"Ich wollte aus Christophs Fußstapfen treten"

Malte Metzelder (r.) spielte zwei Jahre lang bei Borussia Dortmund mit Bruder Christoph
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SPOX: Eine der wichtigsten Entscheidungen Ihrer Karriere haben Sie beim Transfer zum FC Ingolstadt getroffen.

Metzelder: Das kann man so formulieren. Ich hatte dort gute Gespräche mit dem damaligen Präsidenten. Er hat mir von seinen Plänen erzählt und ich habe ihm jedes Wort geglaubt. Viele haben ihn für verrückt gehalten, auch innerorts, aber im Grunde ist alles so eingetroffen, wie er es gesagt hat.

SPOX: Fielen damals bereits Worte wie Bundesliga?

Metzelder: Ja, innerhalb einer zeitlich vorgegebenen Periode war der Aufstieg in die Bundesliga ein Ziel. Aber auch darüber hinaus folgte die Entwicklung des Vereines einem klaren Plan: neues Stadion, Ausgliederung - Themen, die mich hier in Münster wieder begleiten. Ich habe gemerkt, dass er ein Visionär ist und kein Spinner. Er ist als Geschäftsmann erfolgreich und hat ein Händchen für richtige Entscheidungen.

SPOX: Sie waren zehn Jahre in einem Verein, den es erst seit 13 Jahren in dieser Form gibt. Welche Entwicklungen haben Sie am meisten beeindruckt?

Metzelder: Der Verein hat bei null angefangen. Das Stadion war eine Bruchbude, die Strukturen de facto nicht vorhanden. Alles ist sukzessive verbessert und vergrößert worden - natürlich begünstigt durch den sportlichen Erfolg. Der Verein hat innerhalb kürzester Zeit Dinge auf den Weg gebracht, für die andere 100 bis 150 Jahre gebraucht haben. Ich bin stolz darauf, diesen Weg mitgestaltet zu haben. Daher war es am Ende eine schwierige Entscheidung, etwas zu hinterlassen, wo eine Menge Herzblut drinsteckt, wo mein Meniskus noch irgendwo auf dem Rasen liegt. (lacht)

SPOX: Durch die angesprochene schwere Knieverletzung hat Ihre aktive Karriere nicht das erfreulichste Ende genommen. Wie früh haben Sie angefangen, sich damit zu befassen, wie es nach der Karriere weitergehen wird?

Metzelder: Grundsätzlich habe ich von meinem Elternhaus immer mitbekommen, dass ich neben dem Leistungssport versuchen sollte, mich breiter aufzustellen. Die Zeit dafür ist ja da. Die Gefühlslage während der schweren Knieverletzung können Außenstehende aber nur schwer nachvollziehen. Es ist ja nicht nur ein Beruf. Es ist Hobby, Passion - da wollte ich nicht so einfach aufhören. Ich bin eine Zeit lang zweigleisig gefahren.

SPOX: Wie sah das aus?

Metzelder: Es gab während meiner Rehazeit die Möglichkeit, ein Praktikum beim FCI zu machen. Ich habe dadurch einen schleichenden Einstieg genommen. Allerdings hatte ich lange noch den Biss und den Glauben, dass ich auf den Platz zurückkommen werde. Ich hatte viele Ups and Downs, bin noch einmal nachoperiert worden und hatte abschließend eine Umstellungsosteotomie. Die wünsche ich keinem...

SPOX: Warum?

Metzelder: Bei diesem Eingriff wird die Beinachse verändert. Das heißt, man schneidet beispielsweise den Unterschenkel durch, schneidet einen Keil raus und setzt es wieder zusammen.

SPOX: Au weia.

Metzelder: Ich habe also wirklich alles versucht. (lacht) Danach wurde mir bewusst, dass ich nicht mehr über den Freizeitsport hinaus kommen werde. Also habe ich das Praktikum weiter forciert und 2014 schließlich gesagt: "Schalter umlegen, Abfahrt."

SPOX: Wie muss man sich die Ausbildung vorstellen, in der Sie bei den Schanzern Trainee waren und nebenher studierten?

Metzelder: Mein Wunsch war es, in die Management-Ebene zu gehen und nicht in die Trainerschiene. Ich war aber sogar eine Saison lang im Trainerteam der U16 dabei. Wenn ich in der Geschäftsführung mitarbeite, macht es Sinn, jeden Bereich und dessen Abläufe zu kennen. Ich wusste, wie ein Spieler tickt, aber ich wollte auch lernen, wie ein Trainer tickt, wie Mitarbeitergespräche ablaufen, wie die kaufmännische Seite funktioniert. Für mich war klar, dass ich dieses Masterstudium machen wollte. Also haben wir gemeinsam abgestimmt, dass ich parallel dazu Erfahrungen in den einzelnen Bereichen sammle.

