Ex-Spielerberater Ulrich Ferber im Interview: "Hleb hätte doch bei Bayern unterschreiben sollen"

Von Stanislav Schupp
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Wie groß ist der Anteil des Beraters an der Wechselentscheidung des Spielers und im Idealfall an einer erfolgreichen Karriere?

Ferber: Das hängt vom Spieler ab. Manche haben eine klare Vorstellung von ihrem Karriereweg, andere - was bei mir selten vorkam - achten ausschließlich aufs Geld. Bei Hleb zum Beispiel hätte ich mich vor seinem Wechsel von Arsenal nach Barcelona noch stärker in die Entscheidung mit einbringen müssen.

Warum?

Ferber: Bei Arsenal hatte er die beste Zeit seiner Karriere, Arsene Wenger liebte ihn. Dann wollten ihn Barca und der FC Bayern. Wir sprachen mit beiden, er hat sich letztendlich für Barcelona entschieden. Im Flugzeug auf dem Weg zur Vertragsunterzeichnung habe ich gespürt, dass er sich auf die Aufgabe freut, aber auch daran zweifelt. In dieser Situation hätte ich womöglich mehr Einfluss nehmen müssen, er hätte doch bei Bayern unterschreiben sollen. Barca war ein Weltklub, doch eine Rückkehr nach Deutschland und das Gesamtpaket in München hätten zu diesem Zeitpunkt vermutlich besser gepasst. Aleks hatte aber den Wunsch, mit Lionel Messi, Andres Iniesta oder Thierry Henry zusammenzuspielen.

Bei Barca konnte Hleb nicht an seine Leistungen aus London anknüpfen, bereits nach einem Jahr ging er auf Leihbasis zurück nach Stuttgart.

Ferber: Der damalige Trainer Frank Rijkaard und Sportdirektor Txiki Begiristain wollten ihn unbedingt verpflichten. Rijkaard musste allerdings noch vor Hlebs Ankunft gehen, sein Nachfolger Pep Guardiola fand keine Verwendung für ihn. Bei Arsenal spielte er fast immer, daher war er es nicht gewohnt, nur circa 60 Prozent der Spiele zu bestreiten. Zudem hatte er mit der spanischen Mentalität Probleme, nachdem er sich innerhalb weniger Jahre bereits an die deutsche und englische gewöhnen musste. Fußballerisch hatte er klar das Zeug für mehr. Ihn mit Messi und Iniesta spielen zu sehen, war ein Gedicht. Es war am Ende eine mentale Geschichte, die auch mit an seinem Stolz scheiterte.

Mario Gomez wurde lange Jahre von Uli Ferber vertreten.
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Mario Gomez wurde lange Jahre von Uli Ferber vertreten.

Auch Mario Gomez, Bernd Leno oder Joshua Kimmich waren bzw. sind Ihre Klienten, dazu viele auch unbekanntere Spieler aus dem süddeutschen Raum. Wie war bei der Akquise Ihre Herangehensweise?

Ferber: In den nahezu 25 Jahren habe ich weit über 30 National- und Bundesligaspieler verantwortlich begleitet. Natürlich auch viele Spieler aus den darunterliegenden Ligen. Das Hauptaugenmerk lag dabei vorwiegend auf der umliegenden Region, weil es für mich wichtig war, die Spieler und deren Familien kennenzulernen und das Gefühl zu bekommen, dass eine erfolgreiche Zusammenarbeit möglich ist. Das war aus meiner Sicht am meisten erfolgversprechend. Ich habe auch viele Spieler aus der Region wie zum Beispiel Sami Khedira anderweitig unterstützt, ohne für sie als Berater zu fungieren. Durch die Kontakte zu den Vereinen habe ich viele Themen begleitet, wodurch Eltern auf mich zukamen und fragten, ob sie mit mir über ihren Sohn sprechen können. Vereinzelt war ich auch für ausländische Spieler zuständig wie für Gledson, der unter anderem beim VfB und Hansa Rostock spielte oder Cristian Molinaro, als er in Stuttgart war. Der überwiegende Teil der Spieler wurde aber an uns herangetragen.

Wie lief es konkret bei Kimmich und Gomez?

Ferber: Bei Gomez spielte sicherlich auch die Tatsache eine Rolle, dass ich mit Hleb bereits einen Spieler beim VfB hatte. Nach seinem Wechsel aus Ulm nach Stuttgart hieß es, dass der Spieler keinen Berater habe, woraufhin ich mich mit seinem Vater in Verbindung setzte. Für seine Eltern war es nicht wichtig, ob ihr Sohn Nationalspieler wird, sondern vielmehr, dass er ein ordentlicher Junge bleibt und es ihm gutgeht. Hätte es mit Fußball nicht geklappt, wäre er einfach einen anderen Weg gegangen. Bei Kimmich, den wir ab der C-Jugend betreut haben, hat mich sein Vater kontaktiert.

Kimmich verließ jüngst Ihre Agentur, um sich ab sofort selbst zu vertreten. Wie bewerten Sie diesen Schritt?

Ferber: Wer Joshua auf dem Platz sieht, der weiß, dass er Entscheidungen treffen möchte und trifft. Aufgrund der absolut transparenten Arbeit der letzten Jahre war Joshua zu jeder Zeit informiert, hat immer genau diese letzte Entscheidung getroffen und ist durchaus in der Lage, seine Position klar zu vertreten. Unsere Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass ein persönliches "Verhandeln" immer auch von Emotionen und Kämpfen begleitet ist, die wir unseren Spielern gerne ersparen, damit sie auf dem Platz einen klaren Kopf behalten können. Jo hat es gemeinsam mit uns vom U-14 Talent bis zum Champions-League-Sieger und internationalen Top-Spieler gebracht. Wir sind stolz, ein Teil dieser außergewöhnlichen Karriere zu sein.

War Kimmichs rasante Entwicklung der vergangenen Jahre von Anfang an absehbar?

Ferber: Absolut. Viele Trainer haben sein Potenzial gesehen. Rangnick war aber sicherlich sein größter Fan und Förderer damals in Leipzig. Guardiola sah später in Joshua einen Ausnahmespieler und zukünftigen Leader.

Welcher war Ihr emotionalster oder schwierigster Transfer?

Ferber: Der größte und intensivste war der von Hleb von Stuttgart zu Arsenal 2005. Er war absoluter Publikumsliebling beim VfB und Arsenal ein Traditionsverein. Es war etwas Besonderes, diesen Deal zu begleiten. Am emotionalsten war, als Gomez im Sommer 2009 vom VfB zum FC Bayern wechselte. Die Verhandlungen zogen sich sehr lange, Bayern wollte ihn bereits ein Jahr zuvor verpflichten. Wir verhandelten über ein Jahr lang und jeder wusste, dass er in der nächsten Saison nach München wechselt. Das war ein sehr langes Jahr für Mario, in dem er dennoch eine überragende Saison spielte, klar im Kopf war und auch das Interesse der Bayern ein Jahr später noch gegeben war. Er hatte zunächst auch nur eine Ausstiegsklausel fürs Ausland. Wir haben es aber geschafft, ihn für eine damalige Rekordsumme von über 30 Millionen Euro zu transferieren. Am schwierigsten war es, Kimmich 2015 aus Stuttgart zu RB Leipzig zu transferieren - und das, obwohl er nur A-Jugendspieler war.