"In Deutschland ist die Bratwurst größer"

Von Interview: Benny Semmler
WM 1998, Deutschland gegen Jugoslawien: Petrovic behauptet den Ball gegen Andi Möller
© Imago

Im zweiten Teil des SPOX-Interviews spricht HSV-Co-Trainer Zeljko Petrovic über das Konzept beim HSV, über ungewöhnliche Trainingsmethoden, den Verlust von van der Vaart und abgehobene Jungstars.

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SPOX: Viele dieser Vereine gingen mit einem schicken neuen Konzept in die Saison. Wie sieht der Plan des HSV aus?

Petrovic: Wir spielen schon mal deutlich anders als in den letzten Jahren. Auch wir wollen natürlich schnell nach vorne spielen, arbeiten in jedem Training an unserem Offensivfußball. Aber noch mal: Wenn du in der Vorbereitung vier, fünf Wochen mit van der Vaart planst und arbeitest, und plötzlich ist er weg, dann hast du automatisch ein Problem. So mussten wir viele neue Spieler integrieren. Und das dauert. Bei einigen Spielern zwei Tage, bei anderen zwei Wochen, bei anderen Monate. Bislang haben wir es aber wie gesagt gut umgesetzt.

SPOX: Und am Ende spielt der HSV alles in Grund und Boden?

Petrovic: Man kann nicht immer Zauber-Fußball anbieten. Das wissen wir. Aber wir nutzen jeden Tag für individuelles Training, wollen so die Jungs verbessern. Außerdem ist dem Trainerteam das Voranbringen von jungen Spielern extrem wichtig. Denn die sollen sich beim HSV möglichst schnell auf Top-Niveau beweisen.

SPOX: Das klingt nicht nach abgehobenen Visionen? In anderen Vereinen wird im Training geboxt und sogar gefochten.

Petrovic: Fußballspieler müssen Fußball spielen. Und sonst nichts. Alles andere ist Quatsch. Ein Boxer schlägt auch keine Eckbälle. Nein, ich halte von solchen Experimenten nichts.

SPOX: Und was macht dann modernen Fußball für Sie aus?

Petrovic: Er ist schnell, kraftvoll und extrem professionell.

SPOX: Und was heißt das genau?

Petrovic: Mit professionell meine ich die Einstellung zum Spiel, zur Leistung - über mehrere Jahre. So wie Matthäus, Zidane oder Zanetti von Inter Mailand. Oder Rummenigge. Diese Spieler haben zehn Jahre auf einem Top-Level gespielt. Und diese professionelle Haltung zum Sport geht zunehmend verloren.

SPOX: Das scheint Sie richtig zu nerven...

Petrovic: Heute spielst du als 22-Jähriger eine gute EM und bekommst einen Millionenvertrag von irgendeinem Top-Verein. Dazu noch zwei Werbeverträge. Oft vergehen keine drei Jahre  - und diese Spieler versinken im Mittelmaß. Einige Jungs vergessen dann womöglich zu schnell die Einstellung zum Job. Dabei kassieren sie jeden Monat sehr gutes Geld. Das große Geld ist in dieser Hinsicht vielleicht ein Problem.

SPOX: Eine Entwicklung, die Sie persönlich nun schon auf dem halben Globus machen konnten. Sie kennen den Fußball in Japan, Portugal, Holland, Jugoslawien, Spanien, Kroatien und Deutschland. Welchen sportlichen Stellenwert hat die Bundesliga im internationalen Vergleich?

Petrovic: Die Bundesliga hat Top-Niveau und braucht sich vor keiner Liga verstecken. Hier gehen weltweit die meisten Zuschauer in die Stadien. Hamburg, Dortmund, Köln, München - was ist da jedes Wochenende los! Das ist doch fantastisch. Ihr könnt stolz auf diese Liga sein.

SPOX: Komischerweise sind wir aber sehr kritisch mit unserem Fußball.

Petrovic: Ich weiß. Aber ich sage Euch: In Deutschland ist alles größer und spektakulärer. Hier ist die Bratwurst größer als in den anderen Ländern, die Stadien sind gigantisch, die Zeitungen sind bunter. Hier kann man doch Spaß haben.

SPOX: Trotzdem: Die europäische Spitze spielt im Ausland - vor allem in England. United, Arsenal, Chelsea, Liverpool. Kann es der HSV in absehbarer Zeit mit solchen Teams aufnehmen?

Petrovic: Warum nicht? Vielleicht wird man mich in Deutschland belächeln, aber in Europa ist der HSV ein großer Verein. Wenn Juventus gegen den HSV spielt, dann stöhnen die Italiener aber. Der Respekt vorm HSV ist europaweit groß. Also warum sollten wir uns verstecken? Ich sage: Wir wollen so bald wie möglich mit den genannten großen Teams mithalten.

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