Der Obama der Kölner

Von Andreas Lehner
Lukas Podolski feiert zusammen mit Janus Fröhlich (r.) den Kölner Aufstieg 2005
© Imago

Lukas Podolski spielt mit den Bayern ein letztes Mal gegen den 1. FC Köln (Sa. 15.15 Uhr im LIVE-TICKER und bei Premiere). Ab Sommer läuft er dann wieder für den FC auf. Die Begeisterung kennt jetzt schon keine Grenzen. Doch was steckt hinter der Heldenverehrung, für die vor allem Köln anfällig zu sein scheint?

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Am Anfang war alles nur Spaß. Sportreporter Hernan Amez wünschte seinem Freund Alejandro Veron  am 30. Oktober 1998 "Frohe Weihnachten".

Veron war erst völlig verdutzt und brauchte einen weiteren Hinweis, um die Absicht seines Freundes zu verstehen. "Mensch, du hast Recht. Heute wurde Gott geboren. Fröhliche Weihnachten - mein maradonianischer Bruder!"

Es war die Geburtsstunde der Iglesia Maradoniana, der Maradona-Kirche. Und was als Spaß begann, ist mittlerweile eine einigermaßen ernsthafte Angelegenheit Mittlerweile zählt die Kirche über 40.000 Anhänger, selbst eine Trauung im Namen Maradonas ist möglich.

"Poldi ist unser Heilsbringer"

Eine eigene Kirche haben sie Lukas Podolski noch nicht errichtet. Aber spätestens seit sein Wechsel vom FC Bayern zum 1. FC Köln im Sommer feststeht - sofern der FC in der Bundesliga bleibt -, hat er den Status eines Normalsterblichen verlassen.

"Der Poldi ist unser Heilsbringer. Christoph Daum war ja schon der Messias, aber bei Poldi wird das Ganze noch mal gesteigert", sagt Janus Fröhlich, Schlagzeuger der Kölner Kultband "De Höhner", im Gespräch mit SPOX.

Daum von der Erwartungen geschockt

Was bei Podolskis erstem Auftritt in Köln los sein wird, möchte man sich gar nicht vorstellen, wenn man sich die Szenen von Daums erstem Training noch mal vor Augen führt. 10.000 Fans kamen ins Stadion, trainiert wurde nicht, dafür hielten die Menschen dem Trainer ihre Kinder hin, als ob er sie segnen sollte.

"Hinterher konnte ich erst mal gar nicht schlafen. Ich kam nach Hause und sagte zu meiner Frau: 'Das kann kein Mensch erfüllen, was die hier erwarten'", so Daum bei "11 Freunde".

Ein wahnsinniger Kölner

Ein schier unmenschlicher Druck. Für den Gute-Laune-Menschen Podolski laut Fröhlich aber kein Problem: "Ich glaube, er kann damit locker umgehen. Denn er braucht dieses heimische Umfeld und das Gefühl, von den Menschen gebraucht und geliebt zu werden."

Dabei ist der im polnischen Gliwice (Gleiwitz) geborene Podolski kein waschechter Kölner. "Vom Herzen her ist er aber ein wahnsinniger Kölner und die Leute lieben ihn über alles. Er symbolisiert das Verständnis des Kölners zum FC", meint Fröhlich.

Auch Toni Polster machte diese Erfahrungen während seiner Zeit in Köln. "Das Publikum ist sehr enthusiastisch und gleichzeitig dankbar. Sie vergessen nicht, was ihre Idole für sie geleistet haben. Und die Leute spüren, dass er einer von ihnen ist. Das war bei mir genauso", so der Österreicher zu SPOX.

Kein Stadt, sondern ein Gefühl

Zuneigung, Geborgenheit und Liebe, das waren auch die Gründe warum sich Podolski für Köln und gegen einen Wechsel zu einem internationalen Top-Klub entschieden hat.

Trifft Poldi gegen Köln? Jetzt in Konterstark auf Bayern-Spieler

Nicht von ungefähr sprechen die "Höhner" in einem Lied davon, dass Köln keine Stadt, sondern ein Gefühl sei. Auch Daum sagt, dass seine Rückkehr nichts mit "sachlichen und praktischen Dingen" zu tun hatte.

Littbarski zahlte Ablöse selbst

Für beide ist der FC eine Herzensangelegenheit. Eine Sache, als ob man verliebt sei, meint Daum. Auch Pierre Littbarski konnte sich dem nicht entziehen. Der Weltmeister von 1990 gab Köln 1987 ein Darlehen über 1,5 Millionen Mark, damit sich der Verein die Ablösesumme von 3,9 Millionen Euro leisten und Litti aus Paris zurückholen konnte.

"Um wieder vorwärtszukommen, ist es manchmal besser, einen vermeintlichen Rückschritt zu machen. Mir hat damals meine Rückkehr zum FC unheimlich gut getan", meint Littbarski. Damals wie heute hieß der Trainer Christoph Daum.

Der Traum von der Meisterschaft

Der Trainer hat in Köln eine Euphorie ausgelöst, die in einer gesellschaftlichen Bewegung zur Heimholung des verlorenen Sohn gipfelte. Unter anderem sammelt ein Förderverein Geld, der Südstadtchor der Lutherkirche Köln schrieb ein Lied ("Holt den Lukas nach Haus") und die Stadt feiert diverse Poldi-Partys. "Die Stimmung ist dermaßen euphorisiert. Fast ein bisschen wie bei Obama", sagt Fröhlich.

Weitschweifend wie die Kölner sind, träumen sie sogar schon wieder von höheren Tabellenregionen und dem großen Fernziel: Meisterschaft. Podolski macht's möglich.

Poldi-Pixel für 25 Euro

Dabei vergisst man fast, dass sich der FC den größten Transfer der Vereinsgeschichte aufgehalst hat. Viel Geld für einen Verein, der nach zwei Spielzeiten in der zweiten Liga ein Minus von 2,27 Millionen Euro verzeichnete.

Doch mit so profanen Dingen wollen sie den Heilsbringer Podolski nicht in Verbindung bringen. Außerdem sammelt der FC an jeder Stelle für den Transfer.

Das neueste Projekt: auf der Vereinsseite kann man so genannte Poldi-Pixel, 37.500 Teile eines mikroskopischen Podolski-Porträts, kaufen. Kostenpunkt pro Pixel: 25 Euro.

Im Moment herrscht am Rhein nur ausgelassene Freude. "Denn das Abschneiden der Mannschaft und die Vorgänge beim FC wirken sich in Köln doch sehr stark auf den persönlichen Lebensrhythmus aus", so Fröhlich.

Dem zweiten Gebot der Iglesia Maradoniana kommen sie damit schon sehr nahe: "Liebe den Fußball mehr als alles andere!"

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