"Ronaldos Leistung kommt nicht von ungefähr"

Von Interview: Jan Wunder
Sein Profi-Debüt gab Zieler am 21. Februar 2009 gegen den FC Walsall
© Getty

Mit 16 Jahren wagte Ron-Robert Zieler den Schritt auf die Insel. Bei Manchester United trainierte er an der Seite vieler Stars und stieg zu einem der besten deutschen Nachwuchskeeper auf. Nach fünf Jahren kehrt Zieler nun nach Deutschland zurück und steht ab der kommenden Saison bei Hannover 96 zwischen den Pfosten. Im SPOX-Interview spricht er über seine Zeit bei United, Cristiano Ronaldos Fleiß, Robert Enke und erklärt, warum er nach Hannover wechselt.

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SPOX: Herr Zieler, Sie wechseln von einem der erfolgreichsten Klubs der Welt zu einem Abstiegskandidaten in die Bundesliga. Warum das?

Zieler: Ich hatte fünf tolle Jahre in Manchester, aber jetzt ist die Zeit für etwas Neues gekommen. Vor ein paar Wochen war ich in Hannover zum Probetraining, und dabei habe ich scheinbar einen positiven Eindruck bei den Verantwortlichen hinterlassen. 96 hat mir dann ziemlich schnell ein Angebot unterbreitet, mit dem ich sehr zufrieden war, so dass wir uns gut einigen konnten. Ich bin froh, dass es so gekommen ist.

SPOX: Dennoch verlässt man einen Klub wie Manchester United nicht einfach so.

Zieler: Definitiv nicht. Ich habe auf jeden Fall viele positive Erfahrungen mitgenommen und mich sowohl sportlich als auch menschlich weiterentwickelt. Es war eine unglaubliche Zeit, in der Manchester United wirklich alles gewonnen hat: Champions League, Weltpokal, Meisterschaft. Spieler wie Cristiano Ronaldo waren hier. Das sind natürlich alles Eindrücke, die ich mitnehmen kann.

SPOX: Was nehmen Sie in Sachen Torwartspiel mit? In England werden Luftzweikämpfe beispielsweise deutlich härter geführt als anderswo.

Zieler: Die Strafraumbeherrschung wird trotzdem nicht besonders trainiert. Auch sonst gibt es nicht unbedingt Unterschiede zwischen Deutschland und England, zumindest soweit ich es vergleichen kann. In Deutschland habe ich ja eigentlich nur als Jugendspieler trainiert und da werden einem hauptsächlich Grundlagen beigebracht. Hier arbeiten wir an anderen Dingen. Einem Edwin van der Sar beispielsweise muss man keine Grundlagen mehr beibringen. Was vielleicht ungewöhnlich ist: Oft trainieren wir morgens nur relativ kurz, also 20-30 Minuten und legen dann nachmittags noch eine Extra-Schicht ein, in der dann ganz spezifisch trainiert wird. Zum Beispiel gibt's dann ein Training lang nur Flanken.

SPOX: Sie haben fünf Jahre lang in Manchester gelernt und gespielt. Im Sommer ist nun aber Schluss, weil ihr Vertrag nicht verlängert wird. Warum haben Sie es letztlich doch nicht ganz gepackt?

Zieler: Als junger Spieler, gerade als Torwart, ist es natürlich extrem schwierig, sich bei so einem Weltverein durchzusetzen. Dass ich es hier nicht gepackt habe, ist jetzt kein riesiges Problem für mich. Ich hatte eine richtige gute Zeit hier und habe eine außergewöhnliche Ausbildung genossen. Ich habe mit sehr guten Coaches zusammengearbeitet und war immerhin fünf Jahre hier. Ich habe wirklich riesige Fortschritte gemacht und dass es jetzt zum letzten Schritt, zur Nummer 1, nicht gereicht hat, ist eben so.

SPOX: An van der Sar ist in Manchester kein Vorbeikommen. 2011 hört er wahrscheinlich auf. Wer wird die neue Nummer 1 im Tor der Red Devils?

Zieler: Das ist schwer zu sagen. Ich kann mir schon vorstellen, dass der Verein auf dem Transfermarkt tätig wird, wenn van der Sar aufhört. Ob dann letztlich eine klare Nummer 1 geholt wird oder vielleicht Tomas Kuszczak oder Ben Foster die Chance bekommen, das kann man jetzt noch nicht sagen.

SPOX: In Deutschland fällt im Zusammenhang mit van der Sars Nachfolge immer wieder der Name Manuel Neuer. Wird er intern diskutiert?

Zieler: Dazu kann ich nichts sagen.

SPOX: Sie haben während Ihrer Zeit in Manchester andere Erfahrungen gesammelt als Keeper, die nur in Deutschland waren. Ist das nun ein Vorteil für Sie?

Zieler: Das denke ich schon. Was mich hier zum Beispiel besonders beeindruckt hat, war der tägliche Umgang mit den Weltstars.

SPOX: Können Sie uns ein Beispiel geben?

