Der Sonnenkönig unter der Rennfahrern

Lewis Hamilton kündigte in Barcelona an, dass Mercedes ihm keine Anweisungen mehr geben darf
© getty

Die gute Nachricht des Großen Preises von Spanien: Die drohende Langeweile in der Formel 1 hat Nico Rosberg erstmal verhindert. Erstmals in der Saison 2015 war der Deutsche ebenbürtig mit Lewis Hamilton. Mehr noch: Er entschied das Duell eindeutig für sich. Ein Umstand, der bei den Mercedes-Bossen wieder einmal zu Sorgenfalten führen könnte, weil der Weltmeister aus England über die Stränge schlägt.

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Als die letzten Runden im Rennen auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya begannen, kannte Hamilton plötzlich weder Freund noch Feind. "Sag mir, ob es möglich ist", funkte der 30-jährige Doppelweltmeister seinen Renningenieur an, als er durch den Wechsel auf eine Dreistoppstrategie endlich seinen persönlichen Bremsklotz Sebastian Vettel hinter sich gelassen hatte.

"Wohl nicht", lautete die Antwort. Was dann folgte, lässt einen tiefen Blick in Hamiltons Psyche zu. "Ist es unmöglich?", fragte er. Mercedes klärte ihn auf, dass Rosberg sein Tempo steigern könnte, der Weltmeister solle Platz 2 ins Ziel bringen und den Fuß vom Gas nehmen. Hamilton stellte den Funkverkehr ein - und machte entgegen der Teamanweisung richtig Tempo.

Hamilton ignoriert Mercedes-Anweisungen

"Ich bin hier, um Rennen zu fahren, nicht um Zweiter zu werden", erklärte er nach dem Rennen und ging auf den Funkspruch ein: "Natürlich habe ich das ignoriert. Ich habe Druck gemacht und das Auto wirklich an die Grenzen gebracht." Erst als er erkannte, dass das Team Recht hatte, brachte er seinen W06 Hybrid kontrolliert ins Ziel.

Es ist die Geschichte der Saison 2014, die sich in Spanien nun wiederholte. Während Rosberg sich den Anweisungen seiner Ingenieure fügt, wenn er den sicheren Doppelsieg nicht gefährden soll, kocht Hamilton ab und an ganz gerne mal sein eigenes Süppchen.

"Wenn ich Druck mache, muss er auch Druck machen. Das ist ein Risiko für beide Autos, daher ist es verständlich", konnte er in Spanien immerhin nachvollziehen, warum ihn das Team zur langsamen Fahrt anwies. Zufrieden ist er damit nicht. Mehr noch, er fordert Narrenfreiheit: "Ich werde definitiv sicherstellen, dass das nicht noch mal passiert."

Wolff und Lauda sind gefordert

Motorsportdirektor Toto Wolff und Aufsichtsratschef Niki Lauda sind in den zwei Wochen bis zum Monaco-GP gefordert. Die Verlängerung des nach der Saison auslaufenden Vertrags stockt seit Monaten. Der Starpilot fordert laut mehreren Medien 200 Millionen Euro für drei Jahre - also 67 Millionen und damit circa 55 Millionen jährlich mehr als sein Teamkollege.

Das ist aber nicht das eigentliche Problem. Ausgerechnet vor dem Saisonhighlight in Monte Carlo scheint Hamilton die teaminternen Regeln aushebeln zu wollen.

Vor jedem Formel-1-Rennen besprechen die Ingenieure im Meeting mit ihren Fahrern jeden möglichen Verlauf des Rennens und legen Regeln fest. Wenn ein Pilot wie Rosberg zu einem bestimmten Zeitpunkt mutterseelenallein vor dem Feld herfährt, wird er in der Regel angewiesen, sein Tempo zu drosseln. Kommt jetzt aber der zweite Pilot von hinten, attackiert seinen Teamkollegen auf den letzten Runden und staubt so den Sieg ab, grenzt das Verhalten an Unsportlichkeit.

Hamilton bekommt das Setup nicht hin

Zumindest unterstreicht es fehlenden Teamspirit. "Ich hatte das ganze Wochenende Probleme. Mal hat das Auto übersteuert, dann untersteuert", erklärte Hamilton schon am Samstag seine Niederlage.

"Wir bei der Abstimmungsarbeit eigene Wege gegangen. Die Setups sind nicht weit voneinander entfernt, aber auch nicht identisch", sagte Rosberg, der zuletzt öffentlich gemacht hatte, als sein Teamkollege nach dem Freitagstraining seine Einstellungen übernommen und damit gewonnen hatte.

Rosberg: "Das Qualifying hat gesessen"

In Barcelona lief für ihn alles perfekt. "Das war ein cooles Wochenende. Alles ist aufgegangen, von Anfang an lief es gut. Das Qualifying hat gesessen, der war Start war auch cool", sagte Rosberg glücklich. Ob ihm dabei geholfen hat, dass Mercedes aufgrund der unregelmäßigen Starts in den ersten vier Rennen wieder zur Kupplungskonfiguration des Vorjahres zurückgekehrt ist?