SPOX: Sie haben eng mit dem Geschäftsführer Sport und Kommunikation zusammengearbeitet.

Metzelder: Es ging um alle sportlichen Themen, aber auch um Budgetpläne und die strategische Ausrichtung. Darüber hinaus gab es einen engen Austausch mit dem Sportdirektor. Das Vertragswesen ist zudem bei mir zusammengelaufen. Eine sehr vertrauensvolle Aufgabe, wie ich finde.

SPOX: Über Ihr Engagement bei Preußen Münster gab es schon länger Gerüchte. Das lässt zumindest vermuten, dass schon eine Weile Kontakt bestand.

Metzelder: Ich habe den Verein im Laufe der Jahre weiter verfolgt, weil es die Station war, in der ich Profi wurde. Der Kontakt ist durch den Anruf eines Aufsichtsratsmitgliedes entstanden. Als es dann konkreter wurde, habe ich meinem Klub ganz transparent eröffnet, dass es eine ernst zu nehmende Anfrage gibt und es sehr schnell ernst werden könnte. Ich denke, die Schanzer haben geahnt, dass dieser Tag kommen wird. Sie haben noch einmal alles probiert, aber sie konnten mich nicht mehr umstimmen.

SPOX: Seit Ihrem Amtsantritt am 1. April sind Sie Sportdirektor und Leiter der Geschäftsstelle. Das klingt nach einem 24/7-Job.

Metzelder: Aktuell wird mir jedenfalls nicht langweilig. (lacht)

SPOX: Der Verein ist beinahe 100 Jahre älter als der FC Ingolstadt. Ist diese gewachsene Tradition nur Vorteil oder kann sie auch Nachteile haben?

Metzelder: Ingolstadt hat jedenfalls den Vorteil, dass sie aus den Fehlern der Vergangenheit von anderen Vereinen gelernt haben und sie nicht wiederholen. Sie können Ihre Geschichte jetzt erzählen. Der Vorteil hier ist, dass das Münsterland als Region unheimlich viel Potential und der Verein eine sehr gute Fußballkultur hat. Es gibt eine großartige Fanbasis. Wenn man hier Erfolg hat, nimmt man das unmittelbar wahr. Aber man hat ein bisschen diesen Mut verloren.

SPOX: Inwiefern?

Metzelder: Es fehlt der Mut zu sagen: "Wir sind modern und gehen neue Wege, ohne dabei die Tradition und unsere Werte aufzugeben Wir dürfen nicht den Anschluss verlieren." Wir sind im Moment an dem Punkt, an dem wir uns fragen müssen, ob wir wettbewerbsfähig bleiben oder einfach nur in Erinnerungen schwelgen wollen. Dann wird die Reise aber nach unten gehen.

SPOX: Damit sind wir bei der angestrebten Ausgliederung der Profiabteilung. Ist bei dieser Thematik ein zu traditionalistisches Denken hinderlich?

Metzelder: Zuallererst ist wichtig, gut aufzuklären und zu informieren. Wir müssen die Leute mitnehmen und ihnen klar machen, dass wir dem Verein nichts Böses wollen, sondern ihn wieder auf die Gleise bringen möchten. In dieser Situation geht es um Vertrauen in die verantwortlichen Leute. Ich habe erwähnt, dass mir in Ingolstadt ein Visionär begegnet ist. Hier hatte ich in den Gesprächen genau die gleichen Gefühle wie damals. Es war wie ein Deja-vu. Deshalb wollte ich da unbedingt dabei sein.

SPOX: Demnächst soll in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung über die Ausgliederung entschieden werden. Wie zuversichtlich sind Sie, dass es gelingen wird?

Metzelder: Es gab Informationsveranstaltungen für die Mitglieder, Gespräche mit der Stadt, Treffen mit Sponsoren. Vom Austausch mit den Mitgliedern war ich positiv überrascht, auch über die vielen Fragen, die absolut verständlich sind und auch kommen müssen. Es bringt meines Erachtens nichts, Parolen zu dreschen. Wir gehen den Weg der Information. Wir möchten Strukturen schaffen, in denen die Wahrscheinlichkeit steigt, sportlichen Erfolg zu haben. Um nichts anderes geht es in diesem Job.

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