EM 2022: "Man spürt den US-Geist" - drei Perspektiven auf die Euro

Von Justin Kraft
Die EM 2022 in England wird eines der bedeutendsten Turniere der Geschichte. Mit Bianca Rech, Julia Simic und Jasmina Covic blicken drei wichtige Persönlichkeiten des Fußballs auf das Turnier.
© Imago Images / DAZN / Getty Images
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EM 2022: Jasmina Covic - Perspektive der Agentin

Das Wachstum des Fußballs der Frauen führt auch dazu, dass die Branche der Agenten und Agentinnen immer relevanter wird. Jasmina Covic ist die Inhaberin der Women's Football Agency - einst die erste auf den Fußball der Frauen spezialisierte Agentur.

2014 stieg sie als damals jüngste und einzige Agentin in das deutsche Profigeschäft ein, heute leitet sie die WFA gemeinsam mit Brian Eylert (berät unter anderem Nadine Angerer und Lothar Matthäus).

Die 29-Jährige verdient ihren Lebensunterhalt hauptsächlich als Leiterin der Geschäftsstelle des SV 1880 München. Sie selbst sagt, dass sie dadurch keinen finanziellen Druck habe und die Spielerinnen locker beraten könne. Womöglich sieht sie deshalb auch nicht alle Effekte positiv, die das Wachstum und die EM mit sich bringen.

Jasmina Covic mit Klientin Ana-Maria Crnogorcevic und Brian Eylert beim FC Barcelona.
© getty
Jasmina Covic mit Klientin Ana-Maria Crnogorcevic und Brian Eylert beim FC Barcelona.

EM 2022: Überkommerzialisierung auch bei den Frauen

"Ich bin ein bisschen zwiegespalten", sagt die gebürtige Kroatin über die rasante Entwicklung: "Die Summen haben sich verdrei-, vervier- oder sogar verfünffacht." Das betreffe auch die Gehälter, weshalb es für sie als Agentin schwieriger geworden sei. Vor drei oder vier Jahren habe sie sich noch "aussuchen können, mit wem wir zusammenarbeiten" und es wären keine Spielerinnen abgeworben worden. "Da gab es keine große Konkurrenzsituation und gewisse Grenzen mussten nicht überschritten werden."

Nach der Europameisterschaft in den Niederlanden habe sie 2017 einen Boom beobachtet: "Es gab massig Sponsorenverträge für alle, selbst für Spielerinnen außerhalb der Nationalmannschaft. Es ist extrem viel Geld geflossen." Auf der einen Seite sei das "attraktiv, auf der anderen Seite lenkt es vom Wesentlichen ab." Im Mittelpunkt sollte ihrer Meinung nach der Fußball stehen.

"Es wird immer mehr zu Kommerz, je mehr Geld fließt und der Frauenfußball lenkt sehr stark in diese Richtung", analysiert Covic: "Da ist es dann teilweise für Spielerinnen finanziell nicht mehr so relevant, Top-Leistungen zu bringen, weil sie durch Sponsorenverträge dreimal so viel verdienen wie im Verein."

EM 2022: Die Prämien des DFB-Teams im Überblick

Prämie pro SpielerinBedingung
60.000 EuroGewinn der Europameisterschaft
30.000 EuroFinalteilnahme
20.000 EuroEinzug ins Halbfinale
10.000 EuroÜberstehen der Gruppenphase

EM 2022: Hype um Fußball der Frauen zieht "zwielichtige Gestalten" an

Covic ist es dennoch wichtig, zu betonen, dass die steigende Aufmerksamkeit und Wertschätzung sowie die finanziellen Erfolge grundsätzlich positiv sind, "aber es hat eben auch noch diese Kehrseite." Zu dieser gehöre auch, dass dadurch "viel mehr zwielichtige Gestalten angezogen" würden, "die sich bereichern wollen."

Vor einigen Jahren habe der Sport noch kaum jemanden interessiert, man sei im Gegenteil sogar belächelt worden. Jetzt aber "sind alle Experten und alle wollen den Frauenfußball voranbringen", kritisiert die Agentin: "Das ist schon fast eine Beleidigung gegenüber den Agenten Dietmar Ness, Henner Janzen, Markus Lennartz oder Brian und mir, die schon sehr lange dabei sind und schon da waren, als es noch gar nichts zu verdienen gab."

Für die Zukunft wünscht sich Covic vom DFB "ein richtiges, vollumfängliches Konzept für den Frauenfußball" nach Vorbild der FA. Das betreffe "die Vermarktung, die sportliche Perspektive und wie sie die Vereine unterstützen wollen." Dafür brauche es Personal mit großem Erfahrungsschatz.

Jasmina Covic: "Bessere Voraussetzungen als England oder Spanien"

Gesellschaftlich sieht die Agentin, die unter anderem Nationalspielerin Laura Freigang berät, in Deutschland keine Nachteile: "Ich denke, wir haben sogar noch bessere Voraussetzungen als England oder Spanien. Ich würde sagen, wir sind sogar viel offener."

Der Großteil der deutschen Männer sei "sehr offen, tolerant und interessiert. Aber man muss sie da auch heranführen. Ich glaube, da ist noch viel mehr Potenzial und es ist immer die Frage, wie man die Leute erreichen will."

Die Deutschen wären da aus ihrer Sicht nicht anders als andere. "Es wäre doch für alle ein Traum, wenn wir mal bei einer Frauen-EM oder -WM die gleiche Euphorie erleben wie bei der Männer-EM oder -WM und etliche schöne Sommerabende genießen und feiern können", blickt Covic in die Zukunft. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Aber die Europameisterschaft in England kann und wird einen weiteren wichtigen Beitrag leisten.