Guter Mo, böser Mo

Von Marcus Giebel
Ein glücklicher Mo: Idrissou war an acht von bislang 16 Freiburger Bundesliga-Toren 09/10 beteiligt
© Getty

An ihm scheiden sich die Geister: Bei den Fans erfreut sich Mohamadou Idrissou wegen seines unbändigen Einsatzwillens und seiner freundlichen und offenen Art großer Beliebtheit. Doch Trainer, Klub-Bosse und Profikollegen erleben oftmals einen ganz anderen Mo. Den Egoisten, den Selbstdarsteller, den Provokateur. Auch abseits des Platzes sorgt der Kameruner nicht nur für positive Schlagzeilen.

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Beim Füchsle-Tag ist Mohamadou Idrissou in seinem Element. Gemeinsam mit einer Gruppe Elfjähriger kickt der Stürmer des Sportclubs auf dem Gelände der Freiburger Fußballschule. Er lacht. Er albert mit den kleinen Nachwuchskickern herum. Klatscht sie nach jeder guten Aktion ab.

Und er legt seinen jungen Mannschaftskameraden im Trainingsspiel das ein oder andere Tor auf. "Das macht richtig Spaß, ich würde das gern öfter machen", sagt Idrissou, als er den Platz nach der ungewöhnlichen Trainingseinheit freudestrahlend, aber auch mit einigen Schweißperlen auf der Stirn, verlässt.

Beim Füchsle-Tag - einer jährlichen Veranstaltung des SC Freiburg - ist der 29-Jährige plötzlich nicht mehr der Fußball-Profi aus der Bundesliga, der vierfache Torschütze der noch jungen Saison, der mit seiner starken Form das Interesse von Schalke-Trainer Felix Magath geweckt hat, sondern wieder der kleine Junge aus Yaounde.

Vater stirbt bei Autounfall

In der Hauptstadt Kameruns wächst Mo auf. Schon dort ist der Fußball sein Ein und Alles. Er bietet den Kindern in der Anonymität der Häuser und Straßen Ablenkung zum schweren Alltag.

Auch Idrissou lernt früh die Schattenseiten des Lebens kennen. Als er drei Jahre alt ist, kommt sein Vater Asatou bei einem Autounfall ums Leben. Fortan zieht seine Mutter Mairamou ihn allein groß.

Lügen für die Leidenschaft

Sie lehnt seine Leidenschaft für das runde Leder entschieden ab. Für ihren Sohn jedoch kein Hindernis. Schon in jungen Jahren weiß sich Mo zu helfen. "Ich habe ihr immer irgendwelche Geschichten erzählt, wenn wir gespielt haben", grinst er verschmitzt.

Beispielsweise die, dass er sich mit Freunden ein Fußballspiel ansehen wolle. In Wahrheit aber geht er zum Probetraining eines Fußballinternats - und überzeugt die Betreuer. Die wollen den Schlacks um jeden Preis für ihre Ecole de Foot.

Es bedarf noch einiger Überredungskunst und mancher Träne, doch dann ist auch Mama Mairamou machtlos. Sie willigt ein, stellt jedoch eine Bedingung: Nach jeweils einer Woche im Internat verbringt Mo zwei oder drei Tage zu Hause. Damit können alle leben.

Seit neun Jahren in Deutschland

Es ist der Anfang einer vielversprechenden Karriere, einer Karriere, die ohne die Tricksereien des kleinen Ballkünstlers wohl schon in den Kinderschuhen stecken geblieben wäre.

Und eine Karriere, die ihn früh nach Deutschland führte. Abgesehen von einer kurzen Unterbrechung ist Idrissou seit 2000 hierzulande aktiv. Der SC Freiburg ist schon die fünfte Station des gläubigen Moslems in Deutschland.

Wenn es nach Trainer Robin Dutt geht, sind die Breisgauer auch die letzte Chance für den Linksfuß. "Als er zu uns kam, wollte ihn in Deutschland keiner mehr haben", verdeutlicht der Coach die missliche Lage Idrissous zu Beginn des Jahres 2008.

Idrissou "keiner für die Bank"

In diese hat sich der kantige und bullige Stürmer selbst hineinmanövriert. So kompromisslos er auf dem Feld im Kampf um den Ball ist, so uneinsichtig ist er auch nach den Spielen. Er weiß um sein Durchsetzungsvermögen, sein großes Talent.

"Ich bin keiner für die Bank", lautet sein Credo. Idrissou sagt auch: "In meinem Vertrag steht nicht, dass ich immer gut spielen muss." Dementsprechend lebt er auch, lässt Kritik an sich abprallen und eckt mit oftmals unüberlegten Aussagen an.

So kündigt Idrissou nach dem gelungenen Aufstieg mit dem MSV Duisburg vor der Bundesliga-Saison 07/08 vollmundig zehn Treffer an. Als er im Winter von den Zebras "flüchtet", steht sein persönlicher Tor-Zähler allerdings auf null.

