Red Bull: Die erste letzte Chance

Sebastian Vettel konnte zuletzt nicht mit dem Mercedes von Nico Rosberg mithalten
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Für Red Bull und Sebastian Vettel ist schon der Spanien-GP in Barcelona (alle Sessions im LIVE-TICKER) die erste letzte Chance der Saison 2014. Die Verbesserungen an Renaults Antriebseinheit müssen das Formel-1-Weltmeisterteam auf das Niveau von Mercedes heben. Sonst enteilen Lewis Hamilton und Nico Rosberg wohl endgültig.

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Der Kurs in Barcelona hat einen Beinamen: Referenzstrecke. Bei keinem anderen Rennen wurde die gesamte Konstruktion des Autos in der Vergangenheit stärker auf den Prüfstand gestellt als in Katalonien. Mäßig schnelle Kurven und keine exzessiv langen Geraden - der 4,655 Kilometer lange und mittlerweile umbenannte Circuit de Barcelona Catalunya ist das Mekka für Aerodynamiker.

Für Red Bull sind das beste Voraussetzungen. "Red Bull ist berühmt dafür, zurückzuschlagen - außerdem ist Adrian Newey da", fürchtet Mercedes-Aufsichtsratschef Niki Lauda ein Ende der bisherigen Dominanz. Während der gesamte Formel-1-Tross in Asien umherreiste, blieb der geniale Designer aus England in der Fabrik in Milton Keynes, besuchte bei der Langstrecken-WM Porsche und sammelte Ideen. "Ich fürchte, dass er etwas Neues nach Barcelona schickt", sagt Lauda.

"Red Bull hat den besten Wagen im Feld"

Auch Hamilton ist vorsichtig geworden: "Wenn ich ehrlich bin, traue ich der Situation bei Red Bull nicht ganz. Ich bin mir sicher, dass die noch aufholen." Force-India-Pilot Sergio Perez will aus der Hinterherfahrerperspektive noch mehr erkannt haben: "Ich glaube, dass Red Bull das beste Auto hat - meiner Meinung nach haben sie den besten Wagen im ganzen Feld." Dem zunehmenden Druck begegnet Mercedes mit ungewöhnlichen Methoden. Der Neuseeländer Ceri Evans soll als Sport-Psychologe die Teammitglieder betreuen und ihre Abläufe optimieren.

Red Bull hat andere Probleme. "Der Realist in mir sagt, unter normalen Bedingungen sind wir in Europa wieder die Alten", sagte Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko schon in Malaysia. "Die langen, schnellen Kurven bedeuten, dass es zu einem Auto mit hocheffizienter Aerodynamik passen wird", ergänzt Vettel nun. Doch gelingt wirklich plötzlich der Sprung an die Spitze? "Danach muss man erst wieder in der Sommerpause schauen", hebt Lauda die Bedeutung des Grand Prix in Spanien hervor.

Traditionell ist der Europaauftakt das Rennen, bei dem die Teams ihre Autos komplett verändern. McLaren soll sein Konzept umgeschmissen haben und statt des Rüssels mit einer Krabben-Nase à la Lotus experimentieren, Sauber hat rund 15 Kilogramm Gewicht abgespeckt, Force India kündigte einen neuen Front-, Lotus einen neuen Heckflügel an. Das teure Wettrennen um Tausendstelsekunden, bei dem an jedem Wochenende mehrmals neue Teile per Luftpost an die Strecken befördert werden, hat wieder begonnen.

"Der Spanien-GP ist die erste Gelegenheit für die Teams, um während der Saison ein großes Update zu bringen. Die Autos waren auf der anderen Seite des Globus und die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen haben auf den Spanien-GP hingearbeitet", deutet Red Bulls Chefdesigner Rob Marshall tiefgreifende Änderungen an: "Deshalb kommen jetzt ganze Bodywork-Pakete - also Unterboden, Motorenabdeckung, Front- und Heckflügel, potenziell neue Aufhängungen und diverse andere Kleinigkeiten."

