Von Fans gehasst, von der F1 vergöttert

Sebastian Vettel siegte in Singapur mit 32,627 Sekunden Vorsprung auf Fernando Alonso
© getty

Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel erntete nach seinem Sieg beim Großen Preis von Singapur am Sonntag zum wiederholten Mal Buhrufe und Pfiffe von den Fans. Was der Red-Bull-Pilot aus Heppenheim mit einem Scherz abtat, stößt anderen sauer auf.

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Martin Brundle wirkte verstört. Gerade hatte Vettel überlegen mit 32,627 Sekunden Vorsprung das Rennen auf dem Marina-Bay-Street-Circuit gewonnen und beantwortete gutgelaunt die Fragen des ehemaligen F1-Fahrers, da buhten die Fans. "Die machen eine Tour. Die reisen mit dem Bus oder so", scherzte der deutsche WM-Führende, nachdem Brundle die Zuschauer für ihre Respektlosigkeit gerügt hatte.

Singapur-GP: Vettel setzt seine Serie fort

Vettels Witz offenbart auf der einen Seite die Souveränität, die er auch außerhalb des Cockpits hat. Auf der anderen Seite spielte er mit seinem Scherz aber auf die sich mittlerweile oft wiederholenden Missfallenskundgebungen des Streckenpublikums an.

Red Bull ist mittlerweile angefressen. "Der Junge ist heute ein unglaubliches Rennen gefahren", verteidigte Teamchef Christian Horner seinen Fahrer: "Sie sind heute Zeuge eines der besten Rennen in Bezug auf die rohe Pace geworden, die ich von ihm gesehen habe. Und ich finde es unsportlich, dass ein Fahrer nicht die Zustimmung bekommt, die er nach so einer Leistung verdient."

Dritter "Grand Slam" der Karriere

Der Weltmeister gewann in Singapur nicht nur sein siebtes Saisonrennen, er holte sich auch zum dritten Mal in seiner Karriere den "Grand Slam" der Formel 1: Pole-Position, Start-Ziel-Sieg, schnellste Rennrunde. Es war der 33. Sieg seiner F1-Laufbahn, womit der Heppenheimer Vizeweltmeister Fernando Alonso überholt hat. Seit diesem Wochenende ist Vettel zudem der einzige Fahrer im Feld, der 2013 noch kein einziges Qualifying-Duell gegen seinen Teamkollegen verloren hat.

"Sie waren am ganzen Wochenende zu schnell. Wir können ihnen für das fantastische Wochenende nur gratulieren und beim nächsten Mal versuchen, es besser zu machen", gab sogar Alonso zu, der den zweiten Platz in Singapur wie einen Sieg feiert: "Wir wussten, dass wir heute nicht die Pace hatten, also mussten wir uns etwas ausdenken. Die erste Möglichkeit war der Start, dann die unterschiedliche Strategie als die der anderen."

Das Ergebnis des Rennens in der Übersicht

Selbst der sonst ruhige Brundle konnte angesichts der Daten auch nach seinem Interview auf dem Podest nicht begreifen, warum die Fans immer wieder negativ auf Vettel-Siege reagieren. "Das ist einfach nicht richtig, die Buh-Rufe sind zum Selbstläufer geworden. Es passt überhaupt nicht zur Leistung, die Vettel heute gezeigt hat. Er ist einfach wunderbar gefahren", erklärte der 54-Jährige.

"Die Buh-Rufe sind total daneben"

Dass die Fans die Erfolge des designierten Vierfachweltmeisters nicht anerkennen, stört unterdessen auch Mercedes-Aufsichtsratschef Niki Lauda. "Das ist lächerlich, die Leute da draußen wissen nicht, was Red Bull Racing leistet", stutzte der Österreicher aus der Ferne die Meckernden zurecht: "Man muss respektieren, was Vettel da leistet, die Buh-Rufe sind total daneben."

Selbst die Führungsriege der Dauerkonkurrenten in Rot versucht nicht, den Gegner schlecht zu machen. Sie respektiert die Dominanz von Red Bull, auch wenn Vettel den ersehnten Sieg beim Heimrennen wegschnappte. "Es wäre vielleicht noch besser gewesen, wenn es weniger Buhs für Vettel gegeben hätte", erklärte Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo nach dem zweiten Platz von Fernando Alonso in Monza.

"Solange sie buhen, machen wir einen guten Job"

Dagegen lässt sich allein Vettel nicht stören. "Es ist nicht schön, aber ich denke, man sollte hinter die Tribünen blicken. Die meisten Fans sind in Rot gekleidet, Ferrari hat eine starke Fangemeinde und dafür gibt es einen Grund: Sie haben viel Tradition in der Formel", sagte der Dreifachweltmeister: "Solange sie buhen, machen wir einen guten Job, so sehe ich das. Es sind nicht die Leute aus Singapur oder aus einem einzelnen Land."

Der 26-Jährige hat eine andere Arbeitseinstellung als Erfolgsgeheimnis ausgemacht: "Wenn die anderen nach Hause gehen und sich die Eier in den Pool hängen, dann sind wir noch da und tüfteln weiter am Auto. Wir versuchen, noch mehr herauszuquetschen. So etwas macht über das Wochenende und über das Jahr gesehen den Unterschied."

"Wir sollten die Virtuosität feiern"

Ähnlich sieht Brundle die Situation. "Vielleicht ist mit den Buh-Rufen auch nicht die Person, sondern die Dominanz von Vettel gemeint", tippte der Engländer: "Aber ich finde, wir sollten diese Virtuosität feiern und nicht kritisieren." Selbst die Ausrede, dass die zahlende Zuschauerschaft die Alleinfahrten des Deutschen langweilen, lässt der Engländer nicht gelten: "Viele Leute bezahlen einen ganzen Haufen von Geld, um hier Exzellenz zu erleben. Und Vettel bietet sie."

Das bewies der Heppenheimer sowohl zu Beginn des Rennens als auch nach der Safety-Car-Phase, als er seine Führung binnen einer Runde in ein komfortables Polster verwandelte, während sein Teamkollege Mark Webber im Verkehr steckte. "Wenn ich könnte, würde ich Vettel heute für dieses Rennen allein schon den Titel verleihen, so gut fuhr er", adelte Dreifachweltmeister Lauda den WM-Führenden.

Mittlerweile hat Vettel gute Chancen, die Größten des Sports irgendwann einzuholen. Doch dass Roger Federer, Muhammad Ali, oder andere Stars nach ihren Siegen ausgebuht worden wären, erscheint unvorstellbar. "Ich werde nichts an mir ändern, denn so ist es doch immer: Einige finden gut, was wir machen, andere weniger", betonte Vettel.

Dass er so cool ist, wie er sich aktuell gibt, glaubt der Red-Bull-Teamchef aber nicht. "Er ist ein großartiger Junge, hat einen großartigen Sinn für Humor", sagte Horner: "Natürlich sagt er, dass es ihn nicht beeinflusst. Aber am Ende des Tages ist auch er nur ein Mensch. Er hat breite Schultern, aber wie jeder andere hat er Gefühle und ich glaube nicht, dass es richtig ist."