Teufels Werk und Gottes Beitrag

Von Stefan Moser
gomez, mario, vfb stuttgart, borussia dortmund
© Imago

München - Komischer Spieltag, dieser zweiunddreißigste. Fast der komplette Dienstag wurde wegen Lust- und Belanglosigkeit beinahe abgesagt, am Mittwoch dafür brach dann Hysterie aus.

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Tore, Elfer, Platzverweise, Dramen hier wie dort, dazu auch noch ganz ordentlicher Fußball. Nicht zu vergessen: Teufelswerk und Gottes Beitrag, ein Mordversuch, ein Katermittel, Dolls Rückenprobleme und ein ordentlicher Popel - Details wie immer in der Alternativen Liste.

1. Teufelswerk: Das letzte offiziell anerkannte Wunder stammt aus der Nacht vom 2. auf den 3. Juni des Jahres 2005: die Spontanheilung der französischen Ordensschwester Marie Simon-Pierre von den Symptomen der Parkinson-Krankheit. Die Neurologen hoben die Augenbrauen und sagten: "Gesund!", darauf hob der Vatikan sein Hämmerchen und sagte: "Gekauft!" Verantwortlich für die Genesung war laut klerikalem Beschluss die himmlische Fürsprache von Papst Johannes Paul II, den Maries Mitschwestern kurz nach dessen Tod monatelang um Beistand anriefen.

Und nun, knapp drei Jahres später, wäre es mal wieder an der Zeit. Finden zumindest die Rostocker. Denn nach der 0:3 Niederlage in Hannover ließ die Hansa unisono wissen: "Wir brauchen jetzt ein Wunder!" Problem: Trotz Platz 18 und fünf Punkten Abstand zu den Ufern der Glückseligkeit ist die Pagelsdorf-Elf durch die Bank neurologisch ohne Befund. Die Diagnose lautet vielmehr: "Hosen voll" - eine allzu irdische Obliegenheit. Außerdem nützte den Rostockern ja selbst eine Spontanheilung nicht zwingend weiter. Sie müssten schon auf eine teuflische Malaise der Konkurrenten hoffen. Und das ist, mit Verlaub, doch ziemlich unheilig gedacht. Über Hansa ist das Hämmerchen wohl endgültig gefallen.

2. Gott sei Dank: Borussia Mönchengladbach machte am Mittwoch den direkten Wiederaufstieg klar. Herzlich Willkommen in der Bundesliga! Herzlich Willkommen in der Alternativen Liste.

3. Jenseits von Gut und Böse: Ob er für seinen Mordversuch an Hamburgs Ivica Olic nicht hätte vom Platz fliegen müssen, wurde Tim Wiese hinterher gefragt. "Nein!", warf sich Bremens Torwart darauf in die Brust, immerhin hätte er den Ball, wenn auch nur ganz minimal, berührt. Klarer Fall, denn vermutlich beruft sich Wiese dabei auf Artikel 256, Absatz 3 des DFB-Regelwerks, wo es doch klipp und klar heißt: "Ein Bundesligaprofi darf seinem Gegenspieler mit den Stollen voraus ins Gesicht springen, ihn rempeln, schlagen, treten, anbrüllen und würgen, ihn auch gerne teeren und federn oder sachgerecht enthaaren und kastrieren. Solange er dabei den Ball berührt, ist der Vorgang nur mit Gelb zu ahnden." So steht's da, zum Glück für Wiese! Denn stünde es dort nicht, wäre sein Attentat mit sofortiger und lebenslänglicher Anleinpflicht in öffentlichen Grünanlagen zu bestrafen.

4. Stichwort Wettbewerbsverzerrung: Kein besseres Mittel gegen Kater gibt es auf der Welt als Sport. Das merkten am Mittwoch auch die Bayern. Schwer geschädigt von der Meisterfeier trugen sie gegen Bielefeld 25 Minuten lang ihre Brummschädel mühsam durch die Allianz Arena, es tropfte Hochprozentiges aus ihren Poren. Doch dann traf Mark van Bommel fast ins eigene Tor und plötzlich waren die Münchener hellwach.

2:0 gewannen die Bayern am Ende ziemlich locker. Das Ergebnis ist standesgemäß und insofern auch anständig. Denn der Abstiegskampf soll nicht durch Weizenbier entschieden werden.

5. Stichwort Weizenbier: Einen über den Durst zu trinken gehört in Deutschland ebenso zum kulturellen Repertoire, wie einen über den Frust zu schimpfen. Zu besonderer kultureller Blüte bringt es, wer beides elegant miteinander zu verbinden weiß.

Wusste Cottbus-Trainer Bojan Prasnikar am Dienstag nicht, er schimpfte einfach so drauf los. Ein gewisser integrativer Eifer ist dem Serben aber trotzdem anzurechnen, immerhin bemühte er sich dabei um den korrekten Ausdruck. "Wir haben das Spiel im Griff", nölte er ins Mikro, "dann bekommen wir ein Tor durch einen scheißen Freistoß." Hoppla, falsche Grammatik, fuhr es Prasnikar sofort durchs Broca-Areal. Kurz nachgedacht und nachgelegt: "Ich meine durch eine scheiße Freistoß!" Wieder knapp daneben, aber letztlich zählt der gute Wille.