Rundumschlag gegen Trainer und Mitspieler

Dafür hat er sich bei den Meiderichern jede Menge Ärger eingehandelt.

Weil er sein Team wegen einer Tätlichkeit gegen Bayern-Keeper Oliver Kahn fast um den verdienten Punktgewinn in der Allianz-Arena bringt.

Weil er sich öffentlich über die MSV-Assistenztrainer Heiko Scholz und Manfred Stefes beschwert: "Die mögen mich nicht."

Weil er via "Bild" die Aufstellung von Trainer Rudi Bommer infrage stellt: "Blagoj Georgiev hat nur einen rechten Fuß, gehört ins zentrale Mittelfeld. Links spielt er nicht gerne. Da gehöre ich hin."

Das ist auch für MSV-Boss Walter Hellmich, der Idrissou anfangs als "positiv Verrückten" betitelte, zu viel. Wenige Wochen später streicht er den Stürmer von der Gehaltsliste. 200.000 Euro Ablöse gibt es oben drauf.

Ärger mit Verein und Freundin

Weitaus schlimmere Vorwürfe als Platzverweise oder öffentliche Kritik an Trainern und Mannschaftskollegen werden Mo aus seiner Hannoveraner Zeit nachgesagt.

Bei 96 schmeißt Trainer Ewald Lienen den "König von Afrika" wegen diverser Eskapaden sogar aus dem Kader.

Vor allem privat läuft einiges aus dem Ruder. Von einer handfesten Auseinandersetzung mit seiner damaligen Freundin ist die Rede. Idrissou soll sie gewürgt und ihre Gucci-Taschen zerschnitten haben.

Damit nicht genug: Nach der Trennung von seiner Verlobten bestreitet er, Vater der 2004 geborenen Tochter Aaliyah zu sein. Und hegt in der Öffentlichkeit den Verdacht, Gerald Asamoah sei der wirkliche Erzeuger gewesen. Der deutsche Nationalspieler war vor Idrissou mit Aaliyahs Mutter zusammen.

"Größter Frauenheld der Bundesliga"

Trotz dieser Negativ-Schlagzeilen kommt Mo in der Damenwelt seit jeher gut an. "Ich bin charmant, offen und immer fröhlich, das zieht die Frauen an", sagt er über die Anzahl seiner Beziehungen, die die Liste seiner Arbeitgeber in den vergangenen Jahren bei weitem übersteigen soll.

Der Boulevard sieht in Idrissou folglich "den größten Frauenheld der Bundesliga". Für den früheren 96-Geschäftsführer Ilja Kaenzig ist er einfach nur "der egoistischste Profi, den ich je erlebt habe".

Und die Fans? Die lieben ihren Mo. Auch in Freiburg ist er - nach anfänglichen Zweifeln ob seines Spielstils - mittlerweile der Publikumsliebling. Trotz der Gerüchte um einen Wechsel zum FC Schalke 04.

Freiburg als Wohlfühloase

Das weiß auch Dutt. "Bei uns kann er tatsächlich Idrissou sein", nennt der Aufstiegs-Trainer das Erfolgsgeheimnis. Denn im Breisgau ist Mo gesetzt, hat in dieser Saison noch keine Pflichtspiel-Minute verpasst.

Hier blüht er richtig auf, hat in knapp zwei Jahren immerhin 21 Treffer für den Sportclub erzielt. Die Freiburger lernen den lustigen, den liebenswerten Idrissou kennen, der viel singt und lacht, für jeden Scherz zu haben ist.

Dutt unterbindet Striptease

Im Frühjahr kündigt er für den Fall des Aufstiegs einen Striptease im Badenova-Stadion an. Doch Dutt versagt der Mo-Show die Erlaubnis. Und Idrissou hört auf seinen Trainer.

Der Fußballer Idrissou ist in Freiburg erwachsen geworden. Als Privatmensch hat er diesen Schritt dagegen noch nicht geschafft. Zumindest wenn sich die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als wahr herausstellen sollten.

Schlägerei in Cafe?

Bei der  Staatsanwaltschaft Freiburg geht im vergangenen Monat eine Strafanzeige gegen Idrissou ein. Er soll einem 32-jährigen Angestellten eines Cafes im Juli bei einer Schlägerei das Jochbein gebrochen und Halterungen einer Zahnbrücke ausgeschlagen haben.

Der Mann soll auf Idrissous Anraten Geld auf einen Freiburger Sieg im Zweitligaspiel gegen Nürnberg gesetzt haben. Die Partie im Frühjahr endet jedoch 1:0 für den Club. Als der Bar-Keeper den Stürmer daraufhin zur Rede stellt, lernt er den anderen Mo kennen.

Den Unfreundlichen, den Provokateur, den Egoisten früherer Tage.

Mohamadou Idrissou im Steckbrief