The Next Uri Geller

Von Stefan Moser
bremen, dortmund, weidenfeller, pizarro
© Getty

Marcel Reich-Ranicki lehnt die Ehrenmitgliedschaft beim FC Bayern München ab! Er will jetzt nur noch David-Lynch-Filme auf 3Sat gucken - oder gleich zu Werder Bremen live ins Stadion gehen.

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Wie es so weit kommen konnte? Ein Protokoll des Wahnsinns wie immer in der Alternativen Liste des 8. Spieltags. Arbeitgeber-Schelte und Mentalisten-Hokuspokus gibt's gratis oben drauf...

1. Basti: Bemerkenswerte Einsichten in die Speichelproduktion bei Fußballprofis lieferte das visionäre 1:0 der Bayern in Karlsruhe - und das auch noch in Zeitlupe: Bastian Schweinsteiger hatte soeben einen Tritt vors Knie kassiert, als sich der Medienprofi schmerzgekrümmt vor eine Kamera wälzte und den Mund zur Hasstirade öffnete. Heraus kam allerdings kein Fluch im eigentlichen Sinn, dafür aber eine unfassbare Menge Gift und Galle, die ihm in dicken, weißen Fäden von den Lippen baumelte. An diesem Überangebot an Spucke wäre jeder untrainierte Mensch sofort ertrunken, Kampf-Schweini aber wischte sich den Schaum vom Mund und spielte munter weiter.

2. Kevin Kuranyi ist ein wirklich armer Tropf: Die Welt hat er noch nie verstanden, doch jetzt versteht die Welt auch ihn nicht mehr. Völlig ohne Mitleid wurde der Schalker Angreifer beim 1:1 in Hamburg ausgepfiffen - bei jedem einzelnen Ballkontakt. War allerdings nur halb so schlimm: Er hatte ja nur 18 Stück.

3. Gute Unterhaltung: Werder Bremen gucken fühlt sich mittlerweile ja so an wie ein Videoabend mit David Lynch.

Fassungslos starrt der Betrachter auf den Bildschirm und quält sich mit der Frage: Haben die Hauptdarsteller nur einfach komplett einen an der Waffel oder folgen sie doch irgendeinem ganz geheimen Plan?

Das erneut recht psychopathische Verhalten seiner Abwehr jedenfalls quittierte Werder-Boss Klaus Allofs nach dem 3:3 gegen Dortmund mit einer Drohung: "Vielleicht probieren wir's im Training mal mit Stromstößen." Elektroschocks zur Therapie von Geisteskranken sind zwar seit den 70ern nicht mehr en vogue, David Lynch hätte an der Idee wohl aber seine Freude...

4. Apropos Therapie: Irgendwie psychotisch war dann auch die Art und Weise, wie BVB-Torhüter Roman Weidenfeller seinen Patzer vor dem 2:2 für Werder zu verarbeiten versuchte. Sofort nach Schlusspfiff flitzte er zu Schiri Kempter, warf sich ihm zu Füßen und erklärte: dass es doch nimmermehr ein Torwartfehler war, sondern in jedem Fall ein ganz gemeines Foul von Claudio Pizarro! Die pathetische Miene, das okkulte Gebrabbel, die beschwörenden Gesten - das alles erinnerte doch schwer an Vincent Raven. Nur leider krümmte sich kein Löffel in ganz Bremen, es Bogen sich allein die Balken. Und Herr Kempter grinste nur apathisch. Im Stillen dachte er wohl über Stromstöße nach.

5. Hans Meyer is back: Hallo Herr Meyer, gehen Sie mal ruhig davon aus, dass Sie auch in der Alternativen Liste jederzeit herzlich willkommen sind!

6. Wenn sich zwei streiten: Um auch wirklich sicher zu gehen, dass Frankfurt einmal mehr durch ein Elfmetertor in Rückstand gerät, machten sich am Samstag gleich zwei Eintracht-Spieler frisch ans Werk: Um die Wette grätschten Habib Bellaid und Marco Russ im eigenen Strafraum - und zwar schnurstracks Richtung Sprunggelenk von Stefan Kießling. Das Rennen machte schließlich Russ: Er zog eine hübsche Furche in den Rasen und legte den Leverkusener Stürmer sauber flach. Statt sportlich fairem Glückwunsch vom Kollegen gab's allerdings nur Strafstoß - die Beweislast war dabei derart erdrückend, dass selbst der Mentalist aus Dortmund nicht mehr protestiert hätte. Patrick Helmes verwandelte übrigens sicher zum 1:0.

