"Uns hat jemand gefehlt, der die Truppe mitreißt"

Von Interview: Torsten Adams
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© Getty

München - Zwei Spiele, fünf Punkte Rückstand. Tabellenschlusslicht Hansa Rostock muss vor der Partie gegen Bayer Leverkusen (15.30 Uhr im LIVE-TICKER und bei Premiere) im Abstiegskampf wohl auf das achte Weltwunder hoffen.

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Nach der 0:3-Niederlage in Hannover am Dienstag war den Spielern und Fans der Hansa eigentlich klar: Nach 1992 und 2005 ist der dritte Abstieg der Rostocker nicht mehr zu verhindern.

Im Interview mit SPOX.com erklärt Kapitän Enrico Kern die Gründe für die Misere und ob Frank Pagelsdorf der richtige Mann für den anstehenden Neuaufbau ist.

SPOX: Bereits vor dem Spiel in Hannover hatten Sie verlauten lassen, dass der Klassenverbleib für Hansa eigentlich nicht mehr zu schaffen sei. Nach der Niederlage hat sich ihre Einschätzung sicherlich nicht verbessert.

Enrico Kern: Zur Situation bei der Hansa ist in der aktuellen Ausgangslage nicht mehr viel zu sagen. Rein rechnerisch ist in den zwei Spielen zwar noch alles möglich, aber die Chance ist natürlich extrem gering.

SPOX: Als Kapitän hat man die Verpflichtung, das Team zu motivieren. War ihre Aussage vor dem wichtigen Spiel in Hannover nicht ein Fingerzeig in die falsche Richtung?

Kern: Ich wollte damit einen gegenteiligen Effekt bei der Mannschaft erzielen nach dem Motto "Ok, der Kapitän hat zwar gesagt, wir seien abgestiegen, aber jetzt fighten wir erst recht". Ich habe es als eine andere Art der Motivation gesehen. Im Nachhinein ist es natürlich alles nicht so verlaufen, wie ich es mir vorgestellt habe.

SPOX: Welche Gründe gibt ihrer Meinung nach für das Verfehlen des Saisonziels?

Kern: Es gibt mehrere Faktoren, die da zusammengespielt und bei uns nicht optimal gepasst haben. Die Saison war für uns eine Berg- und Talfahrt. Wir sind mit null Punkten nach fünf Spieltagen gestartet, da mussten wir davon ausgehen, dass wir wirklich bis zum letzten Spieltag im Abstiegskampf stecken werden. Dann hatten wir zwischenzeitlich fünf Punkte Vorsprung, aber wir haben während der Saison nicht die Konstanz und die Stärke gezeigt, uns deutlicher von den Abstiegsplätzen abzusetzen.

Rechnerisch noch alles möglich: Mit dem Tabellenrechner Hansa drin lassen!

SPOX: Hat das Team - gerade in den letzten Spielen - die nötige Einstellung im Abstiegskampf vermissen lassen?

Kern: Die Misere kann man nicht an einem oder zwei Spielen festmachen. Es gab schon einige Spiele davor, wie etwa gegen Cottbus, in denen wir nicht das Engagement an den Tag gelegt haben, das man braucht, um unbedingt drei Punkte mitnehmen zu wollen.

SPOX: Sie gelten auf dem Rasen in Sachen Aggressivität und Kampfgeist als Vorbild. Hatten Sie den Eindruck, ihre Mitspieler haben immer eine ähnliche Einstellung an den Tag gelegt?

Kern: Ich kann schlecht in die Köpfe der anderen Spieler reinschauen und nur von meiner Einstellung berichten. Es steckte in dieser Saison jede Menge Arbeit in dem Projekt Klassenerhalt, darum ist die Enttäuschung bei mir momentan riesig. Vor allem, wenn man sieht, dass wir mit ein bisschen mehr Konstanz die Liga durchaus hätten halten können.

SPOX: Können Sie sich vorstellen, wieder in Liga zwei für Rostock auf Torejagd zu gehen?

Kern: Wir werden uns sicherlich zusammensetzen. Es sind viele Dinge noch offen, über die man in der Sommerpause diskutieren muss. Ich habe hier noch einen Vertrag bis 2009 und über alles andere habe ich bis jetzt noch nicht nachgedacht.

SPOX: Aufsichtsratschef Horst Klinkmann hatte schon vor Wochenfrist angedeutet, dass im Falle eines Abstiegs die Zukunft aller Verantwortlichen offen sei. Ist Trainer Frank Pagelsdorf für den anstehenden Neuaufbau der richtige Mann?

Kern: Er hat zumindest bewiesen, dass er der richtige Mann sein kann, denn zweimal ist er mit Rostock schon ins Oberhaus aufgestiegen.

SPOX: Ihr Mannschaftskollege Rene Rydlewicz hat vor einigen Tagen gesagt, der Klub müsse seine Philosophie ändern und dürfe nicht nur der Ausbildungsverein anderer sein.

Kern: Der Verein wird nicht vom Geld überschüttet. Es wird also auch in der kommenden Spielzeit nicht anders werden als in den Jahren zuvor, als wir es auch mit Talenten geschafft haben, Erfolge zu feiern. Allerdings hat man in dieser Saison gesehen, dass es nicht nur mit jungen Spielern funktionieren kann. Nach dem Ausfall von Paule (Beinlich, Anm. der Red.) hat bei uns auf dem Platz jemand gefehlt, der die Truppe auch in schwierigen Phasen mal mitreißen kann. Diese Verantwortung lastet auf den Schultern von zwei bis drei Leuten in der Mannschaft und das ist einfach zu wenig.                                                         

SPOX: Also unterstützen Sie die These von Rydlewicz?

Kern: Nur halb. Denn es ist auch falsch zu sagen, nicht auf junge Spieler zu setzen und mit ihnen zu planen. Denn die Wechsel von Marc Stein und Tim Sebastian (zu Hertha BSC Berlin und Karlsruher SC, Anm. der Red.) haben gezeigt, dass die Ausbildung der Talente bei Hansa auch Früchte trägt.

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