"Wir wollen keine Roboter"

Von Interview: Stefan Moser
Fußball, Bundesliga, Werder Bremen, Klaus Allofs
© Getty

München - Als Klaus Allofs und Thomas Schaaf 1999 die sportliche Leitung in Bremen übernahmen, steckte Werder tief in der Krise: Sportlich drohte die Zweitklassigkeit, organisatorisch das Chaos.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Doch das neue Führungsduo entpuppte sich schnell als absoluter Glücksgriff. Nachdem der Abstieg vermieden werden konnte, etablierten Allofs und Schaaf an der Weser ein modernes Fußballkonzept, das nicht nur sportlich überaus erfolgreich war, sondern vor allem auch die Marke Werder Bremen weit nach vorne brachte.

Die Mitgliederzahlen etwa haben sich seit damals mehr als verzehnfacht. Waren es 1999 noch knapp 3.000, begrüßte Werder im März dieses Jahres Mitglied Nummer 33.333.

Im Interview mit SPOX.com spricht Sportdirektor Klaus Allofs (51) über die wirtschaftliche und sportliche Bedeutung der Champions League, über das Image von Werder Bremen und den schmalen Grat zwischen Entertainment und Sport.

SPOX: Herr Allofs, Sieg gegen Berlin, Sieg gegen Schalke und Sieg in Rostock - dazu Platz zwei in der Tabelle. Ist die Welt in Bremen wieder in Ordnung?

Klaus Allofs: Wir waren nie so depressiv, wie man uns einreden wollte. Aber nach den letzten Spielen lässt es sich natürlich wesentlich ruhiger arbeiten. Mit dem Sieg gegen Schalke konnten wir ein deutliches Zeichen setzen, und uns Selbstvertrauen für den Endspurt holen. Aber eine Entscheidung im Kampf um die Champions League war es sicher noch nicht.

SPOX: Wie wichtig ist die Champions League für Bremen - wirtschaftlich und für die sportliche Entwicklung?

Allofs: Wir haben uns als Ziel gesetzt, uns dauerhaft unter den ersten Dreien in Deutschland zu etablieren, was wir nun vier Jahre hintereinander geschafft haben. Daran möchten wir anknüpfen. Sollten wir es nicht schaffen, gehen hier zwar nicht die Lichter aus, aber eine Einnahme aus der Champions League von zwölf bis 15 Millionen wäre natürlich ein wichtiger Bestandteil für unser Budget.

SPOX: Und für das sportliche Renommee von Werder Bremen?

Allofs: Das sportliche Renommee ist tatsächlich noch wichtiger als das Geld. Das würde durch ein einmaliges Scheitern wohl keine allzu großen Kratzer bekommen, aber schöner wäre es natürlich, dabei zu sein. Wenn man über die Marke Werder Bremen spricht, könnte man die sicher weiter festigen und die Popularität noch ausbauen.

SPOX: Wenn man über die Marke Werder Bremen spricht, spricht man nicht nur von Erfolgen, sondern vor allem über Ihre Art, Fußball zu spielen. Wie wichtig ist der Bremer Konzeptfußball für die mediale Präsenz und die Außendarstellung?

Allofs: Beides gehört zusammen: Wir wollen Erfolg, aber wir wollen ihn auch mit unserer Philosophie von kreativem und offensivem Fußball erzielen. Das entspricht unserem Naturell - und wie sich gezeigt hat, mögen das auch die Leute.

SPOX: Joan Laporta, der Präsident von Barcelona, erklärte kürzlich sinngemäß, er könne sich nicht vorstellen, mit Jose Mourinho zu arbeiten, weil der keinen sexy Fußball spielt. Wie groß ist für Sie die Schnittstelle zwischen Entertainment und Sport?

Allofs: Ich kann durchaus verstehen, was Laporta sagen will. Aufgrund der Mentalität in Spanien reicht es nicht aus, nur zu gewinnen, die Mannschaft muss auch Spektakel liefern. Allerdings argumentiert Barca natürlich auf einem extrem hohen Niveau.

Die Alternative dort heißt ja nicht Mourinho oder Mittelmaß. Von daher ist das bei uns nur in abgeschwächter Form vergleichbar. 

Wir wollen attraktiv spielen und natürlich im europäischen Wettbewerb dabei sein, denn dann sind wir auch erfolgreich mit unserer Spielweise. Was wir nicht wollen: als destruktive, nur ergebnisorientierte Mannschaft dastehen.

SPOX: Und inwieweit ragen Überlegungen zur Marke und zum Image tatsächlich in den sportlichen Bereich hinein?

Allofs: Die Interessen zwischen marketingstrategischen Aspekten und der sportlichen Ausrichtung sind ohnehin deckungsgleich. Natürlich wollen wir einen Spieler wie Diego haben, weil er sensationell Fußball spielt - und schließlich hat sich gezeigt, dass er auch unter Marketing-Gesichtspunkten und für unser Image eine sehr, sehr wichtige Figur ist.

SPOX: An erster Stelle stehen also die sportlichen Aspekte, dann erst greifen Überlegungen zur Marke?

Allofs: Optimal ist, wenn beides zusammenkommt. Wir suchen Spieler, die leistungsbereit und ehrgeizig sind und sich total mit dem Verein identifizieren. Wir wollen aber auch keine Roboter haben. Wir wollen, auch für die Marke Werder Bremen, spezielle Typen, die auch in ihrer Art unterschiedlich sind. Ob das nun Diego ist, oder Borowski,  Mertesacker, Clemens Fritz oder Tim Wiese, der ja auch einen speziellen Bereich abdeckt. Und es hat sich in den letzten Jahren gut entwickelt, dass man auf uns nicht nur wegen der Ergebnisse schaut, sondern eben auch, weil da ein paar ganz interessante Typen dabei sind.

SPOX: Und weil es in der Regel sehr unterhaltsam ist, Ihrem Spiel zuzusehen...

Allofs: Sportlicher Erfolg und eine attraktive Spielweise gehören für uns zusammen. Aber das ist natürlich eine Gratwanderung. Nehmen Sie etwa die 3:6-Niederlage gegen Stuttgart. Da war unsere Spielweise plötzlich zweitrangig - es wurde über die sechs Gegentore gesprochen.

SPOX: Aber gerade solche Niederlagen fördern doch auch Ihr Image und schaffen ein hohes Identifikationspotential - eher als ein 0:0.

Allofs: Das ist richtig, das merken wir ja an positiven Reaktionen in Zuschriften. Aber wir wollen nun wirklich nicht als die sympathischen Träumer durch die Liga spazieren, die nur vom totalen Offensivfußball schwärmen, dann aber keine Ergebnisse liefern.

Im zweiten Teil des Interviews spricht Klaus Allofs über die Lernerfahrung aus der Krise zu Beginn der Rückrunde und über die Möglichkeiten und Grenzen in einem Verein wie Werder Bremen.

Artikel und Videos zum Thema