Silberne Erlösung mit kleinem Beigeschmack

SID
30 Jahre nach seinem Vater Keke Rosberg siegte der Sohnemann an gleicher Stelle
© getty

30 Jahre nach dem Formel-1-Sieg von Keke Rosberg beim Großen Preis von Monaco 1983 hat dessen Sohn Nico Rosberg mit seiner souveränen Triumphfahrt an gleicher Stelle den frustrierenden Saisonstart von Mercedes korrigiert. Trotzdem ist das Rennergebnis noch nicht offiziell. Der Reifentest mit Pirelli in Monaco wirft ein zwielichtiges Bild auf die Silberpfeile.

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Im vierten Anlauf hat es Mercedes in diesem Jahr endlich geschafft, eine Pole-Position in einen Grand-Prix-Sieg zu verwandeln. Dreimal in Folge stand Nico Rosberg zuletzt auf Startplatz eins, in China hatte Teamkollege sich Lewis Hamilton im Qualifying die beste Ausgangsposition gesichert. Im Rennen aber wiederholte sich immer dieselbe Geschichte: Der Mercedes W04 überbeanspruchte die Reifen, Hamilton und Rosberg fielen zurück.

Monaco bietet für ein solches Fiasko jedoch keine Gelegenheit. Die Autos fahren mit deutlich weniger Benzin, weil die Renndistanz wegen der geringen Durchschnittsgeschwindigkeit über 40 Kilometer kürzer ist als bei den übrigen Grands Prix. "Klar war das auch streckenspezifisch", bestätigte Mercedes-Motorsportdirektor Toto Wolff bei "RTL" nach dem Rennen: "Wir wussten, dass uns diese Strecke sehr entgegenkommt."

Rosberg bleibt locker

Durch die geringe Straßenbreite und die kurzen Geraden ist Überholen im Rennen nur schwer möglich. "Ich konnte es locker angehen und früh das Tempo bestimmen und Reifen schonen", erklärte später der Souverän des Rennens, Nico Rosberg: "Vor zwei Wochen hatten wir im Rennen 70 Sekunden Rückstand."

Das gesamte Ergebnis in der Übersicht

Von übermäßigem Reifenabbau war nichts in Monaco mehr zu bemerken. Red Bull hatte Weltmeister Sebastian Vettel schon früh informiert, dass sein führender Landsmann beim sechsten Saisonrennen nicht wie gewohnt zurückfallen wird. Der Heppenheimer hielt daraufhin seinen zweiten Platz und konnte den Vorsprung in der Fahrer-WM deutlich ausbauen, weil die ärgsten Rivalen Kimi Räikkönen und Fernando Alonso strauchelten.

Rosberg: "Das ist ein Kindheitstraum"

Dass der Kampf um die Weltmeisterschaft am Sonntag niemanden interessierte, kümmerte Nico Rosberg ob seiner beeindruckenden persönlichen Leistung nicht. Für ihn war der zweite Sieg seiner Formel-1-Karriere eine Erlösung. "Das ist ein Kindheitstraum. Als ich noch jung war, habe ich mir das Rennen immer angesehen. Dieser Sieg bedeutet mir mehr als alles andere", freute sich der 27-Jährige, der seit seiner Jugend im Fürstentum lebt.

Dabei ist der Zeitpunkt wohl fast so wichtig wie der Sieg selbst. Nachdem Lewis Hamilton in dieser Saison zu den Stuttgartern stieß, erwarteten einige Experten, dass der Weltmeister von 2008 den Deutschen in Grund und Boden fahren würde.

Stattdessen überzeugt Rosberg nach einem schwierigen Saisonstart, weil er das Maximum aus dem problematischen Auto herausholt. "Es ist wirklich fantastisch zu sehen, wie sehr wir uns in kurzer Zeit verbessert haben", lobte Rosberg die Truppe aus Brackley: "Hier und da kleine Verbesserungen und eine Strecke, dieuns lag, haben ausgereicht."

