Stiefkinder des Schicksals

Von Stefan Moser
Warum Rechtsaußen Lehmann bei den Temperaturen mit Handschuhen spielt, muss er noch erklären
© Getty

Glückwunsch, Bochum-Fans! Erst 18:48 Minuten Schweigegelübde, dann 90 Minuten Koller-Raus-Gebrüll und dazu das Transparent: "Andere haben Trophäen, wir haben nur Euch" - und endlich habt Ihr es geschafft, den Trainer aus dem Amt zu mobben. Das ist so kurz vor der Wahl ein erfreuliches Stück Basisdemokratie und sollte auch den Menschen in Berlin, Stuttgart oder Köln Mut machen.

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Nur über eines müsst Ihr Euch im Klaren sein: Auch wenn Ihr 1848 Stunden schweigen solltet: Euer Kader reicht nicht für die Champions League. Und wenn man ehrlich ist, reicht er noch nicht mal für die Alternative Liste. Stattdessen mit dabei: Die extrahierte DNA von Lucien Favre, ein Justizskandal in Dortmund, jede Menge populistische Scheiße - und völlig unverblümte Eigenwerbung.

1. Kann nicht jeder: Wer sechs Minuten übrig hat, kann in dieser Zeit sehr schöne Sachen machen. Exakt so lange dauert es zum Beispiel, bis der Alkohol vom Glas ins Hirn gewandert ist. Mit neuester Technologie kann man in sechs Minuten aber auch DNA extrahieren, mit einer Ente quer durch Lippstadt fahren oder in Asien eine Sonnenfinsternis beobachten. Und natürlich kann man auch ein Fußballspiel mit 2:4 gegen Hoffenheim verlieren, bei dem man sechs Minuten vor Schluss noch mit 2:1 geführt hat. Aber nur, wenn man Borussia Mönchengladbach ist.

2. Makaber? Weil das Leben eine Bitch ist, warf es Gladbachs Torhüter Logan Bailly kurz vor Saisonbeginn noch schnell eine tragbare Klimaanlage auf den rechten Mittelfuß. Der ging daraufhin zu Bruch: Neun Wochen Pause. Am Samstag gab der 23-Jährige nun sein Comeback - und verunfallte sofort wieder, indem er sich einen Freistoß von Sejad Salihovic ziemlich ordinär selbst in die Maschen fingerte. Willkommen zurück!

3. Apropos: Einmal in den Niederungen der Schadenfreude angekommen, ist die Gelegenheit günstig, um an weitere Stiefkinder des Schicksals zu erinnern. Frankfurts Markus Pröll etwa stolperte erst kürzlich auf der Flucht vor Autogrammjägern über ein kleines Mädchen: Schultereckgelenk-Sprengung. Irlands Nationalspieler Robbie Keane versuchte mal, vom Sofa aus mit dem Fuß die Fernbedienung zu erreichen - er riss sich mehrere Bänder.

Englands Ex-Torhüter David Seaman ließ sich beim Angeln von einem 26-Pfünder die Schulter auskugeln. Der Brasilianer Ramalho wiederum reagierte auf Schmerzmittel mit ganz erheblichen Magenproblemen. Er hatte die Zäpfchen nämlich geschluckt. Und das alles ist wirklich passiert!

4. Schon wieder Coxisch: Weil das mit den Aufzählungen gerade so gut läuft, hier eine Liste von Dingen, die noch frustrierender sind als der Saisonstart von Hertha BSC: Warten auf den Zug, Warten auf Godot, Warten überhaupt, Madonnas Versuch, in Würde zu altern, Kuranyi vor dem Tor, Kuranyi hinter dem Tor, das perfekte Promi-Dinner und: Lucien Favres Gesichtsausdruck bei Abpfiff.

5. Bildungslücken: Weil Stuttgart derzeit voll mit Abstiegskampf beschäftigt ist, schwänzt Teamchef Markus Babbel immer häufiger sein Trainerseminar beim DFB. Nicht anwesend war der Dauerpraktikant zum Beispiel jüngst beim Grundkurs "Phrasendreschen nach dem Spiel". Was am Samstag zu folgendem rhetorischen Debakel führte: "Wir müssen uns nun selber mit den Haaren aus dem Schopf ziehen, oder wie sich das Ganze nennt." Natürlich kann das jedem Mal passieren, man sollte sprachliche Fehltritte nicht unnötig hochsterilisieren -  und schon gar nicht sollte Babbel sich deswegen nun Sand in den Kopf stecken. Oder?

