"Modeste ist doch keine 40 Millionen wert"

Zvjezdan Misimovic spielte von 2008 bis 2010 beim VfL Wolfsburg und wurde dort Deutscher Meister
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SPOX: Wie hat sich denn Ihr Chinesisch entwickelt in der Zeit?

Misimovic: Uns wurde ein Dolmetscher gestellt. Chinesisch ist eine teuflisch schwere Sprache. Im Grunde verständigten wir uns immer mit Händen und Füßen. In den ersten zweieinhalb Jahren in Guiyang hat zudem die gesamte Mannschaft im Hotel gelebt. Die Familien der chinesischen Spieler wohnten meist verstreut im ganzen Land in ihren Geburtsstädten. Durch den Zimmerservice im Hotel bestand nicht die große Notwendigkeit, zum Bäcker zu gehen und dort mit ein paar Vokabeln zu glänzen. Am schnellsten habe ich das Wort für 'Starbucks' gelernt. Egal in welcher Stadt wir mit der Mannschaft waren, den Laden haben wir eigentlich immer als erstes angesteuert.

SPOX: Sie lebten in China im Hotel, Ihre Frau mit den Kindern in München. Dass die Familie mitkommt kam nicht in Frage?

Misimovic: Grundsätzlich schon, doch es gab in Guiyang keine internationale Schule. Das war eine neue und keine besonders tolle Erfahrung für mich. Mir tat es weh, wenn ich nicht zur Einschulung oder den Geburtstagen kommen konnte und meine Frau das alles alleine regeln musste. In Istanbul und Moskau waren wir alle jeweils zusammen. Da aber ohnehin klar war, dass wir wieder in unsere Geburtsstadt München zurückkehren werden, haben sie dort auf mich gewartet.

SPOX: Sie sagten, es gab daher auch mal Phasen, in denen Sie am liebsten alles hingeschmissen hätten.

Misimovic: Klar. Gerade im ersten Jahr war vieles schwierig. Da dachte ich einige Male: Was mache ich eigentlich hier? Zwischen China und Deutschland liegen einfach Welten. Das ist kein revolutionärer Satz, aber man muss es erlebt haben, damit man es richtig einschätzen kann. Die Familie hat mir gefehlt. Ein Beispiel: Meine Frau und mein bester Freund wollten mich zum chinesischen Neujahr Mitte Februar besuchen. Da wir aber kurz zuvor erfreulicherweise erfahren haben, dass sie schwanger ist, durfte sie nicht fliegen. Da ich ständig mit dem Fußball unterwegs war, konnten wir uns in dieser Zeit nur dann sehen, wenn ich bei der bosnischen Nationalelf und damit halbwegs in ihrer Nähe war.

SPOX: Wie haben Sie dort Ihre Freizeit verbracht?

Misimovic: Guiyang ist eine Stadt im Umbruch, die auf 1000 Metern liegt. Es wird viel gebaut, aber es war nur wenig fertig gestellt. Es war nicht viel geboten. Ich war viel im Hotel, hatte aber das Glück, dass mit Zlatan Muslimovic und später Sejad Salihovic zwei bosnische Spieler im Verein waren. Das hat vieles im Alltag erleichtert.

SPOX: Was war die erste dicke Überraschung für Sie vor Ort?

Misimovic: Eine Geschichte habe ich bereits mal erzählt: Gleich im ersten Freundschaftsspiel hat sich unser Trainer selbst aufgestellt und neben mir im Mittelfeld gekickt. Das war schon der Wahnsinn. Relativ schnell fallen einem auch die Essensgewohnheiten auf, dazu unterscheidet sich das Essen fundamental von dem in chinesischen Restaurants in Deutschland. Ungewohnt war auch, dass man sich um das Waschen der Trainingsklamotten und das Putzen der Schuhe selbst kümmern musste.

SPOX: In Europa wird oft die fehlende Eigenständigkeit der Profis bemängelt...

Misimovic: Ich hatte kein Problem damit, aber das hatte ich eben zuletzt in der Jugend machen müssen. (lacht) An sich ist das nichts Schlechtes, auch wenn ich glaube, dass es für den überwiegenden Teil der Bundesligaspieler ein Problem darstellen würde. Die würden staunen, wenn sie sich selbst am Amt anmelden oder das Auto ummelden müssten.

SPOX: Was hat Sie in Ihrem Alltag als Profi sonst noch besonders verwundert?

Misimovic: Die medizinische Abteilung ist gewöhnungsbedürftig. Die Teams sind nicht besonders groß und sie glauben eben an ihre Methoden wie zum Beispiel Akupunktur. Das ist aber nicht bei jeder Verletzung hilfreich, es fehlt einfach ein breites Fachwissen. Auch die Ernährung ist katastrophal, mit Sportlernahrung hat das nichts zu tun. Die haben von klein auf ihre Essgewohnheiten und sind auch als Sportler nicht bereit, diese zu ändern oder wenigstens zu optimieren. Als Alberto Zaccheroni zu Beijing Guoan kam, brachte er einen Ernährungsberater mit. Seine angestrebten Veränderungen haben sich aber nicht wirklich durchsetzen können, das wurde vielmehr boykottiert. (lacht)

SPOX: Wie ernährt sich denn der chinesische Fußballprofi?

Misimovic: Es gibt gerade bei Auswärtsspielen das normale Hotelbuffet, bei dem sich auch sonstige Gäste bedienen. Da kann dann jeder unbeobachtet zuschlagen, wie er möchte. Da sind schon einige Kuchen und Coca Cola über die Tische gewandert. Oftmals hatten wir bedingt durch Unwetter auch Verspätungen bei den Auswärtsreisen und kamen erst nachts am Spielort an. Dort wartete dann ein Vereinsvertreter mit McDonalds-Tüten in der Hand und hat uns abgeholt. Es wurden also die Burger im Bus verspeist und so fuhren wir ins Hotel.

SPOX: Wie sah grundsätzlich die Spielvorbereitung aus?

Misimovic: Man reist normalerweise zwei Tage vor dem Spiel an. Gerade auswärts absolviert man das Abschlusstraining im Stadion. Ich habe öfter erlebt, dass es in den Kabinen kein warmes Wasser gab. Da stand man dann unter der Dusche und es war eiskalt. Einige chinesische Spieler haben sich auch schon im Hotel umgezogen und saßen in kompletter Montur im Bus. Ich kann mich noch an mein erstes Auswärtsspiel erinnern, das ging zur asiatischen Champions League nach Australien. Wir saßen neun Stunden im Flugzeug, klassischer Linienflug. Das war natürlich alles andere als optimal. Ich habe dann eingeführt, dass wir in die Business Class kommen. Den Aufpreis mussten wir aber selbst zahlen.