Fußballwelt wartet auf Konsequenzen

SID
Gegen Blatter wird wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung ermittelt
© getty

Noch kein freiwilliger Rücktritt, noch keine Suspendierung: Auch nach der Eröffnung des Strafverfahrens gegen den einst allmächtigen FIFA-Präsidenten Joseph S. Blatter klebt dieser wie festgewachsen auf seinem Thron beim Weltverband.

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Die FIFA-Ethikkommission, die den 79-jährigen Schweizer und den ebenfalls im Zwielicht stehenden UEFA-Chef Michel Platini (60) aus dem Verkehr ziehen könnte, tut sich mit einer schnellen Entscheidung offensichtlich extrem schwer.

"In der Privatwirtschaft zieht man in einer solchen Situation sofort Konsequenzen. Wir haben es gerade bei Volkswagen gesehen, wo der Chef gegangen ist, obwohl der Nachweis bislang noch nicht wirklich erbracht ist", sagte der frühere FIFA-Reformer und -Insider Mark Pieth im Schweizer Fernsehen: "Im Fußball hat man da offenbar Schwierigkeiten, direkt zu reagieren. Die FIFA ist eine Organisation, die sich selbst über dem Recht gewähnt hat."

Nach SID-Informationen hat die zuständige Untersuchungskammer ihre Ermittlungen zwar unmittelbar nach dem "Blatter-Beben" am Freitag aufgenommen - eine mögliche "Schutzsperre" gegen Blatter oder Platini, wie vor der WM 2014 kurzzeitig gegen Franz Beckenbauer verhängt, wurde bislang aber nicht ausgesprochen. Bleibt es dabei, scheinen die vorliegenden Beweise der Schweizer Bundesanwaltschaft nicht wasserdicht genug zu sein.

Zwei Millionen als Dankeschön?

Die Behörden hatte das Verfahren gegen den FIFA-Boss wegen des "Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung sowie - eventualiter - wegen Veruntreuung" am Donnerstag eröffnet, Blatter wurde als Beschuldigter vernommen. Für beide Vergehen ist in der Schweiz eine Haftstrafe möglich.

Platini, Chef der Europäischen Fußball-Union (UEFA), soll Anfang 2011 von Blatter eine "treuwidrige Zahlung" in Höhe von zwei Millionen Schweizer Franken für eine mehrere Jahre zurückliegende Beraterleistung erhalten haben. Er sprach als "Auskunftsperson" vor. Die Vermutung der Ermittler: Die Summe floss als "Dankeschön" für Platinis Unterstützung vor der Präsidenten-Wahl im Sommer 2011, bei der Blatter zu diesem Zeitpunkt den später suspendierten Mohamed bin Hammam hatte fürchten müssen.

Beide wiesen die entschieden Vorwürfe zurück, die beiden mächtigsten Fußballverbände taumeln dennoch ins Chaos.

Wer springt in die Bresche?

"Es kann sein, dass die FIFA völlig zerschlagen wird oder zerschlagen werden muss", sagte der frühere FIFA-Mediendirektor Guido Tognoni im ZDF-Sportstudio: "Das liegt nicht mehr in der Hand der FIFA, sondern in der Hand des amerikanischen Justizministeriums und der Schweizer Bundesanwaltschaft." Fallen Blatter und Platini endgültig, wird die Suche nach Nachfolgern zur Mammutaufgabe.

Statuarisch würden die jeweiligen Vizepräsidenten ad interim übernehmen. Ob aber der gesundheitlich angeschlagene Issa Hayatou (FIFA) oder Ángel María Villar (UEFA/Spanien) die Richtigen sind, um den Schmutz aufzukehren, ist höchst fragwürdig. Vor allem der Name des Kameruners tauchte im Laufe der Jahre immer wieder in Verbindung mit den zahlreichen FIFA-Skandalen auf.

Weitere Kandidaten sind nicht in Sicht - durch Platinis Verwicklung fehlt plötzlich auch der große Favorit bei der für den 26. Februar 2016 angesetzten Wahl des Blatter-Nachfolgers. Blatter wollte dort trotz des erschütternden Skandals als Reformer abtreten, der Termin steht jetzt freilich auf der Kippe.

DFB verhält sich bedeckt

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) verpasste es am Wochenende, klar Stellung zu beziehen. Der weltgrößte Verband forderte zwar Aufklärung und Reformen, klare Ansagen Richtung Blatter und Platini tauchten aber nicht auf. "Das Präsidium hat mit großer Bestürzung auf die jüngsten Ermittlungen bei der FIFA reagiert und ist fassungslos über das Ausmaß und die Schwere der im Raum stehenden Anschuldigungen", hieß es.

Viel deutlicher wurde, mal wieder, die Politik. "Um das System der Korruption zu brechen, braucht es einen kompletten Neustart", sagte die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der Bild am Sonntag: "Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens ist Blatter sofortiger Rücktritt überfällig. Durch sein starrsinniges Festhalten an seinem Amt hat er hingenommen, dass der ohnehin schon immense Schaden für den internationalen Fußball nur noch größer wird."

Diesen Rücktritt schloss Blatters ehemaliger Berater Klaus J. Stöhlker aus. "Der Präsident bleibt Präsident", sagte Stöhlker der Zeitung Schweiz am Sonntag: "Der Präsident hat nicht die geringsten Sorgen. Er ist guten Mutes." Bei einer Mitarbeitersitzung kurz vor dem neusten Tiefpunkt des Skandals soll Blatter gesagt haben, er bleibe mindestens noch bis zum 26. Februar 2016 im Amt.

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