur 18 Punkte geholt, was über die ganze Saison hinweg 36 Punkte gewesen wären. Damit wären wir in einem normalen Bundesliga-Jahr auch abgestiegen. Er ist nicht mehr der richtige Mann. Wir brauchen eine frische Lösung. Mir würde es nicht wehtun, wenn von dem nächsten Trainer noch keiner gehört hätte.

SPOX: In der "Berliner Morgenpost" stand: "Hertha muss sympathischer werden, Fehler zugeben, auf die Fans zugehen, der Jugend eine Chance geben. Es wird höchste Zeit, dass Hertha wieder die Berliner Seele anspricht." Muss sich Hertha neu erfinden?

Otto: Das wäre schön. Hertha ist ein Snobklub aus Charlottenburg im krassen Gegensatz zu Union im Ostteil. Ich frage mich auch, ob es möglich wäre, die Stadt so hinter den Verein zu kriegen wie in Dortmund oder auf Schalke. Unsere Chance besteht darin, offener zu werden und sich bloß nicht wieder so ein Möchtegern-Ghetto-Image anzuschaffen. Hertha soll cool und unbefangen an die ganze Situation rangehen. Wir sollten uns kein Image aufdrücken lassen - vielleicht kann man dann die Stadt ein Stück weit mitnehmen. Das geht natürlich nicht, wenn die Vereinshymne in Opernversion aufgenommen wird und sich 90 Prozent der Fans überhaupt nicht angesprochen fühlen. Wenn Hertha-Fan Peter Fox die Hymne machen würde, dann kann vielleicht auch Hertha mal cool werden.

Foda bei Hertha und Bochum im Gespräch