Die Gefahr lauert im Mittelfeld

Für Sebastian Vettel und Daniel Ricciardo bedeutet das jedoch Gefahr. Wer in Spanien nicht bei der Musik ist, bekommt erst nach der Sommerpause in Belgien die nächste Chance für einen Entwicklungssprung. Holen die anderen Teams jetzt bei der Aerodynamik auf, droht ein Abrutschen im Klassement. Hinter Mercedes könnte sich die gesamte Hackordnung ändern. So hat Williams, das einzige Team im gesamten Feld, dessen Auto schneller ist als im Vorjahr, schon jetzt einen großen Schritt nach vorne für Barcelona angekündigt. Für Red Bull sind solche Sprünge durch Änderungen am Wagen kaum zu realisieren.

GP-Rechner: Jetzt den Spanien-GP und die ganze Saison durchtippen!

Schon an den ersten vier Grand-Prix-Wochenenden hatte Red Bull im Regen und in kurvigen Streckenabschnitten kaum Probleme und konnte das Tempo der Silberpfeile mitgehen, was nur mit dem exzellenten Abtrieb des RB10 zu erklären ist. Dass die Probleme beim Rennstall mit österreichischer Lizenz unter der Haube liegen, ist längst bekannt.

"Die eigentliche Schattenseite sind die fehlenden Pferdestärken der Renault-Powerunit", bestätigte Testfahrer Antonio Felix da Costa zuletzt im SPOX-Interview: "Das Auto selbst ist wirklich gut. Die Balance stimmt." Während die beiden Bullen ihre vier Hufe mit Kraft auf den Asphalt drücken, stolperte das Herz aus Frankreich auf den Geraden wild umher: Der Renault-Powerunit fehlten laut Marko 80 PS zu den überlegenen Mercedes-Hybrid-Triebwerken. Ein Zustand, der sich mittlerweile geändert haben soll.

Renault steigert endlich die Leistung

"Beim Spanien-GP bringen wir die zweite Stufe unserer Motorenevolution", kündigt Renault-Einsatzleiter Remy Taffin an. Statt neuer Teile einzubauen, denkt der französische Autobauer, endlich die Software im Griff zu haben: "Damit wird die Fahrbarkeit und die Gesamtleistung verbessert. Auch beim Thema Energie-Management und Effizienz sind wir vorwärts gekommen."

Die Franzosen stehen unter Druck. Red Bull beschäftigt sich seit Wochen öffentlich mit einem Wechsel des Lieferanten. Dass Honda seine künftige Rennzentrale ausgerechnet ebenfalls in Milton Keynes hat - sicher nur ein Zufall. Taffin versucht zu beruhigen: "Wir haben in den vergangenen drei Wochen große Fortschritte gemacht. Dieses Rennen sollte zeigen, dass der Motoren-Wettlauf viel enger ist."

Neuer Treibstoff und neues Chassis

Auch der Treibstoff soll die Werte enger zusammenrücken. Während Mercedes' Partner schon in Malaysia über die Leistungssteigerung durch den speziell entwickelten Sprit jubelte, holte Ferrari mit neuem Gemisch in Bahrain plötzlich deutlich auf. Auch Renault bekommt jetzt einen neuen Wundersprit, der neben dem Klopfen des verdichteten Turbo-Gemischs auch die Probleme mit dem Durchflussmengensensor beheben konnte. Die FIA hat mittlerweile festgestellt, dass ein Dichtungsring des Sensors durch die Benzinzusammenstellung zerstört wurde.

GP-kompakt: Referenzstrecke? Reifenmörder!

Für Vettel kommen die mannigfaltigen Änderungen nach dem verkorksten Saisonauftakt wie gerufen. "Das Ziel ist es, möglichst schnell dafür zu sorgen, dass der Stern untergeht", sagt der Champion, der sich am Wochenende vor dem Europaauftakt noch bei der Deutschen Kartmeisterschaft in Ampfing bei München ablenkte. Der 26-Jährige muss nicht mehr in seine zickende Susie einsteigen.

Red Bull tauscht sein Chassis aus. Nach der Enttäuschung in Bahrain und China bekommt Vettel wieder das aus dem Winter. Zwar soll das alte nach Aussage von Rob Marshall nicht beschädigt gewesen sein, für den ultraabergläubischen Vierfachweltmeister ist der Wechsel trotzdem eine Erleichterung: "Wir müssen alles probieren, was wir können", sagte der Heppenheimer: "Wir haben uns entschieden, zu der Version zurückzukehren, mit der ich ein gutes Gefühl hatte."

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