Subotic: "Mach nicht zu viel Schnickschnack!"

Von Interview: Stefan Moser
Neven Subotic hat bisher sieben Tore in 48 Bundesligaspielen für Borussia Dortmund erzielt
© Getty

Neven Subotic hat sich bei Borussia Dortmund zum serbischen Nationalspieler und zu einem der besten Innenverteidiger der Bundesliga entwickelt. Subotic' erstaunliche Reife liegt in seiner bewegten Kindheit begründet, seine fußballerische Entwicklung liegt seit jeher in den Händen von Jürgen Klopp.

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Im großen SPOX-Interview spricht der 21-Jährige über seinen Mentor Klopp, die bewegte Geschichte seiner Familie und das Aufeinandertreffen mit Deutschland bei der Weltmeisterschaft im kommenden Jahr.

SPOX: Acht Spiele am Stück nicht verloren, zuletzt Nürnberg geschlagen und hinten zu Null gespielt: Ihr Job macht im Moment bestimmt Spaß?

Neven Subotic: Absolut! Die Siege versüßen mir natürlich die Tage. Wir hatten eine etwas brenzlige Phase zum Saisonstart, aber jetzt haben wir uns gefunden und es macht endlich wieder richtig Laune, für den BVB zu spielen. Ehrlich gesagt, verfliegt die Zeit im Moment fast zu schnell, um die Situation wirklich zu genießen. Denn nach jedem Sieg beginnen sofort wieder das Training und die Konzentration für das nächste Spiel.

SPOX: Und dann war auch noch die WM-Auslosung - mit einem sehr interessanten Ergebnis für Sie...

Subotic: Oh ja, wobei ich sagen muss: Wir hatten weder Pech noch wirklich Glück. Wir haben eine gute und starke Gruppe, in der mit allen Gegnern zu rechnen ist. Natürlich ist Deutschland der Favorit, aber wir haben hart gearbeitet, um bei der WM zu sein, also fahren wir da auch nicht hin, um die Landschaft zu genießen. Wir wollen weiterkommen. Allerdings gilt das gleiche sicher auch für Ghana und Australien.

SPOX: Und was bedeutet für Sie das Aufeinandertreffen mit Deutschland?

Subotic: Das ist auf jeden Fall etwas Besonderes. Ich spiele in Deutschland, und hier ist jetzt mein Zuhause. Ich bin jetzt schon aufgeregt und freue mich riesig auf die Partie. Und wer weiß: Vielleicht ist es ja auch ein kleiner Vorteil, dass ich mich im deutschen Fußball auskenne und die meisten Spieler aus der Liga kenne. Und dann leben ja auch viele Serben in Deutschland - die sollen schließlich was zu jubeln haben.

SPOX: Und apropos Serbien:  Wen halten Sie für das bessere Innenverteidiger-Duo - Subotic / Hummels oder Subotic / Vidic?

Subotic (lacht): Fiese Frage! Mats und ich harmonieren wunderbar auf dem Platz. Und wie gut Vidic ist, darüber müssen wir ja eigentlich gar nicht reden. Er ist auch auf jeden Fall ein Vorbild für mich. Er ist unheimlich professionell und auf seiner Position mit Sicherheit einer der besten der Welt. Wir üben im Training manchmal Flanken mit einem Verteidiger gegen zwei Stürmer. Aber da könnten auch zehn Stürmer kommen - Vidic weiß immer, wo der Ball hinkommt und fischt die Dinger weg. Das ist unglaublich!

SPOX: Zumindest in der Bundesliga aber gehört das Duo Subotic / Hummels zu den besten Innenverteidigern. In 18 Partien, die Sie gemeinsam in der Viererkette spielten, haben Sie keine verloren. Wie kommt die unglaubliche Serie zustande?

Subotic: So genau weiß ich das auch nicht. Ehrlich gesagt versuche ich, auch gar nicht darüber nachzudenken. Denn solange es so läuft wie zurzeit, werde ich den Teufel tun und womöglich irgendwo nach Problemen suchen. Es läuft einfach gut, was aber natürlich auch der Verdienst der ganzen Mannschaft ist. Vor allem unser defensives Mittelfeld mit Sven Bender und Nuri Sahin macht uns den Job am Ende auch sehr leicht.

SPOX: Sie verstehen sich auch außerhalb des Platzes gut mit Hummels. Würden Sie bei der WM mit ihm gerne das Trikot tauschen?

Subotic: Natürlich! Am liebsten tauscht man doch mit einem Kollegen - und er ist ein sehr guter Kollege. Das wäre ein Traum, ich würde es Mats wirklich gönnen. Er hat schon gezeigt, was er drauf hat - und wir werden nun gemeinsam versuchen, das weiter durchzuziehen, damit er eine Chance bekommt.

SPOX: Also gehört er Ihrer Meinung nach in den Kader für Südafrika?

