Eine Ode an Kahn

Von Stefan Moser
Fußball, Bundesliga, Kahn, Bayern
© Imago

München - Rostock weg, Duisburg weg! Das ist die bittere Wahrheit dieses Wochenendes, auch wenn beide Vereine den Abstieg sehr anständig und sehr sympathisch zur Kenntnis nahmen. 

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Doch die eigentliche Erkenntnis des 33. Spieltags lautet: Der Fußballgott hat Sinn für Humor. Doch der wurde von einem Liedermacher und Tim Wiese auf eine harte Probe gestellt. Details wie immer in der Alternativen Liste.

1. Kosmisch: Ob Nürnberg am Ende die Klasse hält, liegt längst nicht mehr in fränkischen Händen. Es ist nun vielmehr die einsame Entscheidung des großen kosmischen Lenkers. Doch der heißt mitnichten Babak Rafati. Deutschlands beliebtester Schiedsrichter traf zwar auch in Berlin wieder einmal äußerst einsame Entscheidungen, indem er gleich drei klare Elfer verweigerte - zwei für den Club, einen für die Hertha -, doch sein verstörter Blick verriet in allen drei Fällen die allzu irdischen Fesseln, die sein Handeln hemmten: Unsicherheit, Angst und mangelnde Souveränität.

2. Komisch: Der große Entscheider aber, der über das Wohl und Wehe des 1. FC Nürnberg richtet, sitzt im Himmel. Abteilung Fußball, 3. Stock links, Öffnungszeiten: Samstags 15.30 bis 17. 20 Uhr. Und anders als sein alttestamentarisches Pendant hat der Fußballgott offenbar durchaus Sinn für Humor. Vor allem der gute alte Slapstick hat es ihm besonders angetan. Die Szene, mit der er wenige Minuten vor dem endgültigen Ende die Nürnberger Hoffnungen noch einmal am Leben erhielt, verlegte er nach Bielefeld und gab eine der Hauptrollen - die Ironie ist nicht zu übersehen - ausgerechnet einem Dortmunder. Und das ging so: Im Hintergrund lief diese hektische Klaviermusik aus alten Chaplin-Filmen, Alex Frei schoss einen Freistoß an den Bielefelder Pfosten, von dort klatschte der Ball mit einem lauten "Boing!" voll in die Fresse von Arminen-Torhüter Rowen Fernandez. Der hörte kurz die Vögel zwitschern und anschließend den Dortmunder Fan-Block jubeln: Ausgleich, 2:2, Bielefeld muss weiter zittern, Nürnberg darf weiter hoffen...

3. Die Grenzen des Humors: Eine ganz erstaunliche Hybris legte am Samstag dann doch der Mann an den Tag, der in Duisburg für die Video-Wand zuständig ist. Weil sein MSV nämlich de facto schon abgestiegen war, beschloss er kurzerhand, das Schicksal nun selbst in die Hand zu nehmen, und schrieb in großen Lettern auf die Anzeigetafel: Bielefeld - Dortmund 2:3. War aber gelogen. Dem BVB noch drei Punkte zu schenken, dafür reicht selbst der himmlischste Humor nicht aus. "So nicht", schüttelte der Fußballgott mithin die graue Mähne und schickte die Zebras gnadenlos in die Hölle der Zweitklassigkeit.

4. Willkommen im Himmel: Der Hölle entkommen sind am Sonntag dann die Kölner. Der FC ist wieder erstklassig. Unseren Glückwunsch!

5. Der Belzebub hat doch gar keine Sense, oder: Dem Belzebub von der Sense gesprungen sind am Samstag endgültig auch die Cottbusser. Nach dem 2:0-Sieg gegen Hamburg verriet Energie-Coach Bojan Prasnikar denn auch recht spitzbübisch: "Ich habe etwas in Kabine, das war bereit schon vor zwei Wochen!" Aber was konnte das nur sein? Eine Lausitzer Maid vielleicht, schön und fußballverrückt und nicht zu prüde? Prasnikar schüttelte den Kopf! Dann aber eine DVD-Sammlung: Best-of Piplica mit ganz viel "Boing" und hektischer Klaviermusik! Auch nicht? "Es ist eine Flasche Champagner", lüftete der Slowene schließlich freudestrahlend das Geheimnis. Irgendwie unspektakulär nach all der Spannung. Dennoch: Zum Wohl! Cottbus hat's verdient.

