Lehmanns Tick mit Salis Schuh

Von Daniel Börlein
Sejad Salihovic musste sich seinen Schuh eigenhändig von Stuttgarts Tornetz holen
© Imago

Das Derby zwischen dem VfB Stuttgart und der TSG 1899 Hoffenheim hatte es in sich. Neben sechs Treffern gab's Turbulenzen vor dem Spiel, ganz viel Härte und ein bisschen Herzschmerz während der Partie, einen neuerlichen Aussetzer von Jens Lehmann und ein emotionales Nachspiel von Mario Gomez.

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Wenn du durch ein Remis auf Platz eins kletterst, vorher aber in der Nachspielzeit durch einen verschossenen Foulelfmeter den Sieg verschenkt hast, fühlst du dich dann als Gewinner oder doch eher als Verlierer?

Wenn sich deine Spieler in einem Derby durch kompromisslose Zweikampfführung Respekt verschaffen, du aber durch das nicht minder engagierte Auftreten des Gegners einen Akteur verletzt verlierst, bist du dann zufrieden oder doch eher traurig?

Und wenn du einen Stürmer in deinen Reihen hast, der momentan einfach alles richtig macht und jede Chance eiskalt nutzt, aber auch ein Keeper in deinem Tor steht, der sich Unsportlichkeiten leistet, statt sportlich zu überzeugen, bist du dann glücklich oder doch eher verzweifelt?

Alles drin im Derby

Will man Antworten auf diese Fragen, muss man beim VfB Stuttgart und der TSG 1899 Hoffenheim nachfragen. Denn Schwaben wie Badener durchlebten an diesem 21. Spieltag Höhen und Tiefen, Positives und Negatives und Erbauliches und Schreckliches. In 90 Minuten, im direkten Duell.

Das 3:3 in einem rassigen Derby zwischen dem VfB und der TSG bot reihenweise Highlights, Aufreger und Hingucker.

Spät gepieselt: Den ersten Aufreger gab es bereits vor der Partie, als bekannt wurde, dass der DFB gegen Andreas Ibertsberger und Christoph Janker wegen des Verstoßes gegen die Dopingregeln ermittelt.

1899-Coach Ralf Rangnick blockte die Nachfragen vor dem Spiel cool ab, gibt hinterher aber zu: "Die Mannschaft hat das vor dem Spiel nicht mitbekommen. Aber mich hat das schon bewegt." Am Montag muss Hoffenheim zu der ganzen Sache eine Stellungnahme abgeben. Im schlimmsten Fall droht beiden Spielern eine Sperre. Alle Hintergründe zu diesem Thema

Hart genommen: Nach dem turbulenten Vorspiel ging es auch auf dem Platz richtig zur Sache. Das Derby war nichts für zarte Gemüter. Beispiele gefällig? Sejad Salihovic attackiert Arthur Boka von hinten. Der Ivorer muss vom Platz. Diagnose: Innenbandriss im Knie, sechs bis acht Wochen Pause. Glimpflicher kamen die Herren Ricardo Osorio und Marco Terrazzino davon, die allerdings von Marvin Compper und Khalid Boulahrouz nicht weniger rüde von den Beinen geholt wurden.

Hoffenheims Manager Jan Schindelmeiser dazu: "Das Spiel war an der Grenze, aber nicht überhart. Das gehört zu einem Derby dazu." Kann man so stehen lassen.

Doppelt gepackt: Neben jeder Menge Tacklings wurde auf dem Platz aber auch brilliert. Einer der Hauptdarsteller dabei: Mario Gomez. Der Nationalspieler machte gegen die TSG seine Saisontreffer 12 und 13 und stellte einmal mehr seine derzeit überragende Verfassung unter Beweis.

Drauf gesetzt: Noch einen drauf setzte Demba Ba, der es nun immerhin auch schon auf elf Saisontreffer bringt. Der Senegalese hielt Hoffenheim in der schwachen ersten Halbzeit im Alleingang im Spiel und lässt die Ausfälle der Sturmkollegen Vedad Ibisevic und Chinedu Obasi zumindest ein wenig vergessen.

Fest gedrückt: Viel Aggressivität, viel Härte waren in diesem Derby, aber auch eine rührselige Szene von Gomez. Der Stuttgarter lief nach seinem Treffer zum 3:2 geradewegs zu Horst Heldt und drückte und herzte den Manager der Schwaben innig. Der Grund: Heldts Vater war in der vergangenen Woche verstorben.

Ausgetickt: Schlussphase, 3:3, beide Teams drängen auf den Siegtreffer. Bei einer Aktion am VfB-Strafraum verliert Salihovic seinen rechten Schuh. Das Spiel läuft Richtung 1899-Tor weiter. Plötzlich kommt Jens Lehmann aus seinem Kasten und schnappt dem verdutzten Hoffenheimer dessen Schlappen vor der Nase weg und wirft ihn über das eigene Gehäuse aufs Tornetz. Weil Salihovic natürlich ohne Schuh nicht weiterspielen darf, schickt ihn Schiedsrichter Michael Kempter vom Platz.

Rangnick tobte ob Lehmanns Verhalten schon während der Partie und echauffierte sich auch hinterher: "Das war hochgradig unsportlich. Und ich muss auch sagen, ich war immer jemand, der allerhöchsten Respekt für Jens Lehmann hatte. Aber so eine Aktion habe ich noch nie auf dem Fußballplatz gesehen."

Nachgespielt: Und natürlich hatte dieses spektakuläre Derby noch ein irres Finale parat: Carlos Eduardo vernascht Ludovic Magnin, zieht in den Strafraum und wird vom Schweizer gehalten und getroffen - klarer Elfer. Salihovic, bisher ein sicherer Schütze, lässt die Chance allerdings ungenutzt und drischt den Strafstoß über die Querlatte.

Angekotzt: Wer dachte, das Derby sei mit dem Schlusspfiff gelaufen, der wurde von Gomez' emotionalem Nachspiel eines Besseren belehrt. Stuttgarts Torjäger giftete vor laufender Kamera gegen Hoffenheim: "Für diese Mannschaft hatte ich in der Hinrunde sehr viele Sympathien, die mittlerweile alle weg sind, weil sie sich um 180 Grad gewandelt haben. Ich weiß nicht wieso, aber es gibt schon ein paar, die mir richtig auf die Eier gegangen sind, vor allem die Nummer 17."