7. Gangbang: Apropos flachlegen! Ist das nicht eigentlich ungerecht? Wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses gibt's fürs Trikotausziehen Gelb, wirkliche Obszönitäten dagegen bleiben beim Torjubel meist unbestraft. Miro Kloses Salto-Derivat etwa: Schon immer eine Zumutung für jeden orthopädischen Feinsinn!Und dann noch diese lendenstrotzende Männertraube, die der bayerische Siegtorschütze auf dem Rücken liegend mit gespreizten Beinen in Empfang nahm! Unanständig, ja sogar "abscheulich", fand etwa Fußballfachmann Marcel Reich-Ranicki jenes wilde Treiben - noch dazu zur besten Sendezeit: "Nur Blödsinn, den ich hier zu sehen bekomme! Viel zu viel horizontales Gewerbe, aber überhaupt kein vertikales Spiel. Ich nehme die Ehrenmitgliedschaft beim FC Bayern nicht an!"

8. Amor fati: Willfährig wie eine Hindu-Kuh ergab sich Hannover 96, trotz guter erster Halbzeit, am Ende seinem Schicksal und ließ sich von Hoffenheim mit 2:5 zur Schlachtbank führen. Immerhin Hannovers Medienchef Andreas Kuhnt erbat sich später von der Presse etwas Gnade: "Bitte nicht so schnell sprechen wie Hoffenheim gespielt hat."

9. Ein Grund mehr für Reich-Ranicki: Seit Pazifisten Kriege führen, Frank Walter Steinmeier die Sozialdemokratie repräsentiert und sich eine ehemals kritische Jugend in die moderne Arbeits-Boheme verwandelt hat, ist der Ausdruck "Bonze" aus dem deutschen Sprachgebrauch verschwunden. Für Ulrich Hoeneß sollte er wiederbelebt werden. Denn bei aller Hassliebe: Der despotische Genuss, mit dem der Bayern-Manager am Samstag seine Macht missbrauchte, um einen Angestellten des hauseigenen FCB.TV vor versammelter Journalistenschar zu feuern, war schon ein wenig widerlich. Der junge Mann war schließlich nur naiv genug, seinen Boss in der Mixed Zone mit dem Klischee vom "Bayern-Dusel" zu belästigen. Darauf Hoeneß ernst: "Und Sie sind wirklich vom FCB.TV? Dann können Sie sich morgen einen neuen Job suchen!" Immerhin nahm er die Kündigung später zurück.  

10. Hauptstadt-Diva: Marko Pantelic schwänzte am Donnerstag das Hertha-Training und war auch im Anschluss stundenlang nicht für den Trainer zu erreichen. Und seine Ausrede?Klang irgendwie nach Mädcheninternat: Er sei nach der EM-Quali mit Serbien so schrecklich müde gewesen und dann einfach eingeschlafen. Und überhaupt sei ja sein Handy-Akku unglücklicherweise leer gewesen, darum konnte er das Telefon auch gar nicht hören.

Selbst die ihm eigene Transvestiten-Theatralik konnte da jedoch wohl nichts mehr retten. Lucien Favre warf ihn gegen Stuttgart aus dem Kader. Mit Erfolg! Denn obwohl es keiner so recht glauben konnte, gewann Berlin mit 2:1. Kurios: Es war der erste Bundesliga-Sieg ohne Pantelic überhaupt, seitdem der Serbe 2005 an die Spree gewechselt ist.

11. Und zum Dessert - Obstsalat: Zvjezdan Misimovic mag keine Kopfbälle. Wie so mancher guter Kicker weigert er sich in der Regel einfach, seinen Schädel hinzuhalten. Doch am Samstag machte der Wolfsburger mal eine Ausnahme. Am Fünfereck nämlich fiel ihm so butterweich die Kirsche auf die Birne, dass selbst Zwetschge nicht mehr anders konnte, als ein Kopfballtor zu machen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde klar, dass der Gegner aus Bielefeld nur Fallobst war. WOB gewann mit 4:1.

Der 8. Spieltag der Bundesliga im Überblick

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