Das "Projekt Magath" mutiert

Von Haruka Gruber
Felix Magath ist auf Schalke Trainer, Manager und Vorstandsmitglied in Personalunion
© Imago

Trotz klammer Kassen hat Schalke massiv aufgerüstet und unter anderem Alexander Baumjohann (FC Bayern) sowie Peer Kluge (1. FC Nürnberg) verpflichtet. Der Klub selbst spricht von einem "Strategiewechsel". Doch was heißt das für Felix Magath, Clemens Tönnies und die arrivierten Stars? Die sechs wichtigsten Fragen zum neuen Schalke 04.

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Wie finanziert Schalke die Transfers?

Noch im Sommer wurde über einen drohenden Finanzcrash berichtet - und plötzlich geriert sich Schalke wie ein Big Player auf dem Transfermarkt. Edu, Bogdan Müller und Tore Reginiussen kosteten zwar keine oder kaum Ablöse, dafür müssen für Alexander Baumjohann sowie Peer Kluge jeweils geschätzte 1,5 bis zwei Millionen Euro (plus Gehaltskosten) aufgebracht werden.

Wie das? Simpel: Von der starken Hinrunde derart begeistert, streckt Aufsichtsratsboss Clemens Tönnies dem Verein eine vermutlich siebenstellige Summe vor, um die Wechsel zumindest vorzufinanzieren.

Magath: "Eigentlich wollten wir ja erst Spieler verkaufen, bevor wir neue holen, aber ich habe an Neujahr mit Clemens Tönnies telefoniert und er hat mir ein wenig Geld für Zugänge zur Verfügung gestellt.  Er hat grünes Licht gegeben und bürgt notfalls."

Sprich: Tönnies wird Schalke sogar bis zum Saisonende unter die Arme greifen, wenn in der Winterpause neben Lewan Kobiaschwili kein weiterer Topverdiener den Verein verlässt.

Was sind Tönnies' Beweggründe?

Die Transferoffensive sei zwar mit "einem Risiko" verbunden, wie Magath zugibt, dennoch habe er sich mit Tönnies und seinem Vorstandskollegen Peter Peters nach der starken Hinrunde mit dem zweiten Platz und dem Erreichen des Pokal-Viertelfinals darauf geeinigt, dass "wir das Bestmögliche aus der sehr guten Ausgangsposition rausholen wollen".

Die sonst so zurückhaltende S04-Homepage titelte sogar: "Baumjohann-Transfer signalisiert Schalker Strategiewechsel." Und die besagt: Statt des angedachten Wegs der Konsolidierung und des langsamen Wachstums schlägt Königsblau einen weniger absehbaren, dafür aber womöglich ertragreicheren Kurs ein. Das "Projekt Magath" mutiert - und Fleischfabrikant Tönnies stellt das Risikokapital dafür bereit.

"Wir haben die Chance, unter die ersten Fünf zu kommen und dann zusätzliche Einnahmen im internationalen Wettbewerb zu erzielen", sagt Magath.

Was bringen die Neuzugänge?

Von allem etwas. Der durchsetzungsfähige Edu ist als ehemaliger Innenverteidiger mit unorthodoxem Spielstil ein Angreifertyp, den Schalke nicht besaß. Sturm-Kollege Müller kommt zwar aus der 6. Liga, gilt aber als extrem schnell und technisch stark. Und Reginiussen verstärkt die Abwehr in der Tiefe.

Als Königstransfers verpflichtet wurden Baumjohann und Kluge. Wenn Schalke eine Schwäche in der Hinrunde offenbarte, dann war es das offensive Mittelfeld. Rakitic und Holtby zu unbeständig, Kenia zu verletzungsanfällig: Heißt die Lösung der noch bei den Bayern gescheiterte Baumjohann? "Er ist ein technisch versierter, sehr dribbelstarker Spieler. Zudem ist er schon etwas erfahrener als Holtby und Kenia", sagt Magath.

Wesentlich weniger Glanz versprüht Arbeitstier Kluge, der jedoch mit seiner Laufstärke und Vielseitigkeit prädestiniert ist für die Halb-Positionen in der Raute oder als Sechser.

