Thomas Doll im Interview: "Auf Platz eins der Wutreden werde ich es nie schaffen"

Thomas Doll arbeitete von Ende Januar bis Anfang Juni 2019 bei Hannover 96.
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So auch 2008, als Sie Borussia Dortmund ein Jahr vor Ihrem Vertragsende in gegenseitigem Einvernehmen verließen und dabei sogar auf Ihr Restgehalt verzichteten. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Zeit in Dortmund?

Doll: Ich verbleibe mit dem Positiven. Man darf nicht vergessen: Als ich im März 2007 nach Dortmund kam, stand der Verein dicht vor dem Abstieg. Es war zwei Minuten vor zwölf, intern herrschte Untergangsstimmung. Wir hatten neun Spiele Zeit, den Bock umzustoßen und ich bin froh, dass wir das geschafft haben. In meiner zweiten Saison hatten wir dann einige Verletzungssorgen. Außerdem war der eine oder andere Spieler sicherlich schon über seinem Zenit. Den BVB damals kann man nicht ansatzweise mit dem BVB von heute vergleichen.

In jener zweiten BVB-Saison kam es auch zu Ihrer legendären Wut-Pressekonferenz, bei der Sie scharfe Kritik an der Berichterstattung der Medien übten. Würden Sie diese PK heute noch einmal so machen?

Doll: Natürlich nicht. Das war aus der Emotion heraus. Jeder weiß, dass ich ein emotionaler Typ bin. Aber ich würde heute ruhiger und sachlicher bleiben. In diesem Moment dachte ich mir einfach: Es geht nicht, wie über meine Mannschaft berichtet wird, deshalb verteidige ich sie.

Doll: "Vor Hummels ziehe ich den Hut"

Ihre Pressekonferenz wird oft in einem Atemzug mit der von Giovanni Trapattoni genannt.

Doll: Ich weiß, viele konfrontieren mich noch heute damit, obwohl es so lange her ist. Auf Platz eins der Wutreden werde ich es trotzdem nie schaffen. Den darf Herr Trapattoni gerne behalten.

In Dortmund wurden Sie durch Jürgen Klopp ersetzt. Am 19. April 2008, dem Tag des Pokalfinals gegen den FC Bayern, machten bereits Gerüchte über Klopps Verpflichtung die Runde. Wie gingen Sie damit um?

Doll: Es ist nicht angenehm, kurz vor einem so wichtigen Spiel so etwas zu hören, aber vom Verein hat sich dazu niemand bei mir gemeldet. Aki Watzke und ich haben uns erst nach der Saison zusammengesetzt und entschieden, dass ein Neuanfang für den BVB das Beste wäre. Mein Fokus liegt immer auf dem Hier und Jetzt und man hat im Finale gesehen, dass die gesamte Mannschaft voll auf der Höhe war. Leider haben wir in der Verlängerung knapp mit 1:2 verloren, sonst wäre es eine schöne Versöhnung nach all den schlechten Spielen in der Bundesliga gewesen.

Welche Spieler haben Sie aus Ihrer Zeit beim BVB besonders in Erinnerung?

Doll: Dede, ein ganz feiner Fußballer. Dann waren da noch Alex Frei und Mladen Petric, zwei richtig gute Jungs. Und wir hatten natürlich auch ein paar junge Spieler mit großem Potenzial. Mats Hummels zum Beispiel. Dem hätten viele so eine Weltkarriere damals wohl nicht zugetraut.

Warum?

Doll: Ich kann mich noch erinnern, als wir uns vor seiner Verpflichtung ein U23-Spiel von ihm bei Bayern angesehen haben. Herrmann Gerland testete ihn damals im defensiven Mittelfeld. Er mochte es, Innenverteidiger hin und wieder etwas weiter vorne einzusetzen, weil es für diese Spieler ja eher ungewöhnlicher ist, mit dem Rücken zum Gegner zu stehen. Das war sehr interessant zu sehen. Mats hat das gut gemacht, aber er war eben noch sehr jung und körperlich einfach noch nicht so weit. Als er dann zu uns nach Dortmund kam, hatte er mit Christian Wörns und Robert Kovac zwei alte Hasen vor sich. Es war also nicht einfach für ihn, aber er ist geduldig geblieben und hat sich zu einem der besten Innenverteidiger der Welt entwickelt. Davor ziehe ich den Hut.

Thomas Doll (r.) mit dem jungen Mats Hummels (l.).
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Thomas Doll (r.) mit dem jungen Mats Hummels (l.).

Doll: "Habe mich in meiner Karriere oft überraschen lassen"

Wer war der beste Spieler, den Sie jemals trainiert haben?

Doll: Ich will niemandem Unrecht tun, vor allem beim HSV hatte ich viele klasse Spieler wie Sergej Barbarez, David Jarolim oder Paule Beinlich. Am meisten beeindruckt hat mich aber Rafa van der Vaart. Der hatte von allen das feinste Füßchen. Was Rafa in der Saison 2005/06 gespielt hat, war außergewöhnlich. Es war eine schöne, besondere Saison für den HSV.

Heute spielen die Hamburger in der 2. Liga. Können Sie sich vorstellen, eines Tages noch einmal für den HSV zu arbeiten?

Doll: Diese Frage stellt sich aktuell für mich nicht. Erstens ist Dieter Hecking beim HSV Trainer, zweitens bringe ich mich nicht selbst woanders ins Gespräch. Wenn sich für mich irgendwann noch einmal die Möglichkeit ergeben sollte, nach Deutschland zurückzukehren, dann würde ich mich darüber freuen. Andererseits arbeite ich auch gerne im Ausland. Man kann sich am Ende nicht immer aussuchen, wo die Reise hingeht. Ich habe mich in meiner Karriere oft überraschen lassen. So zum Beispiel auch von APOEL Nikosia. Die haben mich vier Tage vor einem Spiel in der Champions-League-Qualifikation kontaktiert. Manchmal geht es sehr schnell.

Nach 15 Pflichtspielen in Nikosia war aber schon wieder Schluss - und das, obwohl Sie nur eines davon verloren haben.

Doll: Das hatte keine sportlichen Gründe. Ich werde erst darüber sprechen, wenn ein wenig Gras über die Sache gewachsen ist. Seit meiner Entlassung Anfang Dezember wurde schon wieder dreimal der Trainer gewechselt. Ich denke, dass die Leute in Zypern mein Trainerteam und mich positiv in Erinnerung behalten werden. Allein aus wirtschaftlicher Sicht. Mit der Qualifikation für die Europa League hat der Verein wichtige Einnahmen erzielt.

Die Trainer-Stationen von Thomas Doll

VereinZeitraum
Hamburger SV U192001 - 2002
Hamburger SV II2002 - 2004
Hamburger SV2004 - 2007
Borussia Dortmund2007 - 2008
Genclerbirligi Ankara2009 - 2010
Al-Hilal2011 - 2012
Ferencvaros Budapest2013 - 2018
Hannover 962019
APOEL Nikosia2019
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