Mercedes-Showdown im Fürstentum

Lewis Hamilton hatte nach dem Qualifying in Monte Carlo keine Lust mit Nico Rosberg zu sprechen
© getty

Die Formel-1-Saison 2014 findet pünktlich zum Jahreshighlight ihren ersten richtigen Höhepunkt. Das Tischtuch bei Mercedes ist zerschnitten, auch wenn Motorsportdirektor Toto Wolff versucht, die Auseinandersetzung zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg herunterzuspielen. Der Engländer sieht sich in der Tradition von Ayrton Senna und schließt nicht aus, dass sein Teamkollege betrügt.

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Toto Wolff hatte nach dem Qualifying in Monte Carlo einen beschwerlichen Weg vor sich. Schon auf dem Weg zum Medientermin war der Österreicher von zahlreichen TV-Teams umringt und kam kaum vorwärts. Alle wollten ein Statement zum Parkmanöver von Nico Rosberg in der Mirabeau.

"Ich weiß, dass ihr pikante, brisante Geschichte wollt, aber das ist alles Bullshit", echauffierte sich der Österreicher: "Wir hätten gerne zwei glückliche Fahrer. Aber wenn man zwei Fahrer hat, die so konkurrenzfähig sind, ist jedes Wochenende einer glücklich und der andere unglücklich. Ich bin zu 1001 Prozent glücklich."

Qualifying: Rosberg behält die Pole

Dass Wolff Statements so gefragt waren, hatte er auch seinem anderen Spitzenpiloten zu verdanken. Lewis Hamilton hatte sich bewusst aufmüpfig gegeben. Reporterfragen beantwortete er nur äußerst knapp oder gar nicht, den obligatorischen Handschlag der Teamkollegen hatte er verweigert.

Seine schlechte Laune zeigte der WM-Führende ausgiebig. Keines Blickes würdigte er seinen Teamkollegen. Selbst auf der Pressekonferenz beschäftigte er sich lieber mit einem Handtuch neben dem Tisch, als Rosberg auch nur einen flüchtigen Blick zuzuwerfen.

Der Krieg der Sterne, den Mercedes mit aller Macht verhindern wollte, ist ausgebrochen. Zwar hielt sich Hamilton zunächst zurück, antwortete nur mürrisch und kurz angebunden. Später aber platzte es doch aus ihm heraus. "Ich hätte wissen müssen, dass das passiert", sagte Hamilton bei "BBC Radio 5 Live". Reporterin Jennie Gow fragte weiter, ob Rosberg ihn betrogen habe. "Möglich", sagte Hamilton.

Hamilton will Senna nacheifern

Ob er vor dem Rennen ein klärendes Gespräch suche? "Ich weiß nicht, ob Senna und Prost sich zusammengesetzt und es ausdiskutiert hätten. Aber ich weiß, dass ich die Art gemocht habe, wie Senna damit umgegangen ist. Ich werde mir eine Scheibe von ihm abschneiden." Treffer Mittschiffs.

Die Beziehung der damaligen McLaren-Fahrer Ayrton Senna und Alain Prost eskalierte beim San-Marino-GP 1989 wegen einer Diskussion über eine Absprache, die vor dem Rennen getroffen wurde. Noch 1989 kollidierten die beiden Teamkollegen beim Großen Preis von Japan, FIA-Präsident Jean-Marie Ballestre sprach die umstrittene Disqualifikation von Senna aus, Prost wurde Weltmeister. 1990 verunfallten sie abermals in Suzuka. Senna gab zu, den zu Ferrari gewechselten Franzosen absichtlich abgeräumt zu haben.

Jetzt heißt das Duell also Hamilton vs. Rosberg. Die Eskalation hatte sich lange angedeutet, schon beim Bahrain-GP trafen die beiden auf der Strecke aufeinander. In der Woche vor dem Saisonhighlight an der Cote d'Azur machte Hamilton psychisch Druck und erklärte, er sei heißer auf den Sieg. Der Grund: die unterschiedliche Herkunft.

"Ich habe auf der Couch in dem Apartment meines Vaters gelebt", führte Hamilton auf der offiziellen Formel-1-Website aus: "Und Nico ist in Monaco mit Jets und Hotels und Boten und all diesen Dingen aufgewachsen. Der Hunger ist verschieden."