6. Stichwort Wille: Bochum ließ sich von Schalke mit 0:3 vom Platz fiedeln, das Ganze hörte auf den Namen "kleines Ruhr-Derby". Wessen Sinn für Humor ausreichend zweifelhaft ist, um zu Gunsten eines Kalauers auch vor fäkalen Assoziationen nicht zurückzuschrecken, könnte leicht auf die Idee verfallen, die Bezeichnung rühre wohl daher, dass Bochum so beschissen spielte. Uns käme so ein Gedanke selbstredend nie in den Sinn!

7. Schäfer-Stündchen: "Das geht gar nicht", ärgerte sich Stuttgarts Trainer Armin Veh über das Verhalten seines Torhüters Raphael Schäfer beim 1:2-Freistoß-Gegentreffer durch Dortmunds Alexander Frei. Nicht zum ersten Mal wird deutlich: Der VfB hat ein Torwartproblem. Und daher fordern wir: Eike Immel zurück ins Tor! Denn erstens hätte der den Ball wohl selbst mit einem Känguru-Hoden zwischen den Zähnen noch lässig abgewehrt. Und zweitens wäre endlich Schluss mit dem scheißen Singerei.

8. Apropos geht gar nicht, denn es geht eben schon: Manchmal, wenn Luca Toni so durchs bayerische Mittelfeld stakst, bekommt man ja den Eindruck, der Italiener hätte sich beim letzten Ohr-Jubel doch endgültig eine Schraube locker gedreht. "Wie kann jemand nur 36 Tore schießen, der offensichtlich größte Mühe hat, seine Gliedmaßen in eine sinnvolle Formation zu zwingen", fragt man sich unweigerlich, wenn Toni so abwechselnd über seine Beine, seine Arme und den Ball stolpert.

Doch gerade deshalb hat fast alles, was der Weltmeister da vorturnt, doch wohl irgendwie Hand und Fuß. Wie gegen Bielefeld, als Toni seinem Gegenspieler Rüdiger Kauf im Wirbel der Extremitäten einen geschmeidigen Drehwurm verpasste und damit das 1:0 durch Franck Ribery blitzsauber vorbereitete. Impossibile!

9. Apropos Toni: Stimmt schon, wer im Kampf um den UEFA-Cup in Dortmund verliert, hat sich das Etikett "Auswärtsdepp" aufs Redlichste zurückverdient. Doch gerade deshalb ist es an der Zeit, nun eine dicke, fette Lanze für Mario Gomez zu brechen. Der Stuttgarter nämlich erhöhte am Dienstag seine Torquote auf sensationelle 27 Buden - in 30 Spielen. Macht 0,9 pro Partie. Luca Toni dagegen kommt auf 36 Treffer in 46 Spielen, mithin auf eine Quote von "nur" 0,78. Rechnet man den motorischen Faktor allerdings als Schwierigkeitsgrad mit ein, herrscht Gleichstand zwischen beiden.  

10. Stichwort dicke, fette Lanze: Höchste Zeit auch, mal wieder ein Loblied aufs TV zu singen. Denn in bewegten Bildern erreichte uns am Mittwoch ein Zeitdokument, nicht so brisant wie der Zapruder-Film, auch nicht so dramatisch - aber immerhin. Schauplatz Frankfurt, 20.28 Uhr: Marcel Schäfer erzielt das 2:1 für Wolfsburg, Schnitt auf den zuständigen Trainer. Und was macht Felix Magath da an der Seitenlinie? Er popelt! Ungeniert und unaufhörlich! Trotz der eigenwilligen Jubelattitüde ihres Chefs gewannen die Wölfe die Partie, Magath nahm den Finger dann doch noch aus der Nase und verkündete: "Jetzt wollen wir auch nach Europa!"

11. Und Doll hat Rücken: "Ja oder nein", wollte der Reporter in Dortmund wissen, "steht der Trainer nun in Frage oder nicht?"Viel sagend wie eh, lächelte BVB-Boss Watzke darauf in die Kameras: "Thomas Doll hat unsere Rückendeckung." Was das nun heißen soll? Man weiß es nicht.

Und wer nicht weiter weiß, der fragt bei Google nach - und erhält prompt Antworten. Der erste Eintrag zum Suchbegriff  "Rückendeckung" verlinkt auf ein obskures Forum. Worum es geht, wird nicht erklärt, trotzdem soll man Mitglied werden. Passt irgendwie zum BVB, hilft in der T-Frage jedoch nicht weiter. Beim zweiten Treffer geht's um Adrian Sutil, immerhin sind wir beim Sport gelandet.

Des Rätsels Lösung aber enthält endgültig der dritte Eintrag. Er ist erst wenige Wochen alt und lautet: "Der Trainer des FC Schalke 04, Mirko Slomka, hat Rückendeckung von Vereinspräsident Josef Schnusenberg bekommen."

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