Kenan Kocak im Interview: Darum sollte sich Schalke ein Beispiel an Heidenheim nehmen

Von Robin Haack
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Sie haben Löw angesprochen. Was unterscheidet ihn als Trainer von Heynckes oder Guardiola?

Kocak: Löw ist ein exzellenter Fachmann, eine Persönlichkeit und nicht umsonst Weltmeister geworden. Bei Löw, Guardiola und Heynckes fällt auf, dass sie trotz aller Erfolge immer Mensch geblieben sind. Sie sind nicht hochnäsig und halten sich nicht für etwas Besseres.

Gibt es weitere Trainer, mit denen Sie sich gern austauschen würden?

Kocak: Ich hatte neulich Kontakt zu Diego Simeone und hoffe darauf, ihn bald treffen zu können. Ich würde auch noch gerne bei Thomas Tuchel und Jürgen Klopp hospitieren, aber man muss natürlich schauen, wie es passt. Mit den vielen Wettbewerben haben Liverpool und PSG einen vollen Terminplan und ich will kein Störfaktor sein. Ich hoffe trotzdem, dass wir demnächst einen Termin finden.

Andere Trainer, die Sie gut kennen, sind Julian Nagelsmann und Domenico Tedesco. Mit beiden haben Sie die Fußballlehrerausbildung absolviert. Wie haben Sie beide in dieser Zeit erlebt?

Kocak: Beide sind sehr gute Typen, aber komplett andere Persönlichkeiten. Trotzdem sind sie exzellente Trainer, die für ihr Alter außergewöhnliche Fähigkeiten haben. Domenico ist eher ruhig, während Julian der forschere Typ ist. Auch im Lehrgang hatte er häufig einen flotten Spruch auf den Lippen, wie man es auch aus der Öffentlichkeit kennt. Er ist ein fröhlicher und selbstbewusster Mensch, der sagt, was er denkt und deshalb bei den meisten Kollegen sehr gut angekommen ist.

Wie war es bei Tedesco?

Kocak: Er ist sehr intelligent, ein absoluter Fußball-Fachmann und hat eine starke Rhetorik. Dabei ist er immer authentisch, ehrlich und einfach ein angenehmer Zeitgenosse, mit dem man sehr viel Spaß haben kann. Auch außerhalb des Fußballs kann man mit ihm über alles sprechen. Ich habe die Zeit mit ihm sehr genossen.

Auf Schalke durchlebt er aktuell seine erste echte Krise.

Kocak: Jeder Trainer der Welt macht Phasen durch, in denen es nicht nach Plan läuft. Es gibt hunderte Faktoren, die einen Klub in eine Abwärtsspirale bringen können und der Trainer ist nur ein möglicher Grund. Egal ob Nagelsmann, Klopp oder Tuchel - ausnahmslos jeder Trainer hatte in seiner Laufbahn schon mit Phasen zu kämpfen, in denen Spiele nicht gewonnen werden. Als Trainer ist man in solchen Situationen darauf angewiesen, die richtigen Leute um sich herum zu haben, die die geleistete Arbeit realistisch einschätzen können. Überzeugung muss das Schlagwort sein. Wie es gehen kann, zeigt der 1. FC Heidenheim aktuell eindrucksvoll.

Was meinen Sie?

Kocak: In der vergangenen Saison hat Heidenheim bis zum letzten Spieltag gegen den Abstieg gespielt und trotzdem an Frank Schmidt festgehalten. Bei anderen Vereinen wäre Schmidt wahrscheinlich längst entlassen worden. Doch was ist passiert? Heidenheim hat die Klasse gehalten und der Klub hat dem Trainer das Vertrauen ausgesprochen. In dieser Saison spielen sie sogar um den Aufstieg mit und stehen im Viertelfinale des DFB-Pokals. Daran müssen sich andere Klubs ein Beispiel nehmen, anstatt in Aktionismus zu verfallen. Im heutigen Profifußball ist Aktionismus zum Trend geworden, doch es liegt nicht immer nur am Trainer. Vor einer Trainerentlassung wird viel zu selten eine genaue Analyse betrieben.

Wird in der Fußballlehrerausbildung eine Art Handwerkzeug vermittelt, das dabei helfen soll, in solchen Krisen zu bestehen?

Kocak: Im Fach Sportpsychologie wird man speziell auf Phasen vorbereitet, in denen es nicht läuft. Dort wird simuliert, was medial und psychisch passiert, wenn der eigene Klub in einer Krise steckt. Der DFB bietet eine sehr hochwertige Ausbildung, die versucht, Trainer auf so viele Szenarien wie möglich vorzubereiten. Trotzdem muss jeder Trainer lernen, seinen eigenen Weg zu gehen. Zehn Monate Fußballlehrerausbildung sind keine Garantie, dass alles funktioniert.

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