Geschichten von Opa Mazzone

Von Christian Bernhard
toni, bayern
© Getty

München - In der Halbzeitpause des Spiels gegen den BVB soll Ottmar Hitzfeld Luca Toni gefragt haben, ob er durchspielen wolle. Tonis Antwort fiel kurz, knapp und leicht verständlich aus: "Ja! Tor, Tor, Tor! "

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Drei Tage zuvor hatte der Italiener in Getafe mit zwei Toren den Einzug ins UEFA-Cup- Halbfinale perfekt gemacht. Gegen Dortmund legte er zwei Treffer nach und am Mittwoch sorgte er in Frankfurt ebenfalls mit zwei Toren für die Wende.

Toni ist die Torgefahr in Person, seit dem "Bomber der Nation" hatten die Münchner keinen so treffsicheren Stürmer mehr in ihren Reihen. "Toni ist nicht mehr zu stoppen", überschlug sich die "Gazzetta dello Sport " am Donnerstag.

Aber war der Luca schon immer so? SPOX.com machte sich auf Spurensuche in Italien und sprach mit der Trainerlegende, die Toni in seinen ersten Profijahren coachte.

"Einen wie ihn gibt es nur alle paar Jahre"

Carlo Mazzone muss schmunzeln, wenn er so etwas liest. Mazzone ist jetzt 71 Jahre alt, er hat im Fußball alles gesehen. "Aber einen wie Luca Toni gibt es nur alle paar Jahre", sagt er. Zwischen 2000 und 2002 hatte Mazzone Luca Toni bei Brescia Calcio unter seinen Fittichen.

"Bereits damals sah man, dass er ein toller Strafraumstürmer werden würde. Er hatte eine phantastische Spielanlage und war schon zu jener Zeit ein Fixpunkt für die ganze Mannschaft."

Die Norditaliener hatten damals mit Stephen Appiah, Pep Guardiola, Matuzalem und Torwart Matteo Sereni ein aufstrebendes Team - mit einem liebevollen Opa an der Seitenlinie. Mazzone ist Kult in Italien. Locker, authentisch, immer gut gelaunt. Wie Jürgen Klopp, nur in (etwas) älter.

Ärger mit den Tifosi

792 Mal saß er in der Serie A auf der Bank. "Eine verrückte Zeit. Luca war auch dabei, als ich im Spiel gegen Bergamo völlig ausgerastet bin."

Im September 2001 hatte Mazzone seinen großen Auftritt, als er nach Brescias spätem Ausgleich in die Kurve der Bergamo-Tifosi rannte und sich verbal und aufs Heftigste für die andauernden Schmährufe gegen ihn und seine Familie revanchierte.

"Eine Anekdote, mehr nicht. In diesem Moment war mir alles egal. Ich dachte: Kein Bürger Bergamos darf sich erdreisten, über meine Familie und meine Stadt herzuziehen. Das ist Rom, verdammt nochmal. Das ist die ewige Stadt!", sagt der gebürtige Römer, der einst als Trainer auch Francesco Totti beim AS Rom groß gemacht hatte.

Kongenialer Partner Roby Baggio

Im Rückblick bleibt Mazzone vor allem das Zusammenspiel zwischen Toni und Superstar Roberto Baggio im Gedächtnis. "Ein Traum! Luca und Roberto verstanden sich auf und neben dem Platz prächtig. Auf dem Rasen bildeten sie ein ideales Angriffsduo. Luca konnte eine Abwehr alleine beschäftigen und setzte zudem Baggio wunderbar in Aktion. Roby 'fütterte' Luca dafür im Strafraum mit Bällen", gerät der 71-Jährige ins Schwärmen.

"Roberto hat mir damals viel gegeben", sagte Toni erst kürzlich über seinen Mentor.

In seiner ersten Brescia-Saison erzielte Toni 13 Tore, in der zweiten verletzte er sich am Knie. "Nach Lucas Verletzung litt die gesamte Mannschaft unter seinem Ausfall, da er bereits damals ein sehr wichtiger Spieler für das ganze Team war", erinnert sich Mazzone zurück. Am Ende waren es in drei Jahren nur 15 Treffer.

Rekordtransfer von Brescia Calcio

Dabei wäre Toni beinahe nicht in Brescia gelandet. "Ich sprach mit unserem Präsidenten (Gianni Corioni, Anm. d. Red.) über den Kauf von Luca. Da Toni bereits damals viel Geld wert war, schlug ich Corioni vor, 50 Prozent seiner Transferrechte zu kaufen. Ein paar Tage später hatte der Präsident den 'ganzen' Toni gekauft. Da sagte ich zu Corioni: Bei unserem letzten Gespräch kostete er ihnen noch zu viel und jetzt haben sie ihn doch geholt: So lobe ich mir das", schmunzelt Mazzone noch heute.

Die Ablösesumme von 30 Milliarden Lire (umgerechnet rund 15 Millionen Euro) ist immer noch Rekord in Brescia.

Viel an der Physis gearbeitet 

Neben seiner Torgefährlichkeit beeindruckt Toni heute vor allem mit seiner körperlichen Stärke. Das war nicht immer so. "Wir haben damals besonders an seinem physischen Aspekt gearbeitet. Es war nicht immer einfach, ihn mit seiner Statur in Form zu bringen."

"Heute verarbeitet er die Belastung sehr gut, ist über 90 Minuten voll belastbar und körperlich um einiges widerstandsfähiger als zu seiner Zeit in Brescia", unterstreicht Mazzone. Dass Toni in München nicht nur mit seinen Toren von sich Reden macht, wundert ihn nicht.

Ratgeber in Sachen Liebe

"Luca ist immer höflich und trotz seiner Popularität äußerst bescheiden geblieben", sagt Mazzone. "Außerdem ist er fast immer gut gelaunt."

"Das komische in seiner Zeit in Brescia war, dass er vor und nach dem Training oft nach Mailand gefahren ist. Ich hatte keine Ahnung warum und sprach ihn darauf an. Er antwortete: 'Mister, dort wohnt meine Freundin.' Da wusste ich, was los war. Ich sagte ihm, dass er sie nach Brescia holen sollte, dann müsste er weniger Kilometer machen."

Ein lohnender Ratschlag, wie sich herausstellen sollte. "Ein Glück, dass ich das nicht unterbunden habe. Der Goldjunge und Marta (Cecchetto, Anm. d. Red.) sind ja heute noch zusammen."

Artikel und Videos zum Thema