Dass Hamilton mit unfairen Mitteln wie Senna zurückschlägt, scheint ausgeschlossen. Er will als Racer bekannt sein, er zollt Rosberg Respekt, allerdings gönnt er ihm keine Punkte. "Erster werden, Fernando wird Zweiter und Sebastian Dritter", war sein Wunschergebnis vor dem Monte-Carlo-Wochenende.

Hamilton vergleicht Rosberg mit Schumacher

Dieser Wunsch hat sich durch das Qualifying sicher nicht geändert. Hamilton packte laut spanischen Medien sogar den Vorwurf des Betrugs aus. "Was heute mit Rosberg passiert ist, war das Gleiche, was bei Schumacher vor ein paar Jahren war", machte Hamilton seinem Ärger Luft und spielte auf die Rascasse-Affäre an.

2006 hatte Schumi seinen Ferrari in der letzten Kurve geparkt, um eine Gelbphase auszulösen. Keke Rosberg nannte den Rekordweltmeister "Drecksack", die Rennleitung versetzte Schumacher nach achtstündiger Beratung wegen grober Unsportlichkeit auf den letzten Startplatz.

Monaco-GP kompakt: Driften strengstens verboten!

"Alles Blödsinn. Intern ist das alles anders, als es von außen hochgekocht wird. Es ist alles diskutiert", sagte Häuptling Wolff: "Im Affekt gab es eine Missstimmung, weil der eine Erster war und der andere Zweiter. Da kommt natürlich eine Missstimmung auf. Das bezieht sich auf die Performance und auf nichts anderes. Langweilig, aber so ist es nun einmal"

Wenn einer dem anderen Betrug vorwirft, dann kann von Freundschaft und kleiner Missstimmung allerdings kaum mehr die Rede sein. Bis zum Freispruch gab es knapp drei Stunden lang kein anderes Thema im Paddock. Selbst unter Ex-Fahrern wurde das Thema heiß diskutiert.

Coulthard: "Nico war einfach cleverer"

"Lewis hat mit den Psychospielchen begonnen. Dies war Nicos Antwort", sagte Alexander Wurz. "Nico war einfach cleverer, weil er früh eine Zeit gesetzt hat und damit im Vorteil war", lobte David Coulthard.

Rosberg bemühte sich derweil um Entspannung und betonte bei jeder Gelegenheit, er habe sich anschließend bei Hamilton entschuldigt. Während der Engländer dauerhaft Attacke fuhr, gab der Deutsche sich durchgehend diplomatisch. Die wandelnde Pressemappe der Mercedes-Kommunikationsarbeit wollte nicht zusätzliches Öl ins Feuer gießen.

Schon die erste Kurve Sainte-Devote bietet beste Chancen auf einen spektakulären Crash. Erinnerungen ans letzte Jahr werden wach. Auch 2013 stand Rosberg auf Pole, auch damals startete Hamilton als Zweiter. Der Engländer zog in der ersten Kurve Turn 1 zurück, nachdem Rosberg einen schlechten Start erwischt hatte.

Button: "Lewis spielt keine Psychospielchen"

Ein übermotivierter, sich betrogen fühlender Hamilton wäre an diesem Sonntag hinderlich. "Morgen gibt es keinen Crash", gab Wolff seinen Fahrern einen eindeutigen Auftrag mit auf den Weg. "Lewis ist ein ehrlicher Fahrer. Er ist schnell, Weltmeister und ein sehr ehrlicher Mensch. Ich denke nicht, dass er Psychospielchen spielen würde. Seine Stärke ist seine Geschwindigkeit", erklärte Ex-McLaren-Kollege Button.

Überholen ist in Monaco aber nahezu unmöglich, gerade bei zwei gleichen Autos. Zwei Meter bringt das DRS auf der Zielgerade, zu wenig für ein faires Überholmanöver ohne Brechstange. Die Lösung könnte neben einem Blitzstart, der Hoffnung auf den wahrscheinlichen Regen und eine Safety-Car-Phase eine alternative Strategie sein.

Zwar ist ein Stopp um Runde 30 rechnerisch klar die bessere Variante, weil der Reifenverschleiß in Monte Carlo extrem gering ist. Erwischt Hamilton aber zwei Mal das richtige Fenster und kann auf Supersofts die langsameren Autos überholen, könnte er mit zwei Reifenwechseln seinen Teamkollegen per Taktik-Krimi einholen. "Ich werde Druck machen", kündigte er in einem seiner kurzen Statements auf der Pressekonferenz an.

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