Die Symptome des Abschwungs

Von Andreas Allmaier / Florian Regelmann
Ratlosigkeit beim Aufsteiger: Hoffenheim ist nun schon seit neun Spielen ohne Sieg
© Getty

Hoffenheim und Hertha BSC Berlin waren über weite Strecken der Saison zwei der angesagtesten Mannschaften der Bundesliga. Sieben Spieltage vor Schluss laufen die zwei Klubs plötzlich Gefahr, am Ende der Saison doch noch mit leeren Händen dazustehen. Die Symptome des Abschwungs sind bei beiden ähnlich.

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Wenn die Not groß ist, bedienen sich selbst sonst eher bodenständige Menschen gerne übersinnlicher Kräfte. Hoffenheims Trainer Ralf Rangnick zog seine Mannschaft in der vergangenen Woche im Schwarzwald zu einem Trainingslager zusammen, um den "Geist von Baiersbronn" zu beschwören.

Der Geist versagt seinen Dienst

Jener Geist habe immerhin in der vergangenen Saison dazu beigetragen, dass Hoffenheim nach einer Niederlage gegen St. Pauli Jena mit 5:0 abfertigte und in der Folge den glorreichen Aufstieg in die Bundesliga klarmachte.

An diesem Samstag aber war selbst der "Geist von Baiersbronn" machtlos gegen die Unfähigkeit der Hoffenheimer, ihre spielerische Überlegenheit vor allem der ersten 30 Minuten in Tore umzumünzen.  56 Prozent Ballbesitz, 53 Prozent gewonnene Zweikämpfe und 19 zu 14 Torschüsse konnte der Aufsteiger nach 90 Minuten für sich verbuchen. Bochum gewann dennoch mit 3:0.

Damit darf sich Hoffenheim nun das Label "schlechtester Herbstmeister der Bundesliga-Geschichte" anheften und ist seit nunmehr neun Spielen sieglos. Manager Jan Schindelmeiser blieb bei der Suche nach Erklärungen weitgehend erfolglos und gestand bei Premiere ein, dass die ganze Sache inzwischen eine "Eigendynamik" entwickelt habe und nun hauptsächlich Kopfsache sei.

Effizienz war einmal

Auch in den Köpfen der Hertha-Spieler dürfte das 0:2 in Hannover, das gleichbedeutend  ist mit der dritten Bundesliga-Niederlage in Folge, für fiese Selbstzweifel sorgen. Auch die Berliner zeigten über weite Strecken eine durchaus ansprechende Leistung und hätten das Spiel nicht zwangsläufig verlieren müssen.

"Wir haben Mühe, Tore zu schießen", konstatierte Coach Lucien Favre. Noch vor einigen Wochen waren die Hauptstädter das kickende Synonym für Effizienz.

Hoffenheim und Berlin - zwei Klubs, die von der Meisterschaft träumten und sich nun in einem Abwärtsstrudel befinden, der beide mit Macht nach unten zu ziehen droht.

Dünne Personaldecke fordert Tribut

Mit einer Stamm-Rotation von nur 14, 15 Spielern haben Rangnick und Favre ein überschaubares Arsenal an schlagkräftigen Optionen. Ausfälle von Spielern wie Vedad Ibisevic oder Arne Friedrich sind da schlichtweg nicht zu kompensieren.

Zumal die Winterzugänge (Timo Hildebrand, Boubacar Sanogo und Fabricio bei Hoffenheim, Marko Babic und Cufre bei Hertha) bisher alles andere als die erhofften Verstärkungen waren.

"Hannover ist das Spiel der Wahrheit", hatte Josip Simunic vor der Partie verkündet. Aus Hoffenheim waren ganz ähnliche Sprüche zu hören. Zudem hatte Ralf Rangnick ("Wir wollen unter die ersten Fünf") erstmals ein klares ambitioniertes Saisonziel formuliert.

Frust statt Siege

Als sich die hochgesteckten Erwartungen auf dem Platz als zunehmend unerreichbar erwiesen, zeigte der Frust bei beiden Teams Wirkung: Bei Hoffenheim sahen innerhalb von zwei Minuten erst Carlos Eduardo (Tätlichkeit) und dann Torhüter Daniel Haas (Notbremse) glatt Rot.

Bei Berlin holte sich Patrick Ebert eine unnötige fünfte Gelbe Karte ab, Raffael sah den gelben Karton wegen Meckerns, Cicero hätte sich nach einem Rot-verdächtigen Foul nicht über einen Platzverweis beschweren dürfen und Andrej Woronin wurde völlig zurecht des Feldes verwiesen.

"Dafür gibt es keine Entschuldigung"

"Dafür gibt es keine Entschuldigung", kritisierte Manager Dieter Hoeneß die Entgleisung des Berliner Goalgetters (11 Treffer). "Ihm ist der Gaul durchgegangen. Damit hat der Andrej weder sich noch der Mannschaft einen Gefallen getan."

Sollte Berlin die Saison nicht mindestens auf CL-Quali-Platz drei abschließen, was durch die zu erwartende lange Sperre von Woronin noch wahrscheinlicher geworden ist, ist der Andrej vermutlich in der kommenden Saison ohnehin weg.

"Wir brauchen uns nicht mehr über Saisonziele unterhalten"

Über Platzierungen mochte Rangnick nach dem Spiel überhaupt nicht mehr reden. "Wir brauchen uns nicht mehr über Saisonziele unterhalten. Nun geht es darum, erstmal überhaupt wieder ein Spiel zu gewinnen", sagte der Coach.

Wie das genau gehen soll, wusste Rangnick freilich nicht so genau. Von übertriebenem Lob für seine Spieler bis hin zu hartem Tadel und taktischen Umstellungen hat er schon so ziemlich alle Instrumente durchprobiert, die einem Trainer in einer solchen Situatuon zur Verfügung stehen.

Und wenn nicht einmal mehr Geister helfen, wird es wirklich eng.

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