6. Apropos Bildungslücken: Babbels lückenhafte Ausbildung erkennt man auch an der ihm eigenen Rotationsneurose, die der Mannschaft zwanghaft jeden Rhythmus nimmt, indem er wahllos alle Positionen durcheinander würfelt. Dass Jens Lehmann allerdings Rechtsaußen spielte und dort ganz jämmerlich den Ball verlor, den Kölns Sanou zum 2:0 für den FC versenkte, war nicht die Schuld des Trainers. Auf den 40 Meter langen Holzweg aus dem eigenen Kasten machte Lehmann sich von ganz alleine...

7. Es stimmt schon: Da hat Hannovers Ya Konan Dortmunds Keeper Weidenfeller wirklich eine fette Wumme unters Dach gelatzt. Allerdings: Das Tor hätte nicht zählen dürfen, der Torschütze hatte zuvor nämlich Mats Hummels mit beiden Händen aus der Bahn geworfen. Doch wie konnte das der Assistent nur übersehen, fragten sich dann Dortmunds Justitiare, Hummels flog dem Linienrichter ja quasi direkt in die Arme.

Noch fehlen handfeste Beweise, doch die Indizienlast beginnt zu drücken: Der Mann mit Fähnchen hieß am Samstag nämlich: Georg Schalk. Keine weiteren Fragen, Euer Ehren...

8. Hey, Leverkusen! Eins muss man Dir lassen: Angesichts der Personalprobleme war das Nullnull gegen Bremen eine taktisch reife Leistung. Und insgesamt muss man wohl sagen, bei Bayer passt es richtig gut - die Mannschaft, der Trainer, das Umfeld, das Wetter: Alles affengeil.

Also, Leverkusen, jetzt nicht locker lassen, die Gelegenheit ist vielleicht so günstig wie noch nie, Du musst nur an Dich glauben, die Chance ist da: Du hast das Zeug zum Vizemeister!

9. War das niedlich? Das war niedlich! Hoffenheims neuer Brasilianer Maicosuel erzielte gegen Gladbach seinen ersten Treffer und machte sich natürlich prompt daran, sein Trikot auszuziehen. Da eilte ihm sein Landsmann Carlos Eduardo schnell zu Hilfe und erklärte ihm ganz sachlich: "Alter, Trikot ausziehen ist nicht, da wird der fette Schiri nämlich neidisch und zeigt dir deshalb Gelb." Das war dem Maicosuel jedoch egal, er zupfte weiter an der eigenen Garderobe. Also grätschte auch noch Demba Ba dazwischen, schnappte sich den Quertreiber energisch und zog ihm väterlich das Hemdchen wieder grade - und tatsächlich packte Wolfgang Stark die Gelbe wieder weg.

10. Körperlos: Im total langweiligen Derby zwischen dem großen FCB und dem kleinen FCN lief Nürnbergs Havard Nordtveit doch tatsächlich mit einem Plastik-Mundschutz auf, wie Boxer ihn sonst nur beim Boxen tragen. Aber warum eigentlich? Erstens ging der Club ja ohnehin nicht in die Zweikämpfe und zweitens war van Bommel nicht dabei. Das war jetzt natürlich populistische Scheiße, viel besser wär's gewesen, ein paar nützliche Fakten zu erwähnen, wie zum Beispiel: Seit die Münchner in Dreiecken spielen, gibt's keine Gelben Karten mehr. Ohne Witz! Bislang hat noch kein einziger (!) Bayern-Gegner eine Verwarnung kassiert. Der Rekordmeister selbst übrigens in sechs Partien auch nur zwei. Eine davon Mark van Bommel.

11. Zwei Hinweise noch in eigener Sache: Erstens: Wer am Sonntag FDP wählt, kommt in die Hölle. Zweitens: Die Alternative Liste gibt's auf vielfachen Wunsch jetzt endlich auch als Buch! Bei Amazon zu haben!Kein Scheiß! Sind sogar Bilder drin! Und jede Menge User-Kommentare von Euch!

Alle 33 Listen der vergangenen Saison plus der bislang unveröffentlichten "verschollenen Liste" vom 32. Spieltag - ein kompletter Rückblick auf die abgelaufene Saison und mithin eine lückenlose Erklärung dafür, wie der VfL Wolfsburg eigentlich Meister werden konnte. Wer's kauft, kommt in den Himmel!

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