Dennis Aogo im Interview: "Robben hatte es nicht nötig, sich auf mein Niveau herabzulassen"

Von Daniel Nutz
Dennis Aogo spielte beim FC Schalke 04 mit Leroy Sane zusammen.
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Wie kam der Kontakt zustande?

Aogo: Dietmar Beiersdorfer sprach meinen Berater an und blieb hartnäckig. Er kam sogar extra zu uns nach Hause, um mich von einem Wechsel zu überzeugen.

Gab es auch andere Angebote?

Aogo: Der VfB Stuttgart zeigte ebenfalls Interesse. Horst Heldt, auf den ich später bei Schalke treffen sollte, war zu der Zeit dort Manager.

Und dennoch haben Sie sich für den HSV entschieden.

Aogo: Die Verantwortlichen haben mich vor allem auf menschlicher Ebene überzeugt. Beiersdorfer war interessiert daran, mich persönlich kennenzulernen, um zu sehen, aus welchem Elternhaus ich komme. Das war sehr aufregend und gab mir das richtige Gefühl.

In welchem Bereich war die Umstellung von Freiburg zu Hamburg am größten?

Aogo: Es war ein Wechsel in einige riesige Stadt zu einem großen Klub mit hervorragenden Spielern. Zu Beginn kam ich mir vor wie ein kleiner Junge, der auf seine Idole trifft. Ich war ehrfürchtig und traute mich anfangs fast nicht zu sprechen.

Sie bezeichneten den HSV zuletzt als "Ihren Verein" und sagten, dass kein Verein so große Emotionen in Ihnen geweckt hätte. Was genau meinen Sie damit?

Aogo: Ich habe für den HSV fast 170 Spiele gemacht, bin als junger Bursche vom vergleichsweise kleinen Sport-Club Freiburg zum großen Traditionsverein gewechselt und habe es geschafft, mich dort in der Bundesliga zu etablieren. Letztlich wurde ich während meiner Zeit dort U21-Europameister, durfte für die A-Nationalmannschaft auflaufen und war 2010 sogar bei der WM dabei. Auch die Erfolge in der Europa League mit den beiden Halbfinaleinzügen sorgen letztlich dafür, dass der Klub bis heute mein Herzensverein ist. Dabei war zu Beginn meiner Zeit nicht einmal klar, ob ich mich dort überhaupt durchsetzen würde.

Wie meinen Sie das?

Aogo: In der Anfangszeit schaffte ich es ein paar Mal nicht in den Kader und bin erst reingerutscht, als Timothee Atouba sich verletzte. Diese Chance habe ich dann genutzt.

Aogo machte knapp 170 Spiele für den HSV.
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Aogo machte knapp 170 Spiele für den HSV.

Aogo über Atouba: "Besaß Fähigkeiten, die ich so noch nie gesehen hatte"

Apropos Atouba: War er wirklich so verrückt, wie man als Außenstehender vermuten würde?

Aogo: Zu 100 Prozent! Er war in der Kabine genauso wie auf dem Platz. Ich bin dankbar, dass ich ihn vor seiner schweren Verletzung erleben durfte. Er war ein außergewöhnlicher Fußballer, einen wie ihn habe ich danach nie wieder gesehen. Er besaß brutale Fähigkeiten und hat Bewegungen gemacht, die ich in meinem Leben so noch nie gesehen hatte. Er war definitiv verrückt, aber gleichzeitig auch unberechenbar. Bei Timmy wusste man nie, ob er wirklich sauer ist, oder sich nur einen Spaß erlaubt. Mir kam er manchmal vor wie ein brodelnder Vulkan, der von heute auf morgen explodieren kann.

Zum Ende Ihrer Zeit in Hamburg deutete sich der Abwärtstrend, der Jahre später im Abstieg mündete, bereits an. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Aogo: In meinen letzten beiden Jahren war ich aufgrund meiner Stellung innerhalb der Mannschaft in viele Gespräche mit dem Manager oder mit der Vereinsführung involviert - und wir hatten immer das Gefühl, alle Hebel in Bewegung gesetzt zu haben. Wir haben uns die Köpfe zerbrochen und jeden Stein umgedreht, um dem Ganzen entgegenzuwirken, aber wir konnten es einfach nicht greifen. Wir versuchten es sogar mit einer Art Magier, der unsere Kabine von schlechter Energie säubern sollte, weil wir das Gefühl nicht loswurden, es liege teilweise nicht mehr in unserer Hand, da die Qualität im Kader eigentlich immer besser war als das Ergebnis am Ende der Saison. Nach meinen Stationen beim HSV, bei Schalke, Stuttgart und auch Hannover sage ich mittlerweile: Die Trikots bei Traditionsvereinen sind schwerer als bei anderen Vereinen. Spieler, die bei kleinen Klubs funktioniert haben, aber nicht die nötige mentale Stärke mitbringen, gehen oftmals in großen Vereinen kaputt, weil sie mit dem Druck nicht klarkommen.