Zieler: Zum Beispiel Cristiano Ronaldo. Sein Fleiß war schon beeindruckend. Zu sehen, dass er vor dem Training noch in den Kraftraum geht und nach dem Training Freistöße übt, hat mir gezeigt, dass harte Arbeit extrem wichtig ist. Ronaldos Leistungen kamen ja nicht von ungefähr, auch wenn die Leute immer nur sehen, wie er auf dem Spielfeld Top-Leistungen abliefert.

SPOX: Ist der Arbeiter Ronaldo eine Art Vorbild?

Zieler: Das würde ich jetzt nicht direkt so sagen. Er hat auf jeden Fall regelmäßig Sonderschichten absolviert und man sieht ja, dass sich das lohnt. Ich kann deshalb viel Positives aus der Zusammenarbeit ziehen. Es zeigt mir, dass man immer hart arbeiten muss, auch wenn - wie in Manchester - für alles gesorgt wird, was die Profis brauchen. Bei United ist das ein Rund-um-sorglos-Paket für die Stars, sodass die sich nur auf den Fußball konzentrieren können. Aber das wird dann auch bedingungslos von ihnen verlangt.

SPOX: Von Manchester geht es jetzt nach Hannover. 96 steckt mitten im Abstiegskampf. Keine einfach Situation für die Kaderplanung, und um neue Verträge abzuschließen. Wie konnte Sportdirektor Jörg Schmadtke Sie überzeugen?

Zieler: Zunächst hoffe ich natürlich, dass Hannover die Klasse halten kann. Für mich als junger Spieler ist es wichtig, einen Verein gefunden zu haben, bei dem ich mich weiterentwickeln kann und wo eine Perspektive vorhanden ist, auch in der zweiten Liga. Auch wenn Hannover absteigen sollte, hat der Verein Ambitionen, direkt wieder aufzusteigen und sich in der Liga wieder zu stabilisieren. Da dabei zu sein, ist für mich sicherlich auch keine schlechte Sache.

SPOX: Hannover war mit Gerhard Tremmel im Winter bereits an einem Keeper interessiert. Es war also bekannt, dass man nach einer Verstärkung fürs Tor sucht. Hat das Ihre Entscheidung beeinflusst?

Zieler: Inwiefern?

SPOX: Möglicherweise sind die Aussichten in Hannover besonders gut, in naher Zukunft zu spielen.

Zieler: Ich will mich auf jeden Fall durchsetzen und da ist es egal, wer Konkurrent ist. Ob nun Fromlowitz oder jemand anderes. Fromlowitz ist auch ein junger Keeper mit guten Qualitäten, aber im Fußball herrscht Konkurrenzkampf und jeder möchte sich durchsetzen.

SPOX: Was macht Sie zuversichtlich, dass Sie spielen?

Zieler: Ich werde versuchen, mich im Training zu beweisen und gute Eindrücke zu hinterlassen. Die Vorbereitung wird eine harte, aber schöne Zeit für mich und es kann immer viel passieren. Ich freu mich darauf und werde mit viel Enthusiasmus in die ganze Sache reingehen. Ich kann jedenfalls versprechen, dass ich perfekt vorbereitet in die Saison gehen werde.

SPOX: Im November gab es in Hannover die Tragödie um Robert Enke. Wie wurde das auf der Insel wahrgenommen?

Zieler: Die Tragödie ist natürlich durch die ganze Welt gegangen, aber es ist schon so viel darüber geredet worden, dass ich gar nicht so viel dazu sagen möchte. Natürlich war das auch hier in England eine große Sache, die ganze Fußballwelt zeigte sich betroffen.

SPOX: Hat es Ihre Entscheidung beeinflusst?

Zieler: Nein. So tragisch die Geschichte ist, der Verein muss weiterplanen und das Fußballgeschäft steht nicht still.

SPOX: Vor Ihrem Engagement in Hannover haben Sie auch ein Probetraining in Westerlo absolviert. Wollten Sie etwa lieber nach Belgien als nach Deutschland?

Zieler: So wurde es von den Medien ausgelegt. Mein Co-Trainer hier in Manchester hat gute Kontakte nach Belgien und erzählte mir vor einiger Zeit, dass Westerlo Interesse an mir zeigt und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, mal zwei Tage rüberzugehen und mir das anzuschauen. Schaden kann es nicht, dachte ich mir, also bin ich da hin. Letztlich hat es mir dort persönlich aber nicht wirklich gefallen und mir war da schon klar, dass ich lieber nach Deutschland zurück wollte.

SPOX: Gab es noch andere Angebote?

Zieler: Es gab auch noch andere interessierte Vereine, aber nach dem positiven Probetraining in Hannover ging es dann doch schnell mit der Unterschrift und ich habe mich mit keinem anderen Verein konkret befasst.

SPOX: Müssen Sie es jetzt in Hannover packen, um nicht als ewiges Talent abgestempelt zu werden?

Zieler: Ganz klar will ich es in Hannover schaffen und mich durchsetzen. Ich bin ja nicht dahin gewechselt, um mich auszuruhen. Dennoch ist man mit 21 Jahren als Torwart immer noch sehr jung. Keine naive 18 mehr, aber man hat hoffentlich noch eine lange Karriere vor sich. Trotzdem will ich unbedingt angreifen und mich in einem fairen Konkurrenzkampf durchsetzen.

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