Der ehemalige Nürnberger ist ein Symbol für das neue, stärkere Schalke. Die schon im ersten Halbjahr taktisch und personell nur schwer ausrechenbare Mannschaft wird mit den Verstärkungen noch variabler. Baumjohann und Kluge, immerhin Magaths Wunschspieler, sollten einen Platz in der ersten Elf sicher haben.

Was passiert mit den Shootingstars?

Mindestens zwei neue Leistungsträger = weniger Einsatzzeiten für junge Spieler. Zwar ist die einfache Rechnung im Kern richtig, dennoch werden die in der Hinrunde teils überzeugend aufspielenden Talente weiterhin viele Spielminuten bekommen.

Denn Lukas Schmitz (linkes Mittelfeld, Linksverteidiger), Christoph Moritz (rechtes, zentrales Mittelfeld), Joel Matip (defensives Mittelfeld, Innenverteidigung), Lewis Holtby (beide Flügel, offensives Mittelfeld), Levan Kenia (Spielmacher, Linksaußen) sowie Innenverteidiger Carlos Zambrano als Aushilfs-Rechtsverteidiger können mehrere Positionen besetzen und sind daher flexibel einsetzbar.

Beste Chancen auf einen Stammplatz hat Schmitz, der dank seines vorzüglichen linken Fußes sowie zuletzt soliden Leistungen links hinten dauerhaft Christian Pander ersetzen könnte.

Den Anschluss verloren hat derzeit nur Billy Pliatsikas. Nicht wegen seiner durchwachsenen Leistungen in der Hinrunde, sondern wegen schlichtem Pech. Der Grieche zog sich zum Trainingslager-Start eine schwere Knieverletzung zu und wird monatelang ausfallen.

Was passiert mit den Arrivierten?

Die Verlierer sind schnell ausgemacht. Baumjohanns Wechsel ist ein offenes Misstrauensvotum gegen Rakitic, und durch Kluges Kommen entfällt für Höwedes, der auf seiner bevorzugten Innenverteidiger-Position bei Magath kaum Chancen hat, ein mögliches Betätigungsfeld im defensiven Mittelfeld.

Während Höwedes über einen Weggang grübelt, will Rakitic beim Verein bleiben. "Er konzentriert sich weiter auf Schalke. Für Ivan hat sich auch mit Baumjohann nichts geändert", sagte sein Bruder und Berater Dejan Rakitic zu SPOX.

Ein weiterer Randaspekt des Kluge-Transfers: Was passiert eigentlich mit Jermaine Jones, wenn er im Februar/März nach langer Pause zurückkehrt?

Ungeklärt ist die Zukunft des verspätet aus dem Urlaub zurückgekehrten Rafinha und seines Landsmanns Mineiro, der die Erwartungen als Jones-Vertreter auch wegen mangelndem Trainingseifer nicht erfüllte.

Was passiert mit den Aussortierten?

Sollte die Botschaft bei Halil Altintop, Gerald Asamoah und Vicente Sanchez noch nicht angekommen sein: Wenn ein Trainer in der Winterpause einen in der Bundesliga gescheiterten Stürmer aus der südkoreanischen Liga (Edu) und einen Nachwuchsangreifer aus der 6. Liga (Müller) holt, gibt es für mittlerweile hoffnungslos überbezahlte Stars von vorgestern keine Perspektive mehr.

Wegen den hohen Gehaltsvorstellungen der Aussortierten und wenig konkretem Interesse aus Hamburg (Asamoah), Uruguay (Sanchez) oder Türkei (Altintop) scheint derzeit aber ein Verbleib wahrscheinlicher als ein Weggang im Winter. Das Gleiche gilt für Albert Streit.

Zumindest für den verschollenen Ze Roberto II gab es eine Offerte aus Brasilien, die jedoch "indiskutabel" gewesen sei, so Magath. Der mächtige Mann auf Schalke, derzeit mehr als Manager denn als Trainer gefragt, betont zwar: "So wie die Situation ist, glaube ich schon, dass uns noch der ein oder andere Spieler verlassen wird."

Doch auch er muss eingestehen: "Etwas wirklich Konkretes gibt es derzeit nicht. Es gab einen Kontakt, aber das haben wir ablehnend beschieden. Ich glaube erst einmal nicht, dass sie sich noch einmal melden werden." Was wohl Tönnies' Buchhalter davon hält?

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