6. Karlsruhe gegen Bochum: Wurde wegen Belanglosigkeit abgesagt. Bochum lief trotzdem auf und gewann mit 3:1.

7. Apropos Belanglosigkeit: Die Hannoveraner haben ja schon länger keine rechte Lust mehr auf die blöde Goldene Ananas, um die sie sich Jahr ein Jahr aus mit anderen grauen Mäusen zanken müssen. Merkte man auch gegen Bremen. 6:1 ließen sie sich widerstandslos vom Platz ballern. Bester weil einziger Mann der 96er war dabei Torwart Robert Enke. Und dennoch beschloss sein Gegenüber Tim Wiese, den Kollegen beim Stand von 3:0 noch eben schnell zu demütigen und einen fälligen Strafstoß auszuführen. Das Vorhaben scheiterte am umsichtigen Veto der Werder-Bank. Also nahm sich Diego selbst des Projekts "den-Gegner-saudumm-aussehen-lassen" an und chippte den Ball lässig aus elf Metern in die Tormitte. Doch Enke hatte keine Lust, sich vorführen zu lassen und parierte. Leider bestand der Rest der Mannschaft darauf, trotzdem kollektiv saudumm auszusehen, verweigerte den Rebound, und Ivan Klasnic vollendete zum 4:0. Armer Robert Enke!

8. Das Scheitern der Demokratie: Wiese rechtfertigte hinterher seinen Plan damit, dass die Zuschauer nach ihm gerufen hätten. Werder-Manager Klaus Allofs war das freilich egal: "Vielleicht gibt es irgendwann in ferner Zukunft Publikums-Abstimmungen, wer Freistöße und Elfmeter schießen soll", fauchte er zynisch in die Kameras. Das war dem Wiese aber wiederum egal. Er war nämlich schon auf dem Weg zum Foto-Shooting. Keine Publikums-Abstimmung konnte das leider verhindern.

9. Trojanisches Zebra: Duisburg schon wieder: Versuchten die Meidericher doch glatt, die Bayern zu bestechen. Ein lebensgroßes rotweißgestreiftes Zebra schleppte MSV-Chef Walter Hellmich höchstpersönlich in die Allianz-Arena und versprach es Uli Hoeneß, wenn der im Gegenzug seine Spieler im Zaum halten wollte.

"So ein originelles Geschenk haben wir selten bekommen", strahlte Bayerns Manager außer sich vor Freude und versicherte, das Tier in Ehren zu halten. Eine glatte Lüge: Denn in der Halbzeitpause versprach er seiner Mannschaft, den Obolus an denjenigen weiterzureichen, der fortan am kläglichsten die Torchancen versiebte. Augenzeugen berichteten, dass der Gaucho Jose Ernesto Sosa später bis in die tiefe Nacht, jodelnd und jauchzend ums Stadion galoppierte.

10. Ode an Kahn: Albert Ostermaier, Münchner Kulturschaffender, der nur Schwarz trägt, war im Samstag zu Gast im Aktuellen Sportstudio, denn: Er hat eine Ode an Kahn, ebenfalls Gast im ZDF, verfasst. Und die durfte er auch vorlesen. Hier die ersten Zeilen (um die literarische Gravität zu betonen, verzichten wir originalgetreu auf Satzzeichen und Großbuchstaben): "wenn er beim eckball wie eine blonde katze aus dem tor stürmt auf einer welle der begeisterung durch die blauen lüfte fliegt - jetzt müßte man eigentlich die beach boys einspielen - & im sprung er hört gar nicht mehr auf zu fliegen seinen teleskoparm über den rotierenden rasurköpfen & dauerwellen ausfährt dann ist es für einen moment ach könnte er doch verweilen als wollte er die sonne aus ihrer laufbahn fausten & die flügel stürmer in einem schwarzen loch zurücklassen als wäre die welt nur zwischen seinen zwei handschuhen zu fassen" Ob Kahn das verdient hat, möge jeder Leser selbst entscheiden. So oder so.

11. Ode an Ostermaier: Der FC Schalke 04 präsentierte am Samstag seine neuen Trikots. Recht adrett aufs Revers gestickt steht dort zu lesen: "Blau und weiß ein Leben lang" - der Text der Schalker Hymne. Angeblich auch der einzige Text. SPOX.com aber hat in den Archiven gestöbert und den ursprünglich viel längeren Text entdeckt. Er stammt von einem Gelsenkirchner Kulturschaffenden, der nur Königsblau trug und Kommas und Großbuchstaben nicht recht leiden konnte.

Er geht so: "blau & weiß ein leben lang vor allem blau - blau wie die lüfte oder ach viel besser blau wie schnusi im vereinsgastheim könnte er doch verweilen die rasurköpfige katze & zur musik der beach boys einen flügelstürmer präsentieren der das schwarze loch auf unseren außenbahnen füllt & mit teleskopbeinen unter elf sekunden auf hundert meter läuft & die dauerwelle hübsch im wind fliegen lässt auf dass die begeisterung keine grenzen mehr kenne & wir selbst die bayern aus der umlaufbahn fausten das wäre toll das wäre kaum zu fassen auch mit den handschuhen von wiese nicht." Schönes Ding, passt nur leider nicht auf Schalker Krägen.

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