"Nico hat sich voll zurückgemeldet. Das war ein super Rennen von ihm", ließ Lauda wissen. Die Niederlagen bei den ersten vier WM-Läufen sind abgehakt. Rosberg hat gezeigt, was ihn auszeichnet: Ein blitzsauberes, ultraschnelles Qualifying und ein bedachtes Rennen. 20 statt 27 Punkte liegt der deutsche Silberpfeil-Pilot jetzt noch in der WM-Wertung zurück, die Dominanz des Weltmeisters ist gebrochen.

"Eine gewisse Unsicherheit ist immer dabei. Aber das ist glaube ich normal. Es ist schwierig, wenn Lewis einen Sieg nach dem anderen holt", gab Rosberg nun zu: "Auf der anderen Seite habe ich das Selbstbewusstsein und das Wissen, dass ich es schaffen kann. Ich vertraue auf meine Fähigkeiten und meine Herangehensweise. Ich habe geglaubt, dass es mit dem Sieg recht schnell klappt und heute war es soweit."

Warum war Ferrari plötzlich abgeschlagen?

Dass Ferrari hinterherhechelte und Vettel zuvor Hamilton nach dessen schlechtem Start um die Siegchancen brachte, gefiel dem gebürtigen Wiesbadener. "Sehr nett von ihm, er ist herzlich eingeladen, das öfter zu machen. Ich werde mir überlegen, ihm ein paar Bier rüberzuschicken", kündigte Rosberg an.

Viel interessanter war für ihn aber der Vorsprung von über 45 Sekunden, den er auf den Ferrari-Piloten im Schongang herausfuhr. Der Rückstand der Italiener war in Bahrain nur bei vier Sekunden. "Es war ganz wichtig, das zu sehen. Das ist mit das Beste am heutige Tag, dass wir das Entwicklungsrennen erstmal für uns entschieden haben. Mit Abstand. Das ist sehr überraschend." Und eigentlich nicht durch Updates zu erklären.

"Man muss anerkennen, dass sie heute zu schnell waren und wir das ganze Wochenende auf keinen grünen Zweig gekommen sind", sagte Vettel: "Wir haben nicht den Rhythmus der letzten Rennen gefunden. Ich hoffe, dass ich Recht habe und es in den nächsten Rennen wieder enger wird."

FIA überrascht nach der Quali mit neuer Regel

Über die Gründe für den Leistungsabfall von Ferrari kann nur spekuliert werden. Kam Mercedes die Strecke entgegen? Ist das Update am SF15-T ein Fehlschlag? Oder sorgte die neue Regel des Automobilweltverbands für den deutlichen Kräfteunterschied? Die FIA gab am Samstag laut Auto Motor und Sport zehn Minuten nach Ende des Qualifyings ein Kommunique an die Teams.

Der Inhalt: Überschreitet die durchschnittliche Benzindurchflussmenge 90 Liter pro Stunde, muss der Kraftstoff mit einem konstanten Druck die Messgeräte passieren. Schon im Winter gab es Gerüchte, Ferrari habe einen Trick entwickelt, um die Regel zu umgehen.

Benzin sollte zwischen Sensor und Düsen gespeichert werden, um beim Beschleunigen zusätzlich eingespeist zu werden und die Leistung auf den ersten Metern nach der Kurve zu erhöhen. Am Sensor wären so die maximal erlaubten 100 Liter pro Stunde gemessen worden, obwohl die wirklich eingespritzte Menge den Wert überschritten hätte.

Trickste Ferrari mit dem Benzin?

Dass Ferrari ausgerechnet im letzten Sektor der Strecke von Barcelona eine halbe Sekunde pro Runde verlor, wo Traktion und viel Leistung beim Beschleunigen aus langsamen Kurven gefragt ist, lässt die Vermutung zu, dass die Italiener der Grund für die Klarstellung des Verbands waren. Die Scuderia streitet das allerdings ab.

Das nächste Rennen in Monaco wird Aufschluss darüber geben, ob Mercedes wirklich nur aufgrund der Streckencharakteristik einen so großen Vorteil gegenüber Ferrari hatte. Sektor 3 in Barcelona stellt dieselben Anforderungen an die Autos wie der gesamte Stadtkurs am Mittelmeer.

Sicher ist: Monte-Carlo-Experte Rosberg will seine Aufholjagd in der Fahrer-WM dort mit seinem zweiten Saisonsieg richtig beginnen. Nach zwei aufeinanderfolgenden Erfolgen in seiner Wahlheimat kann auch dieses Jahr nur der oberste Platz auf dem Podium das Ziel sein.

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