"Großer Name reicht nicht"

Von Interview: Haruka Gruber
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© Getty

München - Der Verein ziert sich noch, doch die Verpflichtung scheint bereits besiegelt: Fred Rutten wird wohl ab Sommer das Traineramt beim FC Schalke 04 übernehmen.

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"Wir werden nichts bestätigen, auch in den nächsten Tagen nicht", so das halbherzige Dementi von S04-Pressesprecher Gerd Voss. Doch eigentlich spricht alles dafür, dass Rutten die dauerhafte Nachfolge vom in der vergangenen Woche entlassenen Mirko Slomka antritt.

Aber ist der Niederländer tatsächlich der Typ Trainer, den Schalke braucht? Im Interview mit SPOX.com spricht Ex-Schalke-Manager Rudi Assauer (63) über das Anforderungsprofil bei S04, die königsblaue Rumeierei und mögliche Konsequenzen für Manager Andreas Müller.

SPOX: Offensichtlich wird Fred Rutten neuer Trainer auf Schalke. Rutten, von dem Sie bereits "viel Gutes" gehört haben. Ist er demnach der richtige Mann?

Rudi Assauer: Das ist eine schwere Frage. Auf jeden Fall muss der neue Trainer damit zurechtkommen, dass Schalke ein besonderer Verein ist, bei dem die Uhren anders ticken, nicht vergleichbar mit anderen Klubs.

SPOX: Meinen Sie damit die ständigen Unruhen?

Assauer: Nicht nur. Es hängen eben fast schon zu viele Menschen am Verein, gerade im Ruhrpott, wo es auf dem Arbeitsmarkt ja nicht ganz so gut aussieht. Wenn man dann sieht, wie die Leute trotzdem ihre Dauerkarte immer wieder kaufen und es ihnen schwerfällt, das zu bezahlen, dann ist da eine besondere Verbindung - und eben eine besondere Drucksituation für die Mannschaft und den Trainer.

SPOX: Würde daher nicht eine im Vergleich zu Rutten große Lösung besser den Anforderungen entsprechen? Im Herbst hieß es noch, Präsident Josef Schnusenberg wolle einen aus der Kategorie Jose Mourinho.

Assauer: Nein, es geht um einen Trainer, der zum Verein passt. Es würde nicht reichen, wenn Schalke einen großen Trainer aus England oder Spanien holt, nur weil man von ihm viel Gutes gehört hat. Wie ich schon gesagt habe: Auf Schalke ticken die Uhren eben anders.

SPOX: Insofern, dass die Kluboberen auch mal ein halbes Jahr Ihren Trainer öffentlich kritisieren, bis Sie sich endlich zu einer Entscheidung durchringen?

Assauer: Das Blöde an der Geschichte war, dass man über Wochen und Monate darüber diskutiert und sich in Widersprüche verwickelt hat. Nach einem Sieg war Mirko Slomka obenauf, nach einer Niederlage wiederum fing das Thema wieder von vorne an.

SPOX: Sie hätten früher die Reißleine gezogen?

Assauer: Ich war immer dafür, frühzeitig den Cut zu machen. Wenn man sieht, dass es nicht mehr vorangeht, sollte man auch relativ kurzfristig eine Entscheidung treffen. Es ist immer das Beste, direkt offen und geradeaus zu sein und nicht über einen längeren Zeitraum rumzueiern.

SPOX: Eine versteckte Kritik auch an Manager Andreas Müller?

Assauer: Das ganze Thema hat sicherlich kein gutes Licht auf den Verein geworfen. Generell ist die Entscheidung ja nachvollziehbar, es gab sicherlich handfeste Gründe - auch wenn ich sagen muss, dass Slomka im Grunde genommen eine recht ordentliche Arbeit geleistet hat. Das Problem war aber, dass es sich über so einen langen Zeitraum hingezogen hat. Wenn man keine Zukunft mehr mit dem Trainer sieht, muss man sofort handeln.

SPOX: Womöglich lag es daran, dass Müller trotz aller Beteuerungen nicht die treibende Kraft hinter der Entlassung war.