Subotic: Er hätte es auf jeden Fall verdient. Jogi Löw hat schon einigen jungen Talenten in der Abwehr eine Chance gegeben, wie Tasci oder Compper - und Mats gehört da definitiv dazu. Ich finde, er hat sich mittlerweile seine Chance wirklich erarbeitet.

SPOX: Auch Sie haben sich enorm entwickelt, zuletzt blieben deshalb Gerüchte nicht aus, vor allem die Premier League soll interessiert gewesen sein. Sie haben die Spekulationen mit dem bemerkenswerten Satz beendet, Sie seien Dortmund noch was schuldig.

Subotic: Ich fürchte, da bin ich missverstanden oder falsch zitiert worden. Denn schuldig ist eigentlich nicht das richtige Wort. Schuldig bin ich dem Verein vielleicht die Ablöse, die er für mich bezahlt hat, und die würde er ja zurückbekommen, wenn ich gehen würde. Fakt ist aber, dass ich einfach hier bleiben möchte. Denn ich denke nicht, dass ich ein kompletter Spieler bin. Ich brauche sicher noch einige Jahre, bevor ich überhaupt über so einen Wechsel nachdenken darf. Und hier ist meine Lernkurve gut, ich bin zufrieden mit meiner Entwicklung und ganz besonders mit Jürgen Klopp, unter dem ich sehr schnell große Schritte gemacht habe.

SPOX: Stimmt es dann auch, dass Sie Klopp auch als eine Art Ziehvater sehen?

Subotic: Auch das wird häufig falsch dargestellt. Es ist keinesfalls so, dass ich ihn in privaten Angelegenheiten außerhalb des Fußballs um Rat fragen würde. Die Geschichte stammt, denke ich, aus der Zeit in Mainz, wo ich ohne Familie war, und vielleicht wirklich einen Vater brauchte. Aber mein Verhältnis zu Jürgen Klopp ist ein rein professionelles zwischen Spieler und Trainer - wenn auch ein sehr, sehr gutes.

SPOX: Auffällig ist trotzdem, dass sich viele Spieler nur positiv über Klopp äußern. Irgendwie scheint ihn jeder zu mögen...

Subotic: Das ist mir auch aufgefallen. Auch wenn die Fans über Kloppo sprechen, denken sie immer, er ist ein Engel, oder so. Das ist echt irre. Aber ich kann ja nun auch nichts Schlechtes über ihn sagen, selbst wenn ich wollte. Er ist eben wirklich so sympathisch. Für uns Spieler ist es auch angenehm, dass er selbst noch ein junger Trainer ist, der versteht, wie wir ticken. Auch in Sachen Humor kann er noch mithalten (lacht). Das ist das Besondere an ihm als Person. Aber man darf nicht vergessen, dass er auch ein guter Trainer ist.

SPOX: Was zeichnet Ihn als Trainer aus?

Subotic: Er ist ein hervorragender Motivator, der uns perfekt einstellt. In den letzten acht Spielen hat man das natürlich besonders gesehen: Alle Spieler halten ihre taktischen Positionen und erfüllen ihre Aufgaben, weil alle heiß sind. Außerdem geht er auf die Spieler ein, spricht viel mit uns, spürt, wenn jemand Probleme hat. Deshalb verbessern sich bei ihm auch die jungen Spieler stetig, weil er ihnen einen Weg und eine Perspektive zeigt. Und die Zeit nimmt er sich - egal ob du Stammspieler bist oder auf der Bank oder sogar auf der Tribüne sitzt.

SPOX: Offensivspielern predigt er immer wieder die Wichtigkeit des ersten Ballkontakts. Gibt es auch ein Credo, das er Ihnen als Abwehrspieler immer wieder vorbetet? Worauf Sie besonders achten müssen?

Subotic (lacht): Mittlerweile habe ich den jetzt schon seit drei Jahren als Trainer, da wiederholt sich inzwischen natürlich viel. Trotzdem hat er mir immer aus kleineren Krisen geholfen mit dem, was er gesagt hat.

SPOX: Was hat er Ihnen in der Situation konkret gesagt?

Subotic: Meistens hat er gesagt: Neven, spiel den einfachen Ball und mach nicht zu viel Schnickschnack! Und das hat dann meistens auch ganz gut geklappt.

SPOX: Ganz offensichtlich! Wobei man Ihnen selbst auch nachsagt, Sie hätten in Ihren jungen Jahren schon die Reife, sich sehr bewusst und kritisch mit sich selbst auseinanderzusetzen. Woher kommt diese Reife?

Subotic: Ich glaube, dass meine Geschichte schon eher ungewöhnlich ist. Ich habe viel von der Welt gesehen, war früh von zuhause weg, musste selbstständig sein. Das hat mich sicher gut auf eine Profi-Karriere vorbereitet.

