Ruhepol statt "Flegelfall"

Von Stefan Rommel
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© Getty

München - Neun Mal 90 Minuten sind schon wieder absolviert in der 46. Bundesliga-Saison.

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Einige Tendenzen waren schon zu erkennen. Leverkusens neuen Stil etwa oder das ewig alte Problem von Werder Bremen. Und natürlich die Premiere eines ernstzunehmenden Aufsteigers und die Rückkehr des verlorenen Sohnes.

Borussia Mönchengladbach - VfB Stuttgart 1:3: Fünf Jahre war Jens Lehmann weg, hatte sich mit großem Erfolg beim FC Arsenal verdingt - jetzt ist er wieder zuhause in seiner Bundesliga. Das ist schön für Lehmann, aber mindestens ebenso schön für den VfB Stuttgart.

Nach einem Jahr mit dem zappeligen Raphael Schäfer im Kasten haben die Schwaben wieder einen Ruhepol als letzte Instanz. Und auch der zweite so genannte "Flegelfall" Jan Simak machte in Gladbach ein bemerkenswertes Debüt und holte sich für die Scorerwertung mit seinen Torvorlagen gleich mal zwei Assistpunkte.

Khalid Boulahrouz fiel verletzungsbedingt aus, insofern ist eine Wertung nicht möglich. Danijel Ljuboja verbrachte den Abend auf der Ersatzbank. Dort ließ er sich nichts zu schulden kommen. Schwierige Charaktere in Armin Vehs Team? Bisher war davon nichts zu sehen.

Eintracht Frankfurt - Hertha BSC Berlin 0:2: Die Schonfrist ist vorbei, Lucien Favre steht in seinem zweiten Jahr in der Hauptstadt unter Druck. Und was macht man in Drucksituationen? Man produziert brillante Ideen. Wie diese hier zum Beispiel: Nicht mit einer handelsüblichen Viererkette, sondern im schicken 3-4-3 ließ Favre seine Hertha in Frankfurt auflaufen.

Wo letzte Saison gute Ansätze noch als Fragmente immer mal wieder zu erkennen waren, schafften es die Berliner diesmal, über die gesamten 90 Minuten zermürbend zu verteidigen und listig zu kontern. Favre hat neben dem gewohnten 4-4-2 eine echte Alternative taktischer Art, mit der sonst so in der Bundesliga keiner seiner Kollegen aufwarten kann.

Energie Cottbus - 1899 Hoffenheim 0:3: Das Stadion der Freundschaft hat ja schon viel gesehen. Vor ein paar Jahren beispielsweise erschnüffelte ein eifriger Polizeihund ein Päckchen mit Kaliumnitrat, Hexachlorethen und Naphthalin, was zusammen eine ziemlich explosive Mischung ergab. Das Spiel gegen Erzgebirge Aue musste wegen des Bombenfunds abgesagt werden.

Das ist nun aber schon eine Weile her, seither wurde Energies Heimstatt umgebaut und modernisiert und erarbeitete sich zum Ende der letzten Saison als Zeitzeuge von fünf Heimsiegen in Folge den Ruf einer Festung, so uneinnehmbar wie Fort Knox.

Bis ins ferne Hoffenheim hat sich diese spannende Erkenntnis aber nicht rumgesprochen. Wie sonst lässt sich das glatte und frech heraus gespielte 3:0 des Aufsteigers - der höchste Auftaktsieg eines Neulings seit 1997 -  in einem der gefürchtetsten Stadien der Liga erklären? Im ersten Bundesligaspiel der Vereinsgeschichte.>

Vielleicht so: Hoffenheim ist einfach gut, zeigt keinerlei Berührungsängste, hat eine starke Mannschaft und einen guten Trainer und ein Konzept. Kurzum: Die Liga hat einen ambitionierten Neuling, der anders als so viele andere Neulinge höhere Ziele hat als nur mal eben reinzuschnuppern.

Arminia Bielefeld - Werder Bremen 2:2: Werder und die Alm... Schon wieder war's nichts mit einem Sieg in Bielefeld. Von den letzten neun Spielen gewann Bremen nur eines bei der Arminia. Dabei sah es am Samstag gar nicht schlecht aus. Zweimal schoss Markus Rosenberg - ein wenig gereizt von der Verpflichtung Claudio Pizarros? - die Gäste in Führung, zweimal gelang Bielefeld der Ausgleich.

Vieles konzentrierte sich auf das Fehlen von Spielmacher Diego. Das eigentliche Bremer Problem war aber wie schon so oft das fahrlässige Abwehrverhalten. Die beiden jungen Sebastians, Boenisch und Prödl, lieferten wie Clemens Fritz eine schwache Partie ab.

Auch ein Neu- oder Bald- oder Vielleicht-Nationalspieler wie Tim Wiese kann da wenig ausrichten. "Wir haben einfach im Abwehrbereich Fehler gemacht, die wir nicht machen dürfen", sagte Sportdirektor Klaus Allofs. Werder hat in Pizarro nochmals investiert und Stürmer Nummer sechs verpflichtet. Vielleicht muss für den Abwehrbereich auch noch eine Alternative her.

