"Ich habe zu viele Kompromisse gemacht"

SID
Lucien Favre war von Juni 2007 bis September 2009 Trainer bei Hertha BSC
© Getty

Später Respekt für den früheren Intimfeind Dieter Hoeneß, Freispruch für Arne Friedrich und Kritik an der Klub-Führung: Lucien Favre hat acht Tage nach seiner Entlassung als Trainer von Hertha BSC mit einem Blick zurück im Zorn bei einer skurrilen Abschiedsshow in einem Nobel-Hotel das Kapitel Hertha endgültig beendet.

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"Dieter Hoeneß hat mich verpflichtet, und dafür bin ich ihm sehr dankbar", sagte Favre überraschend über seinen ehemaligen Dauerrivalen.

Den Weggang von Hoeneß nach 13 Jahren machte er sogar für die sportliche Talfahrt mit sieben Niederlagen in Serie verantwortlich: "Hertha hat die Trennung von Hoeneß nicht verkraftet. Dieser Umstand hat meine Arbeit erschwert." Im Juni musste Hoeneß nach Machtkämpfen mit Favre seinen Hut nehmen.

Favre spricht Friedrich frei

Auch Kapitän Arne Friedrich wusch Favre von jeder Schuld an seinem Rauswurf rein. Der Nationalspieler war in den Verdacht geraten, in den letzten Spielen gegen Favre gespielt zu haben und so zum "Königsmörder" geworden zu sein. "Niemand hat gegen den Trainer gespielt, auch Arne Friedrich nicht", sagte der Schweizer.

Indirekte Kritik übte der 51-Jährige an der jetzigen Klubführung, deren Aushängeschild er lange Zeit war. Der Klub müsse in der Winterpause in neue Spieler investieren, nicht eine Million Euro, sondern zehn Millionen. "Es ist bemerkenswert, dass Herr Gegenbauer jetzt darüber spricht", meinte der Coach.

Kompromisse waren ein Fehler

Bislang hatte die Klub-Führung um Präsident Werner Gegenbauer einen strikten Sparkus vorgegeben. "Wir hatten wichtige Abgänge und haben zu wenige neue Spieler geholt", meinte Favre. Erstmals ließ er durchblicken, dass er sich bei der Transferpolitik zu sehr hat reinreden lassen.

"Ich habe von Anfang an zu viele Kompromisse gemacht. Kompromisse sind Fehler. Es war nur eine Frage der Zeit, wann ich gegen die Mauer fahren würde."

Preetz - Personalentscheidungen mit Favre abgesprochen

Die aktuelle Hertha-Spitze wollte die Vorwürfe nicht im Raum stehen lassen. "Die Personalplanungen für diese Spielzeit sind im Bewusstsein der wirtschaftlichen Gegebenheiten in jedem einzelnen Fall im Einvernehmen zwischen Lucien Favre und mir erfolgt", sagte Manager Michael Preetz.

Präsident Werner Gegenbauer ergänzte: "Lucien Favre war in die komplette Saisonplanung eingebunden. Er kannte und kennt unsere finanziellen Möglichkeiten, an denen sich bis heute nichts grundlegend geändert hat. Personelle Entscheidung die Mannschaft betreffend sind immer mit seiner Zustimmung gefallen."

Keine Nachfragen erlaubt

Mit seiner Privat-Audienz im Wintergarten des Nobel-Hotels Adlon hatte Favre für Verwunderung gesorgt. Der Auftritt geriet äußerst merkwürdig und steif. Alle Fragesteller mussten aufstehen. Nachfragen blockte der eigenwillige Coach ab.

Aussagen wie die über seine angebliche Abfindung von 1,3 Millionen Euro wollte er nicht kommentieren. Favre betonte, dass es seine Philosophie sei, Spieler mit Perspektive zu verpflichten, die man weiter verkaufen könne. Damit deutete er an, dass er womöglich gegen die Verpflichtung des bereits 32 Jahre alten Artur Wichniarek war. Der Neuzugang hat noch kein Pflichtspieltor erzielt.

"Hertha wird nicht absteigen"

"Hertha wird aber trotzdem nicht absteigen, wenn alle Verletzten wieder gesund werden", sagte der frühere Meistermacher des FC Zürich. Favre machte klar, dass er die sportliche Wende auf jeden Fall geschafft hätte.

"Es war so wie in meinem ersten Jahr in Zürich. Weihnachten waren wir Letzter, am Ende wurden wir Vierter." In Zukunft möchte er weiter in einer der großen Ligen arbeiten. Dazu zähle auch die Bundesliga.

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