"Ich habe das Ballack-Problem"

Von Interview: Haruka Gruber
Mergim Mavraj bestritt bisher 25 Bundesliga-Spiele. Ihm gelang ein Tor
© Imago

Hoffenheim wollte ihn, auch Dortmund und Stuttgart. Mergim Mavraj (23) blieb aber in Bochum und will sich durchbeißen. Nachdem er letztes Jahr zu den Entdeckungen der Bundesliga zählte, verlor der Innenverteidiger seinen Stammplatz an Anthar Yahia. Gegen Hertha BSC (So., 15.15 Uhr im LIVE-TICKER und auf SKY) kehrt Mavraj in die Startelf zurück, weil Kapitän Marcel Maltritz ausfällt. Das Abwehrtalent über Facebook, seine Erfahrungen mit der Polizei und die Sache mit dem "Hochsterilisieren".

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SPOX: Bei Facebook gehört ausgerechnet Ihr ärgster Rivale Anthar Yahia zu Ihren Freunden. Frei nach dem Motto: Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde?

Mergim Mavraj: Auf keinen Fall. Seit meinem ersten Tag in Bochum haben wir uns toll verstanden und über die Zeit hat sich eine richtige Freundschaft entwickelt. Der Konkurrenzkampf hat nichts an unserer Umgangsweise verändert.

SPOX: Sie haben Ihren Karriereplan klar vor Augen: "Stammspieler, Führungsspieler, Nationalspieler." Keine Befürchtungen, dass wegen Yahia Ihre Entwicklung ins Stocken gerät?

Mavraj: Letzte Saison habe ich einen riesigen Schritt nach vorne gemacht, aber jetzt sieht man, dass es im Grunde doch nur ein kleiner Zwischenschritt war auf dem Weg zum unumstrittenen Stammspieler. Ich muss mich täglich beweisen.

SPOX: Sie gehören dennoch zu den umworbensten Talenten Deutschlands. Warum sind Sie nicht nach Hoffenheim, Dortmund oder Stuttgart gewechselt?

Mavraj: Weil ich in Bochum einen Vertrag bis 2010 habe. Ein Jahr, das sehr wichtig ist für meine Karriere. Ich will mich als Stammspieler etablieren und beweisen, dass ich Bundesliga-Format habe.

SPOX: Angeblich haben Sie sich in der Rückrunde mit Ihrem Mentor und damaligen Bayer-Coach Bruno Labbadia über einen Wechsel nach Leverkusen unterhalten.

Mavraj: Ich bin Bruno Labbadia und seinem Co-Trainer Eddy Sözer für alles dankbar. Sie waren es, die mich in Darmstadt zu einem Profi geformt haben. Sie waren es, die zu 90 Prozent dafür gesorgt haben, wie ich mich sportlich und menschlich entwickelt habe. Dennoch stand ein Wechsel nie zur Debatte. Die Gespräche zwischen mir und Bruno Labbadia waren rein privater Natur. Die Medien haben vieles hochsterilisiert.

SPOX: Haben Sie gerade tatsächlich hochsterilisiert gesagt? Genau wie Labbadia bei seinem legendären Versprecher?

Mavraj (lacht): Ich wusste gar nicht, dass er sich auch schon mal so versprochen hat...

SPOX: Sie wurden von Labbadia zu einem Innenverteidiger moderner Prägung ausgebildet. Was ist eigentlich ein moderner Innenverteidiger?

Mavraj: Alle Welt redet von modernen Innenverteidigern - aber ich weiß gar nicht so genau, was das überhaupt bedeutet. Manchester United spielt beispielsweise mit zwei Innenverteidigern, die fast nichts für den Spielaufbau machen. Dennoch ist der Klub erfolgreich.

SPOX: Anders gefragt: Wie interpretieren Sie die Innenverteidiger-Rolle?

Mavraj: Ein Innenverteidiger sollte heutzutage jede Facette des Fußballs beherrschen. Man haut nach wie vor im Vorstopper-Stil dazwischen, gleichzeitig muss man aber auch eine hohe Auffassungsgabe besitzen, um Spielsituationen frühzeitig zu erkennen, Löcher zu stopfen und den entscheidenden Pass nach vorne zu spielen. Der Innenverteidiger ist mittlerweile eine Art Spielmacher, der nur etwas nach hinten versetzt agiert.

SPOX: Ihre Spielweise ähnelt in der Tat der eines Spielmachers - was Ihnen jedoch schon den Vorwurf einbrachte, leichtsinnig zu sein.

Mavraj: Wahrscheinlich hängt es mit meinem aufrechten Laufstil zusammen, der für viele zu locker und arrogant wirkt. Wenn ich zum Beispiel sprinte, gebe ich alles, dennoch glauben viele, dass ich mich nicht anstrengen würde. Ein ähnliches Problem hat auch Michael Ballack. Vielleicht hängt es bei mir damit zusammen, dass ich als Kind Leichtathletik betrieben habe und mir gezeigt wurde, wie man sauber läuft.

SPOX: Als Neunjähriger wurden Sie sogar hessischer Meister im Sprint.

Mavraj: Ich war früher immer der Schüchterne und Kleinste in der Familie und hatte nichts mit Sport am Hut. Irgendwann hat meine ältere Schwester mich zur Leichtathletik mitgenommen - und auf Anhieb war ich der Schnellste, obwohl ich gar keine richtigen Laufschuhe anhatte. Und so wurde ich Hessenmeister über 100 und 75 Meter. Als ich jedoch mit dem Fußball anfing, musste ich wählen.

SPOX: Einige Jahre später mussten Sie sich erneut entscheiden. Stimmt es, dass Sie statt Fußball-Profi fast Polizist geworden wären?

Mavraj: Das stimmt. Ich bin eigentlich ein lockerer Typ, dennoch habe ich einen ausgeprägten Drang nach Ordnung und Regeln. Ich stehe auf Disziplin. Vermutlich, weil mein Vater, der als Einwanderer sehr hart gearbeitet hat, genau das vorgelebt hat.

SPOX: Dennoch muss man nicht gleich Polizist werden.

Mavraj: Um das zu verstehen, muss ich ausführen, woher ich komme. Ich bin in einer Gegend aufgewachsen, in der viele Migrantenfamilien leben. Dementsprechend gab es dort auch Cliquen mit Problemkindern, die hin und wieder Ärger mit der Polizei hatten. Während die meisten mit der Polizei nichts am Hut haben wollten, wuchs bei mir das Interesse, hinter die Kulissen der Polizei zu schauen. Deswegen habe ich sogar ein Praktikum in einem Revier angefangen.

SPOX: Und?

Mavraj: Es war sehr interessant, und wenn es mit der Fußballer-Karriere nicht geklappt hätte, wäre ich womöglich bei der Polizei gelandet.

SPOX: Was haben Ihre Freunde zum Faible für die Polizei gesagt?

Mavraj (lacht): Sie haben natürlich Witze über mich gerissen. Von wegen, ich wäre der erste Kosovo-Albaner, der keine Gebrauchtwagen verkauft, sondern die Leute verhaftet, die Gebrauchtwagen verkaufen.

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