Bayer Leverkusen - Borussia Dortmund 2:3: Dortmund 3, Leverkusen 2. Das sagt die Anzeigetafel und auch auf dem offiziellen Spielberichtsbogen von Schiedsrichter Peter Gagelmann ist es so vermerkt. Das lässt den Schluss zu, dass Dortmund einfach besser war. Waren die Borussen aber nicht. Sie waren nur kälter vor dem Tor.

Dass es Leverkusen viel, viel öfter bis zu jenem schaffte, war ein Verdienst eines unkonventionellen Spielstils der Werks-Elf, der sich schwer beschreiben lässt. Ein bisschen was von Europameister Spanien war da zu sehen oder vom FC Barcelona.

Mittelfeld und Angriff rochierten vor allem in der ersten Halbzeit in einem nie enden wollenden Energiefluss. "Die Mannschaft hat sehr, sehr viel investiert und fußballerisch absolut überzeugt. Ich habe viele positive Dinge gesehen", sagte Trainer Bruno Labbadia.

Spieler wie Arturo Vidal entzogen sich mit ihrem Auftreten den Kategorien des Spiels, mal links, dann rechts, hinten und vorne, aggressiv und doch spielerisch filigran.

Einzig, es hat Leverkusen nichts genutzt. Weil sie viel zu viele Chancen liegen ließen. Das muss noch besser werden. Der nächste Gegner, der VfB Stuttgart, sollte sich schon mal auf einiges gefasst machen.

VfL Wolfsburg - 1. FC Köln 2:1: Ein UEFA-Cup-Teilnehmer mit höheren Ansprüchen gewinnt gegen einen tapferen Aufsteiger zum Auftakt mit etwas Mühe denkbar knapp. Die 85. Minute muss aber aufhorchen lassen. Pierre Wome, 67-facher Nationalspieler für Kamerun, geht in ein Duell mit Ashkan Dejagah.

Der Wolfsburger ist klar schneller am Ball, köpft ihn weg. Wome rauscht ran, fährt den Ellbogen aus und haut Dejagah die Verbindung zwischen Unter- und Oberarm mit voller Absicht an den Hinterkopf.

Schiedsrichter Dr. Felix Brych hat die Übeltat leider nicht gesehen. Rot und eine wochenlange Sperre wären die gerechte Strafe für Wome gewesen. Dejagah kann von Glück reden, dass er "nur" mit einer vergleichsweise harmlosen Schädelprellung und einem starken Bluterguss davongekommen ist.

Karlsruher SC - VfL Bochum 1:0: Bochum mit dem, nach eigener Einschätzung, besten Kader aller Zeiten gegen einen KSC, der erstens das schwere zweite Jahr vor sich hat und zweitens mit Tamas Hajnal und Mario Eggimann seine beiden wichtigsten Protagonisten der Vorsaison ersetzen muss.

Die beiden Neuen Antonio da Silva und Tim Sebastian lieferten eine solide Partie ab, auf Seiten des Gegners konnten die neuen Alten Paul Freier und Vahid Hashemian kaum überzeugen.

Am Ende siegte aber doch der KSC, es sind drei Punkte gegen den Abstieg. Bochum hat eines der vermeintlich leichteren Spiele leichtfertig hergeschenkt. 46 Punkte seien das Ziel. Es bleiben ja noch 33 Spiele.

FC Schalke 04 - Hannover 96 3:0: Robert Enke steht auf dem Sprung zur Nummer eins im deutschen Tor. Das ist schön für Enke, zwei Gegentore auf Schalke nach 400 Sekunden waren weniger schön. Enke passte sich der mäßigen Leistung seiner Vorderleute an und strahlte nicht die Souveränität aus, die man vom 30-Jährigen sonst gewohnt ist.

Mit viel Mut und Hoffnung war Hannover in die Saison gestartet, schon nach dem ersten Spiel wurden den Niedersachsen ein wenig die Flügel gestutzt. Schalke dagegen hat es geschafft, nach einem erfolgreichen Spiel auf internationaler Bühne auch in der Bundesliga nachzulegen.

FC Bayern München - Hamburger SV 2:2: Jürgen Klinsmann bewies jede Menge Mut gegen den HSV. Er beorderte Toni Kroos in die Zentrale hinter die Spitzen - und hielt am 18-Jährigen über die gesamte Spieldauer fest.

Dabei zahlte Kroos im Eröffnungsspiel bitteres Lehrgeld. Immer bemüht, geeignete Bälle schnell und mit einem Kontakt in die Spitze weiterzuleiten, blieb es allzu oft beim Versuch.

Mit den grimmigen Tacklings von Nigel de Jong wusste Kroos so rein gar nichts anzufangen, der Niederländer begrüßte Kroos in seinem ersten großen Spiel auf Ligaebene mit einer Härte und Aggressivität, die das Talent offenbar noch lernen muss einzustecken.