Sie hingegen wurden während ihrer Zeit in Hamburg zum Nationalspieler. Welche Erinnerungen haben Sie an den 13. Mai 2010?

Aogo: Sehr gute! Ich habe damals bei meinem ersten Einsatz gegen Malta sogar ein Tor vorbereitet. Die Hoffnung auf eine Nominierung hatte ich schon länger, da wir im Jahr zuvor mit der U21 Europameister geworden waren. Nach und nach sind immer mehr Spieler aus diesem Team in die A-Mannschaft aufgerückt. Eines Tages kam Gott sei Dank der Anruf von Hansi Flick. Dieses Gefühl war unbeschreiblich, weil ich auf diesen Moment jahrelang hingearbeitet hatte. Vor meinem ersten Lehrgang war ich dementsprechend nervös.

Lahm-Nachfolger? Aogo fühlte sich bei der Nationalmannschaft unter Druck gesetzt

Dann folgte Ihr Debüt vor heimischen Publikum.

Aogo: Nervös war ich schon zuvor. Als Typ bin ich in einem neuen Umfeld zunächst ohnehin eher zurückhaltend. Als der kleine Dennis, der gerade einmal ein Jahr beim HSV war, plötzlich zur Nationalmannschaft mit den ganzen Champions-League-Spielern aus den großen Klubs kam, war das insbesondere der Fall. Vor dem ersten Spiel war ich mega aufgeregt, ich stand schließlich unter enormer Beobachtung.

Inwiefern?

Aogo: Es musste links hinten ein Nachfolger für Philipp Lahm gefunden werden, weil Philipp auf die rechte Seite wechseln wollte. Die Fußstapfen waren riesig, Philipp war jahrelang der beste Linksverteidiger der Welt. Deshalb habe ich mich bei meinen Einsätzen extrem unter Druck gesetzt gefühlt. Joachim Löw war von meinen sportlichen Fähigkeiten überzeugt und hat mir im persönlichen Gespräch immer signalisiert, dass ich für ihn eine langfristige Lösung auf der Linksverteidigerposition darstellen könnte. Leider konnte ich meine Leistungen aus den Trainingseinheiten beim DFB zu dieser Zeit nie auf den Platz bringen. Das lag nur an mir selbst und auf gar keinem Fall am Trainer.

In knapp 16 Jahren Karriere hatten Sie über 20 Trainer. Hat Sie wer besonders beeindruckt?

Aogo: Erstmal würde ich behaupten, dass es wenige bis keine Spieler gibt, die in so vielen Jahren ähnlich viele Trainer hatten. Aufgrund der Anzahl und der teilweise kurzen Intervalle, ist eine Antwort auf die Frage nicht ganz einfach. Mit Bruno Labbadia habe ich sehr gerne zusammengearbeitet, auch wenn er brutal viel von seinen Spielern einfordert. Bei ihm gibt es nur Vollgas. Rein taktisch gefällt mir im Nachhinein die Arbeit von Thorsten Fink besonders gut. Wir hatten damals nicht das beste Verhältnis, kommen mittlerweile aber wieder sehr gut miteinander aus. Er versuchte ein bisschen wie Pep Guardiola zu arbeiten und zeigte seinen Spielern neue Perspektiven. Bei ihm drehte sich viel um die richtige Positionierung auf dem Platz, da habe ich mich als Außenverteidiger definitiv weiterentwickelt.

Dennis Aogo spielte auch für die deutsche Nationalmannschaft.
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Dennis Aogo spielte auch für die deutsche Nationalmannschaft.

Aogo über HSV-Zeit: "Vielleicht war ich zu treudoof"

Gleichzeitig bedeutete die Fink-Zeit Ihr Ende beim HSV.

Aogo: Nach einer Niederlage konnte er uns nicht mehr sehen und hat drei Tage frei gegeben. In der Zeit bin ich nach Mallorca geflogen, um meinen Manager zu treffen. In den Medien war hingegen von Partyurlaub die Rede, was absoluter Unsinn war. Nach meiner Rückkehr wurde ich suspendiert, obwohl wir eigentlich frei hatten. Fink zeigte Verständnis, dennoch wurde ich vom Verein dadurch öffentlich an den Pranger gestellt. Es musste wohl ein Sündenbock her, das hat mich extrem enttäuscht. Vielleicht war ich damals aber auch einfach zu treudoof.

Inwiefern?

Aogo: Zu der Zeit, als ich Nationalspieler war und wir auch international sehr erfolgreich waren, gab es Angebote von größeren Klubs. Meine naive Einstellung war allerdings, mit dem HSV etwas aufbauen zu wollen, weil ich mich dem Verein verbunden fühlte. Und plötzlich wurde ich bewusst in ein schlechtes Licht gestellt.