Assauer: Wie es jetzt gelaufen ist, kann ich nicht sagen, da bin ich nicht nah genug dran. Aber ich denke, dass es letztlich die Aufgabe des sportlichen Leiters ist, die Entscheidung zu fällen. Immerhin ist er derjenige, der was von Sport versteht.

SPOX: Slomka bezweifelt im "Kicker"-Interview jedoch, dass Müller den Impuls zur Entlassung gegeben habe.

Assauer: Ich kann das schlecht beurteilen. Zu meiner Zeit war es normal, dass ich mit dem Vorstand und dem Aufsichtsrat diskutiert habe und meine Entscheidungen von beiden Gremien abgesegnet wurden. Da gab es keine Widerstände.

SPOX: Slomka bemängelte zudem, dass er von Kapitän Marcelo Bordon mehr Respekt und Anstand erwartet hätte...

Assauer: Da kommen wir wieder zurück zum Problem mit der sechsmonatigen Rumeierei mit Slomka. Denn als es nicht gut laufen ist, hatten die Spieler ein Alibi, so nach dem Motto: "Okay, es stimmt im ganzen Verein nicht, dann darf man sich nicht wundern, dass es auch in der Mannschaft nicht stimmt." Ich muss aber auch klarstellen: Ich habe im Profifußball bisher noch keine Mannschaft erlebt, die gegen einen Trainer gespielt hat.

SPOX: Was sagen Sie zu Kevin Kuranyis Vier-Tore-Gala gegen Cottbus, direkt nach dem Trainerwechsel?

Assauer: Ihm Charakterschwäche vorzuwerfen, ist völlig falsch. Der Kevin ist ein grundehrlicher Kerl. Das Problem war eben nur, dass man als Stürmer manchmal Wochen erwischt, in denen nichts zusammenläuft - bis irgendwann der Knoten platzt.

SPOX: Es gibt demnach keinen Zusammenhang zwischen dem 5:0-Erfolg gegen Energie und Slomkas Demission?

Assauer: Insofern schon, dass die Jungs nach dem Ende der Diskussionen in der Verantwortung standen, endlich ordentlichen Fußball zu zeigen. Wir dürfen das Spiel jedoch nicht überbewerten. Die Mannschaft hat definitiv das Potenzial, jede Saison um Platz zwei oder drei zu spielen. Sie muss jetzt aber auch beweisen, dass Sie dem Druck stand hält.

SPOX: Was, wenn nicht? Welche Konsequenzen könnte das Verpassen der Champions League zum Beispiel für Müller haben?

Assauer: Wenn die Verantwortlichen nicht zufrieden sind, müssten sie natürlich direkt an den sportlichen Leiter ran und sagen: Du hast Mist gebaut. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass etwas Großartiges passieren wird. Den zuletzt gezeigten schlechten Fußball nur an einer Person festzumachen, ist sicherlich nicht richtig.

SPOX: Gegenüber Mirko Slomka fanden Sie seit seinem Amtsantritt deutlich kritischere Worte. Wie kommt es, dass Sie ihm zu Beginn des Interviews dennoch "eine recht ordentliche Arbeit" attestieren?

Assauer: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Ich habe nur gesagt, dass ich nicht darauf gekommen wäre, Slomka als neuen Schalke-Trainer zu holen. Dazu stehe ich auch nach wie vor. Es ist im Fußball eben immer sehr schwierig, einen Trainer zu verpflichten, der bis dato noch nicht im Profifußball tätig war. Seine Ergebnisse waren gar nicht so schlecht, aber es muss ja Gründe gegeben haben, um die Zusammenarbeit zu beenden.

SPOX: Das heißt, Sie sehen sich im Nachhinein im Recht, gegen die Slomka-Verpflichtung zu votieren?

Assauer: Was heißt im Recht? Wenn man den Chefcoach nach zwei Jahren entlässt, macht man es ja nicht, um jemanden zu ärgern. Es gab sicherlich genügend Argumente gegen Slomka, um zu sagen: Tschüss, auf Wiedersehen!

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