Warum eigentlich nicht?

Von Haruka Gruber
Klopp, München, Bayern
© Getty

München - Es war ein "irres Vorhaben", erinnert sich Sören Lerby. 22 Jahre ist es her, da trat er an einem Novembernachmittag 1985 mit der dänischen Nationalmannschaft in Irland an - nur um vier Stunden später in Bochum zum Pokal-Spiel seines FC Bayern aufzulaufen.

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Ein mit heißer Nadel gestricktes Vorhaben. Lerby ließ sich in Irland nach knapp einer Stunde auswechseln, wurde von Uli Hoeneß und einer Blaulicht-Eskorte der irischen Polizei direkt auf das Rollfeld des Dubliner Flughafen chauffiert, um per Learjet nach Düsseldorf zu fliegen.

"Danach rasten wir im Porsche Richtung Bochum, gerieten aber in einen Stau. Die Uhr tickte, ich bin wahnsinnig geworden", erzählt Lerby im Magazin "11 Freunde". "Schließlich bin ich raus und rannte die letzten zwei Kilometer bis zum Stadion. Ich wollte von Beginn an für die Bayern spielen."

Lerby war mit Hingabe Bayer. Und an diese altruistische Ader erinnerte sich Hoeneß, als er im Herbst 1991 einen neuen Trainer suchte. Jupp Heynckes wurde zuvor entlassen, Alternativen waren rar, warum also nicht Lerby? Eine B-Lösung zweifelsohne, aber ein Risiko, dass sich bei aller Unerfahrenheit vertreten ließ, dachte der Manager. Aber nicht lange.

Nach verkorksten fünf Monaten mit vier Siegen aus 15 Partien zog Hoeneß die Reißleine. Der Versuch mit einem jungen, dynamischen Trainer-Noname war grandios gescheitert. Seitdem gilt Hoeneß als gebranntes Kind.

Rief Hoeneß Finke an?

Volker Finke ist mit seinen 59 Jahren nicht mehr jung, nach 16 Jahren Freiburg beileibe kein Noname. Dennoch erstaunte die Meldung der "Bild am Sonntag", dass Hoeneß auf der Suche nach einem neuen Trainer bei ihm angerufen haben soll. Freilich wäre Finke jemand, der - sollte Ottmar Hitzfeld bereits vor dem Sommer das Handtuch werfen - kurzfristig in die Bresche springen könnte, um danach ohne viel Murren ins zweite Glied zu rücken.

Langfristig ist Finke aber keiner, der ins vermeintliche Beuteschema der Bayern passt. Ihm fehlt die Extravaganz eines Mourinho, der weltmännische Habitus eines Klinsmann, die Titel eines Hiddink, Lippi, Scolari, Wenger und Ancelotti.

Finke ist Finke. Ein kauziger Fußball-Fachmann, der in der badischen Provinz autokratisch sein Reich aufbaute. Ein B-Kandidat eben, ähnlich wie Klaus Augenthaler, Lothar Matthäus, Armin Veh oder Jürgen Klopp.

Klopp eine "faszinierende Idee"

Augenthaler genießt ein gutes Standing bei den Fans, seit Wolfsburg ist sein Ruf jedoch angekratzt. Matthäus kann gut mit Aufsichtsrats-Chef Franz Beckenbauer, Referenzen sind in seiner Vita aber rar. Selbst Stuttgarts Meistertrainer Armin Veh umweht eine Aura der Bayern-unwürdigen Mittelmäßigkeit.

Bleibt Klopp. Ein "fideler Innovator" ("Süddeutsche Zeitung"), der als Trainer des FSV Mainz eine exzellente Reputation genießt und dem wegen seiner souveränen Art zugetraut wird, sich im nervösen Münchner Umfeld durchzubeißen.

"Die Idee, jemanden von der Art eines Jürgen Klopp zu holen, finde ich faszinierend. Im Konzept der ganz großen Trainer halte ich Klopp für eine erlaubte Überlegung", sagt etwa Günther Netzer in der "Welt am Sonntag". FSV-Präsident Harald Strutz weiß: "Wenn Bayern anfragt, haben wir keine Chance."

Oder doch ein Topmann?

Wäre da nur nicht dieses unsägliche Lerby-Fiasko gewesen. Ist der junge und dynamische Klopp tatsächlich eine Überlegung wert, sollte keiner der hochkarätigen Kandidaten anbeißen?

"Die Bayern stehen vor einer ganz schwierigen, wegweisenden Aufgabe. Es muss der Anspruch sein, einen Trainer zu holen, der internationales Renommee besitzt und in der Lage ist, die Ziele des Vereins umzusetzen", sagt daher auch Netzer. "Sie haben durch die massiven Investitionen in die Mannschaft einen klaren Weg eingeschlagen, der sie zurück in die europäische Spitze führen soll."

Sacchi, del Bosque und Valencia

Aber muss es zwangsläufig einer der Kategorie Mourinho sein? Immerhin zeigt die Historie, dass europäischen Topteams in einigen Fällen besser geholfen war, auf einen Mann aus der zweiten Reihe zu setzen.

Die Dynastie des AC Milan Ende der 80er bis Anfang der 90er Jahre begründete Taktikpapst Arrigo Sacchi, zuvor Coach des damaligen Zweitligisten Parma. Der zuvor nur als Jugend-, Reserveelf- und Interimstrainer fungierende Vicente del Bosque war bis zum Amtsantritt Bernd Schusters der einzige Trainer, der Real Madrids Weißes Ballett in den letzten Jahren im Griff hatte.

Der FC Valencia wiederum kultivierte es geradezu, relativ unbekannten Trainern eine Chance zu geben.

Claudio Ranieri formte aus Valencia wieder einen Spitzenverein, mittlerweile betreut er Juventus Turin, Hector Cuper erreichte zweimal das Champions-League-Finale, bevor er zu Inter Mailand ging. Mit dem Meistertitel und dem UEFA-Cup verabschiedete sich Rafael Benitez in Richtung Liverpool.

Dieser schüchterne, schnauzbärtige Mann

B-Lösungen und europäische Topteams. Es kann, muss aber nicht gut gehen. Nach del Bosque verpflichtete Real einen gewissen Carlos Queiroz. Fantastischer Ruf, fantastisches Fachwissen, fantastisch deplatziert. Nach einem Jahr kehrte er desillusioniert als Co-Trainer zu Manchester United zurück.

Lorenzo Serra Ferrer sieht mit seinem Schnurrbart und seiner hohen Stirn zwar ein bisschen so aus wie del Bosque, die Ära des Ex-Jungendtrainers beim FC Barcelona währte jedoch nur eine erfolglose Saison.

Die "BBC" schrieb einst: "Es ist ein seltsames Märchen über einen schüchternen, schnauzbärtigen Mann aus Salamanca, der mit seiner ruhigen und respektvollen Art die teuerste und talentierteste Mannschaft zu den größten Triumphen führte." Gemeint war del Bosque.

Übrigens: Der schüchterne, schnauzbärtige Mann aus Salamanca fristet derzeit ein Schattendasein als Sportdirektor des spanischen Zweitligisten Cadiz. Und ihn zieht es zurück ins große Geschäft...

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