SPOX: Ihre Familie ist nach Deutschland geflohen, als Sie noch ein Kind waren. Inwiefern hat Sie diese Zeit geprägt?

Subotic: Was mich als Kind wirklich geprägt und weitergebracht hat, war, denke ich, als Serbe in Deutschland aufzuwachsen. Die Erfahrung, fremd zu sein, sich auch ausgeschlossen zu fühlen, weil mir am Anfang gerade einige Kinder in meinem Alter mit Ablehnung oder Distanz begegnet sind. Das macht einen zum Kämpfer. Und dann natürlich die Erfahrungen mit meiner Familie in Bosnien, als ich gesehen habe, wie es in einem Kriegsgebiet zugeht. Das hat mein Leben mit Sicherheit geprägt und mir die Mentalität gegeben, dass man Dinge nicht als selbstverständlich hinnehmen darf.

SPOX: Fünf Jahre später sollten Sie ausgewiesen werden, und Ihre Familie übersiedelte in die USA...

Subotic: Richtig. Mit zehn bin ich nach Amerika und habe damit schon früh viel von der Welt gesehen und gelernt. Mit der US-Nationalmannschaft war ich dann eine Weile in Peru - habe dort auch wieder meinen Horizont erweitert....

SPOX: In Amerika sind Sie dann schnell erneut umgezogen...

Subotic: Den nächsten Schritt habe ich auch schon mit 17 gemacht, als ich alleine nach South Florida an die Uni ging und dort auch auf eigenen Beinen stehen musste. Und sechs Monate später war ich dann schon wieder auf einem anderen Kontinent: in Mainz - und habe mich dort nicht nur als Fußballer weiterentwickelt, sondern auch als Mensch, der lernen muss alleine in einem fremden Land zu Recht zu kommen. Aber die Autonomie und den Willen, hart zu arbeiten, haben mir am Ende natürlich auch auf dem Platz weitergeholfen.

SPOX: Stimmt es auch, dass Sie in den USA beim Spielen im Park entdeckt wurden?

Subotic: Das ist richtig, ja. Ich habe da fast täglich in einem Park in Florida gekickt. Meistens sogar alleine mit mehreren Bällen. Und eines Tages habe ich da einen Trainer getroffen, der eine kleine Mannschaft dort trainiert hat. Die waren allerdings alle zwei Jahre älter.

SPOX: Trotzdem haben Sie ihn angesprochen...

Subotic: Ich habe ihn einfach gefragt, ob ich mitspielen könnte. Er hat gesagt: 'Du bist noch zu jung.' Und ich: 'Aber ich habe schon oft gegen Ältere gespielt'. Darauf er wieder: 'Dann musst du ja gut sein.' Und ich: 'Keine Ahnung, aber du kannst es ja rausfinden.' Also habe ich mitgespielt. Und dann hat sich erst herausgestellt, dass er zufällig auch Trainer der amerikanischen U 17 war. Das war damals genau mein Jahrgang, also habe ich dort zur Probe mittrainiert - und da fing es eigentlich erst richtig an, dass ich jeden Tag unter ernsthaften Bedingungen trainiert habe. Das war eine sehr positive Atmosphäre für meine Entwicklung. Das hat mich sicher auch gut auf meine Profikarriere vorbereitet.

SPOX: Und mit 17 sind Sie dann, wieder auf eigene Faust, nach Mainz. Wie kam es dazu?

Subotic: Ich hatte einen Berater, der auch einen Spieler in Mainz hatte. Der hat mir dort ein Probetraining klargemacht. Und ich wollte eigentlich immer wieder zurück nach Deutschland und dort Fußball spielen. Das war am Anfang mehr ein Traum, ich habe selbst kaum geglaubt, dass es möglich ist, aber ich wollte es einfach versuchen. In den ersten Trainings war das richtig hart, weil wir nur gelaufen sind und ich kaum mal einen Ball zu sehen bekam. Aber immerhin hat der Trainer dort schon erkannt, dass ich den nötigen Willen mitbringe. Naja: Und dann ist Traum schließlich Wirklichkeit geworden.

SPOX: Kurz nachdem Sie Ihren Traum verwirklicht hatten, haben Sie sich schon für soziale Projekte engagiert. Auch nicht alltäglich für einen Teenager...

Subotic: Ich mache das schon seit der Zeit in Mainz, wir betreuen Kinder aus armen Verhältnissen. Als Fußballspieler kann man sich einfach sehr glücklich schätzen, denn man lebt den Traum von Millionen anderer Kinder. Und da will ich einfach etwas zurückgeben. Auch um sich selbst zu zeigen, dass man kein Egoist geworden ist. Das ist in erster Linie natürlich gut für die Kinder - aber ist auch gut für mich und mein Wissen, dass ich nicht nur an mich selbst denke. Mit diesem Gefühl kann man abends einfach besser einschlafen.