Am Abgrund

Von Thomas Gaber
Klinsmanns Zukunft hängt nach der Pleite gegen Schalke am seidenen Faden
© Getty

Nach der Pleite gegen Schalke 04 schrieb Bayern-Verteidiger Philipp Lahm bereits die Meisterschaft ab. Jürgen Klinsmanns Zukunft hängt mehr denn je am seidenen Faden. Der Trainer kämpft, der Präsident kämpft um den Trainer. Doch Klinsmann hat kaum noch Argumente. 

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Es dauerte lange bis die Schalker Spieler tröpfchenweise die Münchner Arena verließen. Die Kabine wurde nach dem Sieg beim FC Bayern nämlich kurzerhand zur Party-Area erklärt. "Wir haben ein bisschen gefeiert. Es lief Musik aus meinem Album. Von House bis Lionel Richie war alles dabei", sagte Torhüter Manuel Neuer zu SPOX.

Bayern-Bosse schweigen

Ein paar Meter weiter herrschte dagegen absolute Tristesse. "Dass die Stimmung bei uns in der Kabine nicht toll war, ist ja wohl klar", sagte Bayern-Verteidiger Philipp Lahm nach der dritten Heimniederlage der Saison. Trister Dark-Wave statt Partymusik. Und mittendrin: Uli Hoeneß.

Normalerweise ist der Bayern-Manager einer der ersten, die die Arena verlassen. Diesmal dauerte es bis kurz nach 18 Uhr, ehe Hoeneß wortlos von dannen zog. Mit im Gepäck eine ordentliche Portion Frust, Wut und Enttäuschung. Wie Hoeneß enthielt sich auch Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge einem Kommentar.

Die Bosse schweigen und das schon seit Wochen. Ein klares Bekenntnis pro Jürgen Klinsmann wird beharrlich verweigert. Normalerweise kein gutes Zeichen für den Trainer, dessen Zukunft beim FC Bayern mehr denn je am seidenen Faden hängt.

Die "Endspiele" gegen Eintracht Frankfurt und Arminia Bielefeld hatte Klinsmann erfolgreich absolviert, beim dritten hat es ihn und seine Bayern erwischt. Klinsmann macht sich dennoch "keine Sorgen um meinen Job. Es geht nicht um meine Person, sondern um den FC Bayern."

Klinsmann kämpft weiter

Klinsmann geht weiter davon aus, dass er seine Arbeit bis zum Saisonende weiterführen darf. "Wir lassen trotzdem nicht locker: Wir holen alle Punkte, die wir holen können. Und dann sehen wir am letzten Spieltag, wozu es reicht. Wir ziehen das durch, mit allem was wir haben, mit aller Energie, die wir haben und dann sehen wir am letzten Spieltag, wozu es reicht."

Durchhalteparolen vom Feinsten. Zu spekulieren, ob Klinsmann am Montag noch Bayern-Trainer ist, macht keinen Sinn. Doch macht es noch Sinn, das Ding mit Klinsmann bis zum Schluss durchzuziehen?

Viel Krampf, keine Ideen

Gegen Schalke spielte der FC Bayern - von guten zehn Minuten zu Beginn jeder Halbzeit abgesehen - ohne Power, ohne Esprit und ohne Selbstvertrauen. Spaßfußballer wie Ze Roberto oder Franck Ribery versuchten es mit der Brechstange, das ganze Offensivspiel wirkte hektisch und nervös.

Riberys ganzer Frust entlud sich in einem Tritt gegen Jefferson Farfan, für den der Franzose die Gelb-Rote Karte sah und gegen Borussia Mönchengladbach zuschauen muss. Je länger das Spiel dauerte, desto mehr verkrampften die Bayern. Das blieb auch dem Gegner nicht verborgen. 

"Ich war mir sicher, dass die Jungs das Spiel auch ohne mich nach Hause schaukeln. Die Bayern haben schlecht gespielt, viele einfache Bälle verloren und hatten keine Ideen", sagte Jermaine Jones, der nach zwei heftigen Fouls gegen Bayern-Kapitän Mark van Bommel ebenfalls vom Platz gestellt wurde.

Lahm schreibt Titel ab

Lahm und van Bommel betonten unisono, dass die Mannschaft nach wie vor zum Trainer hält.

Doch die Situation scheint derart festgefahren, dass man den Eindruck gewinnt, nur die berühmte Reißleine könne helfen. Die Stimmung ist dauerhaft negativ, die Fans machten auch gegen Schalke wieder heftig mobil gegen Klinsmann. Die Mannschaft bekommt keine Konstanz in die Leistungen und gegen Schalke funktionierte auch das zuletzt bewährte 4-5-1 nicht.

Zudem ist das Thema Meisterschaft fünf Spieltage vor Schluss erstmal keins mehr. "An die Meisterschaft brauchen wir jetzt nicht zu denken. Jetzt geht es für uns darum, Platz zwei zu sichern", sagte Lahm.

Sollte der VfL Wolfsburg am Sonntag bei Energie Cottbus gewinnen, würde der Rückstand auf den Tabellenführer sechs Punkte betragen. Hertha BSC ist an den Bayern vorbeigezogen und von hinten drückt der VfB Stuttgart.

Klinsmann: "Extreme Saison"

Die Champions-League-Qualifikation ist bei weitem nicht gesichert, Planungen für die kommende Saison daher unmöglich. Klinsmann sprach nach der Pleite von einer "extremen Saison, die einem viel abverlangt".

Vor allem auch Uli Hoeneß. Als sich Ribery nach seinem Platzverweis den Weg in die Kabine bahnte, nahm Hoeneß die Brille ab, legte den Kopf in die Schultern, blickte nach unten und wischte sich die Augen aus. Der Bayern-Manager ein Häufchen Elend - es ist nichts normal in diesen Tagen beim FC Bayern.

Beckenbauer leidet mit Klinsmann

Auch der Sonntag dürfte kein normaler Tag werden. Für 11 Uhr ist Auslaufen angesetzt. Nach jetzigem Stand mit Klinsmann.

Franz Beckenbauer hofft, dass das auch so bleibt. "Es wäre schade, wenn es nicht funktionieren würde, denn der Jürgen hat so viel investiert. Und wenn es nicht klappen sollte, wäre es jammerschade. Er arbeitet unglaublich hart für den Verein und jetzt muss er feststellen, dass das alles nicht funktioniert, weil die Ergebnisse nicht stimmen. In meinen Augen ist das furchtbar", sagte der Kaiser bei Premiere.

Klinsmann kämpft, der Präsident kämpft um Klinsmann. Doch die Entscheidungsträger sind andere. Rummenigge hatte auf Biegen und Brechen einen Sieg gegen Schalke gefordert. Es kam anders. Klinsmann steht am Abgrund. Noch kann er zurückgehen. Noch...

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