"Ich kenne Tottis dunkle Seite"

Von Interview: Daniel Börlein
Carsten Ramelow machte von 1998 bis 2004 46 Länderspiele für die DFB-Auswahl
© Getty
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SPOX: Den Ruhm haben dadurch aber auch meist die anderen abbekommen.

Ramelow: Für mich war wichtig, einen guten Job zu machen. Das ist mir meist gelungen. Ich habe viel auf die Mütze bekommen, aber ich habe daraus auch eine gewisse Stärke gezogen. Mich hatte man häufig nicht wirklich auf der Rechnung und letztlich habe ich mich dann doch immer wieder durchgesetzt, egal wer gekauft wurde oder wer in der Öffentlichkeit besser eingestuft wurde.

SPOX: Stichwort auf die Mütze bekommen: Im WM-Halbfinale 2002 bügelte Michael Ballack einen Fehler von Ihnen aus, sah dafür Gelb und fehlte im Finale gesperrt. Sie waren der große Buhmann.

Ramelow: Ach, in der Nationalmannschaft gab's doch häufiger solche Situationen. Aber ich habe mir da über die Jahre ein dickes Fell zugelegt. Zur Situation damals: Das gehört im Fußball dazu, dass einer den Fehler eines anderen ausbessert.

SPOX: Ob Ballack das auch so sieht?

Ramelow: Dass er darüber nicht glücklich war, wird jedem klar sein. Aber er hätte es ja auch nicht machen müssen. Man weiß nicht, wie die Situation letztendlich weitergegangen wäre. Ich habe es sicher nicht mit Absicht gemacht. Es gab auch von Michael nie einen Vorwurf. Die Presse hat das dann ein bisschen hoch gespielt und mir eine mitgegeben. Dann sucht man sich eben den Schwächeren und sagt: Jetzt kriegt's der Ramelow ab.

SPOX: Gab's abgesehen von solchen Momenten Dinge, die Sie aus Ihrem Fußballer-Leben streichen möchten?

Ramelow: Ich war 13 Jahre in Leverkusen. Zehnmal waren wir international dabei. Zweimal lief es allerdings nicht so gut, da sind wir gerade so in der Liga geblieben. Diese Zeit war nicht besonders schön, weil es sehr kritische Momente waren. Darauf hätte ich gerne verzichten können.

SPOX: Dennoch ging es für Bayer am Ende immer gut. Im Fall von Christoph Daum kann man das nicht behaupten.

Ramelow: Das kam für uns aus dem Nichts. Als die Bombe damals platzte, war das eine riesige Enttäuschung. Ich hatte unter ihm eine tolle Zeit, habe auch sehr viel von ihm gelernt. Wir hatten viel Spaß - und dann so was. Was damals alles passiert ist, kann ich bis heute noch nicht richtig einordnen.

SPOX: Wie ging man innerhalb der Mannschaft damit um?

Ramelow: Wir haben es kurz vor einem Heimspiel erfahren, das war schon unglaublich. Es war natürlich auch im Nachhinein noch einige Zeit ein Thema. So richtig wusste ja keiner, wie das alles gelaufen ist. Da hat man sich schon gefragt, wie das zustande gekommen ist. Auf dem Platz hatte die ganze Sache kaum Folgen, persönlich hatte man daran allerdings schon zu knabbern. Schließlich hatte man einen tollen Trainer erleben dürfen, an ihm nun allerdings eine Seite kennengelernt, die man nie erwartet hätte.

SPOX: Trotz alledem: War Daum der beste Trainer ihrer Karriere?

Ramelow: Das würde ich sagen, ja. Zusammen mit seinem Assistenten Roland Koch hat er top Arbeit abgeliefert. Jeder einzelne Spieler hat etwas dazugelernt. Und man sieht ja: Überall wo er gearbeitet hat, hatte er Erfolg. Das spricht für seine Klasse.

SPOX: Diese ganze Sache um Christoph Daum war damals das große Thema in der Öffentlichkeit. Was dagegen kaum einer weiß: Sie haben sich auch mal als Sänger versucht.

Ramelow: Wir haben bei Leverkusen damals mit fünf, sechs Spielern eine Weihnachts-CD aufgenommen. Das war eine lustige Aktion, die sehr gut angekommen ist. Damals habe ich den Produzenten näher kennen gelernt und er meinte, dass sich das bei mir schon ganz gut angehört habe und ob ich schon überlegt hätte, mal privat etwas zu machen...

SPOX: Und dann haben Sie überlegt?

Ramelow: Ich hatte mir schon lange vorher mal darüber Gedanken gemacht. Nun bot sich eben die Gelegenheit, und wir haben das Ganze noch für einen guten Zweck genutzt und das Geld, das eingenommen wurde, gespendet.

SPOX: Fußballer und Singen ist ja immer so eine Sache...

Ramelow: Da muss man als Fußballer natürlich aufpassen. Man will ja auch nicht belächelt werden. Aber ich habe mir das zugetraut. Ich wusste ja: Allzu schlecht singe ich nicht. Und es ist dann auch gut geworden. Das haben mir viele aus meinem Bekanntenkreis gesagt. Die haben mich erst gar nicht erkannt und waren total verwundert, dass ich das gesungen habe.

SPOX: Klingt ja richtig begeistert.

Ramelow: Ich finde, die ganze CD ist wirklich schön geworden. Sie kam auch bei anderen Leuten gut an und mir hat's viel Spaß gemacht. Trotzdem habe ich es dann bei dieser einen CD belassen.

SPOX: Teamkollege Thomas Brdaric fühlte sich dagegen offenbar von Ihnen inspiriert und versuchte sich ebenfalls. Was haben Sie als Experte davon gehalten?

Ramelow: (lacht) Das sollen andere beurteilen. Bei ihm war das Feedback nicht ganz so gut, wenn ich mich richtig erinnere.

SPOX: Einer, den die Fans immer mochten, war Bernd Schneider. Er bekommt nun im Mai ein Abschiedsspiel. Warum haben Sie eigentlich keines gemacht?

Ramelow: Ich wollte nie so ein Spiel, habe da immer abgeblockt. Ich bin einfach kein Typ für die Öffentlichkeit. Mein letztes Spiel war in Berlin, da habe ich sogar noch ein Tor gemacht. Was will ich denn mehr? Für mich war das der perfekte Abschied.

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