Vettel muss nur nach hinten schauen

Sebastian Vettel startet in Motnreal von Platz drei - hält er ihn bis zum Ziel?
© getty

Das Rennen zum Großen Preis von Kanada (20 Uhr im LIVE-TICKER) wird für Sebastian Vettel zur Abwehrschlacht. Die Mercedes von Polesetter Nico Rosberg und Lewis Hamilton sind für Red Bull wohl außer Reichweite. Doch hinter dem Weltmeister lauern mit den Williams pfeilschnelle Verfolger, die mehr Leistung haben.

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Dass der Circuit Gilles Villeneuve vor allem Motorleistung fordert, ist kein Geheimnis. Es ist also kein Wunder, dass vier der ersten fünf Autos in der Startaufstellung einen Mercedes-Antrieb im Heck haben. Nur Sebastian Vettel gelang es, die Phalanx der Stuttgarter zu stören.

"Mit dem dritten Platz für morgen ist alles drin", sagte der 26-jährige Vierfachweltmeister deshalb nach besten Qualifying seit dem Malaysia-GP in März höchst zufrieden: "Die Mercedes sind ein bisschen weiter weg, aber morgen kann alles passieren. Regen ist zwar keiner gemeldet, trotzdem freue ich mich auf das Rennen. Ich denke, dass wir dann vielleicht ein bisschen besser zu Recht kommen. Der Rest wird sich zeigen."

Nach Wochen und Monaten, in denen der Heppenheimer von technischen Problemen gebremst wurde, ist er endlich wieder konkurrenzfähig - oder besser sein Auto. "Er ist absolut zurück, was gut für ihn ist", bekannte Mercedes-Aufsichtsratschef Niki Lauda und nahm ihm die Hoffnungen: "Der Abstand zu Mercerdes ist relativ groß. Im Rennen wird er nicht so schnell fahren können."

Marko: "Dann fahren sie unweigerlich an uns vorbei"

Stattdessen gibt es ein Ziel für den Weltmeister: Platz drei halten. Vettel muss von Beginn an Vollgas geben, sonst hat er kaum eine Chance aufs Podest, zu schnell sind die Williams. "Das wird für uns eine große Herausforderung, auf den ersten zwei Runden vor denen zu bleiben", bestätigte Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko: "Die haben die größten Höchstgeschwindigkeit von allen Autos hier. Wenn wir die im Windschatten haben, fahren sie unweigerlich an uns vorbei."

Für Vettel geht es darum, die supersoften Slicks binnen der ersten beiden Runden an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit zu bringen. Gibt die Rennleitung DRS frei und der Rückstand von Valtteri Bottas oder Felipe Massa beträgt weniger als eine Sekunde, können die Williams den Mercedes-Vorteil ausspielen.

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Schon am Freitag waren Massa und Bottas die Schnellsten bei den Volltanktests. Wie viel Benzin sie dabei an Bord hatten, ist natürlich das Geheimnis des Teams. Trotzdem waren sie eine ganze Sekunde pro Runde schneller als Vettel. "Ich denke, wir können die Red Bull morgen herausfordern", gab sich Bottas deshalb zuversichtlich.

Williams will endlich wieder den Sprung aufs Podium schaffen. Seit dem überraschenden Sieg von Pastor Maldonado beim Spanien-GP 2012 gelang am Sonntag nur dreimal der Sprung unter die besten Fünf. Die Durststrecke für den Traditionsrennstall könnte jetzt enden, nachdem besonders zu Saisonbeginn das Pech mehrmals einen Strich durch die Rechnung machte.

Trickst Massa die anderen Teams aus?

"Ich habe gestern mit den Jungs zusammengesessen und gesagt: 'Eure beiden Aufgaben als Ingenieure sind Reifenaufwärmen...' und das andere werdet ihr im Rennen herausfinden", gab sich Massa nach dem Qualifying kryptisch. Hat er einen Trick auf Lager?

Auffällig war, wie gut der Brasilianer auf den supersoften Slicks zurechtkam. Im 3. Freien Training war er schneller als Nico Rosberg und platzierte sich als Zweiter. Erst gegen Ende von Q2 kam das Mercedes-Werksteam mit den schnelleren Reifen richtig zurecht.

Massa könnte das Rennen zu einem Strategiepoker verwandeln. Mit den Pirelli-Slicks ist eine Ein- oder Zweistoppstrategie möglich. Im bisherigen Saisonverlauf waren die Williams ähnlich wie der Force India von Nico Hülkenberg im Rennen stets stärker als im Qualifying, weil der FW36 die Reifen nicht schnell genug aufwärmte.

Legt Massa zwei Stints mit den supersoften Slicks hin, könnte er auch in der Box die Grundlage für ein Topresultat legen. Dabei kommt dem 33-Jährigen das Streckenlayout entgegen: Die Boxengasse liegt auf der linken Seite der Start-Ziel-Geraden. Dadurch müssen die Piloten weder durch die Schikane mit der Wall-of Champions noch durch Turn 1. Sie verlieren also weniger Zeit als auf anderen Kursen.

Spritverbrauch extrem hoch

Dass die Silberpfeile abfangbar sind, erscheint dennoch unwahrscheinlich, "Wenn Mercedes ohne Probleme durchfährt, wenn sie beim Sprit nicht ans Limit gehen müssen, wird es schwierig", sagt Vettel und spielt damit darauf an, dass Montreal eine der Strecken mit dem höchsten Benzinverbrauch im Formel-1-Kalender ist: "Unsere Hoffnung ist, dass die zwei sich vorne bekriegen und wir dann in einer guten Position sind."

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Allerdings gibt es noch ein anderes Detail, auf das die Verfolger hoffen können. Hamilton und Rosberg haben eine Schwachstelle, die Bottas in Monaco die Punkte kostete. Der Motor des Finnen streikte, weil ein Teil der Energierückgewinnung, die MGU-K, eine Schwachstelle hatte. Mercedes verbesserte das Teil anschließend bei allen neuen Antriebseinheiten.

Das Werksteam fährt in Kanada aber noch mit der alten Version, um Teile für den weiteren Saisonverlauf zu sparen. Dass das Teil eine echte Achillesferse ist, zeigte Sergio Perez. Hülkenbergs Teamkollege bei Force India hatte am Freitag ein technisches Problem: die alte Version der MGU-K.

Hamilton: "Wir wollen Geschichte schreiben"

Bleiben die Werks-Mercedes von technischen Problemen verschont und räumen sich Hamilton und Rosberg nicht gegenseitig ab, steht einem weiteren Doppelsieg nichts im Weg. Es wäre der sechste in Folge, das schaffte bisher kein einziger Hersteller in der Geschichte der Formel 1.

"Wir wollen am Sonntag Geschichte schreiben", gab sich Hamilton selbstbewusst: "Ich rechne mit einem engen Kampf." Den erwartet auch Rosberg. Allerdings mit dem besseren Ende für sich. "Es gibt hier nicht viele Möglichkeiten zum Überholen - erst recht, wenn man im gleichen Auto sitzt."

Während sich die beiden Piloten also nur auf einen Kampf gegen den eigenen Teamkollegen vorbereiten, ist Motorsportdirektor Toto Wolff wesentlich vorsichtiger: "Es scheint so, als ob uns die anderen Teams das Leben morgen schwer machen können. Uns steht kein einfaches Rennen bevor." Erst recht, wenn sich die eigenen Piloten an der Spitze bekriegen.

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