Hinrichtung bei den Verliebten

Von Thomas Gaber
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© Getty

München - Thomas Doll wähnte sich als einen überaus glücklichen Menschen der 15. Woche des Jahres 2008. "Ich glaube, dass alle Mannschaften in Deutschland glücklich wären, zwei Mal in der Woche gegen Bayern München spielen zu dürfen", hatte der Trainer von Borussia Dortmund vor dem Double-Header gegen die Bayern in Bundesliga und DFB-Pokalfinale gesagt.

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Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden. Schließlich erlebte der FC Getafe jüngst die aufregendste Woche seiner Klubhistorie. Seit Donnerstag ist jeder zweite Spanier Anhänger der Blauen.

Doll dürfte seine Worte nach Teil 1 des bayrisch-westfälischen Treffens aber aus ganz anderen Gründen bereuen. Beim 0:5 wurde sein BVB windelweich geprügelt.

"Ich bin am überlegen, was wir hier überhaupt wollten. Zu wenig Engagement, zu wenig Leidenschaft, das kam einer Hinrichtung gleich. Keiner meiner Spieler hat Normalform gehabt. Wir haben alle Tugenden des Fußballs nicht an den Tag gelegt. So möchte ich meine Mannschaft nie wieder sehen. Ich kann mich nur bei allen Fans von Borussia Dortmund entschuldigen", sagte ein maßlos enttäuschter BVB-Coach.

Dolls Plan geht daneben 

Nach 22 Minuten lag Dortmund bereits 0:4 zurück und wenn Bayerns B-Elf in der Folge nicht zwei, drei Gänge zurückgeschaltet hätte, hätten die Geschichtsbücher unter der Rubrik "höchste Siege" eventuell neu geschrieben werden müssen.

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Im Gegensatz zu Ottmar Hitzfeld, der auf die leicht angeschlagenen Franck Ribery, Miroslav Klose, Lucio und Marcell Jansen verzichtete, schickte Doll seine erste Elf ins Rennen. Der Plan, sich bei der Pokal-Generalprobe einzuspielen, ging voll daneben.

"Das hatte von unserer Seite nichts mit Fußball zu tun. Da kann man gleich im Bett liegen bleiben", bilanzierte Florian Kringe. Eine Matratze benötigten die Borussen in München nicht, um 45 Minuten lang seelenruhig zu schlummern.

Bayerns wundersame Heilung

Eigentlich ist es ein Witz, dass diese Mannschaft in der nächsten Saison im UEFA-Cup spielen darf. Die UEFA sollte ihre Regeln überprüfen.

Ein erneutes Aufeinandertreffen zwischen Bayern und Dortmund am kommenden Samstag in Berlin ist nicht abzuwenden. Der BVB wird nicht freiwillig auf die Reise verzichten oder einer Neuaustragung des Halbfinals gegen Carl Zeiss Jena zustimmen.

Es wäre im Sinne der Chancengleichheit wünschenswert, wenn Dortmund in den nächsten Tagen eine ähnliche Metamorphose durchmacht wie der FC Bayern nach dem Spiel in Getafe.

65 Stunden nach dem Beinahe-Fiasko in Spanien lieferten die Münchner die wohl beste Saisonleistung ab. Leichtfüßig, spielfreudig, laufstark, trickreich und torhungrig spulte der Tabellenführer endlich sein ganzes Repertoire ab.

"Das war Fußball zum Verlieben. Jedes der ersten vier Tore war für sich das Eintrittsgeld wert", jubelte Manager Uli Hoeneß.

Poldi trifft, Ze zaubert

Getafe-Stehgeiger Bastian Schweinsteiger spielte seine besten Pässe seit der WM 2006, Lukas Podolski brillierte an der Seite des ewigen Torjägers Luca Toni, Ze Roberto machte bei der Vorarbeit zu Tonis 4:0 einen auf Cristiano Ronaldo und Dauerreservist Andreas Ottl nachdrücklich Eigenwerbung für weitere Einsätze.

(Das 4:0 von Luca Toni im SPOX-Replay) 

"Es war beim FC Bayern eine Bewegung im Spiel, die man in den letzten Wochen ein bisschen vermisst hat, es hat richtig Spaß gemacht", sagte Franz Beckenbauer bei Premiere.

Der Spaß ist Doll erstmal vergangen. Dafür brauchte sein Team nur rekordverdächtige 22 Minuten. 22 Minuten, um aus einem glücklichen Menschen ein Häufchen Elend zu machen.

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