Fader Beigeschmack durch Reifentest

Allerdings bleibt genau wegen der Verbesserungen ein fader Beigeschmack am Siegerpokal haften. Nach dem Debakel beim Großen Preis von Spanien hatte Mercedes für Pirelli neue Reifen getestet. Ein Vorteil? "Das musst du Pirelli fragen. Ich werde das nicht kommentieren", sagte Rosberg. Während er und sein Team auf Wolke sieben schwebten, waren die Hälse der Konkurrenz bis aufs Äußerste angeschwollen.

Zwar ging selbst Ferrari nicht davon aus, dassdie Silberpfeile sich durch die 1000 zusätzlichen Kilometer auf der Aerodynamik-Referenzstrecke nahe Barcelona einen Vorteil für Monaco erarbeiten konnten. Die Zeit zwischen den Grands Prix war zu kurz, um entscheidende Änderungen am Auto vorzunehmen. Die Entscheidung, den aktuellen Mercedes W04 für den Test einzusetzen ist jedoch allemal irritierend, weil das strikte Testverbot mit aktuellen Autos nicht eingehalten wurde.

Marko: "Das ist eine Farce"

Der Einspruch von Red Bull und Ferrari wurde von den Stewards in Monaco jedoch an die FIA weitergegeben. Eine Entscheidung schien vor Ort zu schwierig, weil nicht alle Informationen vorlagen. "Wenn es in Ordnung ist, haben wir von Ferrari damit kein Problem. Wir wollen nur Klarheit haben und das ist der einzige Weg, um diese zu bekommen", erklärte Teamchef Stefano Domenicali.

Beim Rennstall von Sebastian Vettel kochen unterdessen die Emotionen hoch. "Das ist eine Farce", polterte Motorsportberater Helmut Marko bei "Sky" sichtlich verärgert: "Wenn wir drei Tage testen, sind wir eine Sekunde schneller." Red Bulls Teamchef wurde gegenüber "Spiegel Online" sogar noch deutlicher. "Das ist Wettbewerbsverzerrung", sagte Christian Horner: "Mercedes hat sich so einen illegalen Vorteil verschafft." Dass ein Team heimlich und bewusst Reifen testet, die für die diesjährige Weltmeisterschaft designt sind, widerspreche dem sportlichen Reglement.

Dabei geht es allerdings nicht nur um die Erfahrung mit den neukonstruierten Reifen für den Großen Preis von Kanada. Die 35 verschiedenen Spezifikationen waren allesamt unmarkiert, das Verständnis des Mercedes-Teams bezüglich der aktuellen Gummis hat sich deshalb nicht wesentlich gesteigert - das des eigenen Autos dagegen hundertprozentig. Nico Rosberg und Lewis Hamilton legten insgesamt dreieindrittel Renndistanzen zurück und konnten dabei das Setup und die Konstruktion des eigenen Autos überprüfen.

FIA-Vorgaben eingehalten?

Bei der Anfang Mai erfolgten Anfrage, ob ein Test mit dem aktuellen Auto überhaupt möglich sei, hatte der Automobilweltverband FIA gegenüber Pirelli und Mercedes kein Veto eingelegt. Allerdings sollte allen Teams das Angebot gemacht werden, damit sportliche Gleichbehandlung herrscht. "Es gab keine offizielle Anfrage", echauffierte sich Red Bulls Helmut Marko: "Ein Ingenieur wurde mal beiläufig gefragt, was er dazu meint. Das war's."

Auch Pirelli kommt bei der Frage nach den durch dieFIA gestellten Bedingungen ins Stocken. "Hätten wir die anderen Teams vorher informiert, hätte der Test womöglich nicht stattfinden können", sagte Motorsportdirektor Paul Hembery: "Die anderen Teams hätten sich schon im Vorfeld dagegen gewehrt." Weitere Informationen an den Weltverband habe es jedenfalls nicht gegeben, bestätigte die FIA am Sonntag.

Sollten die Silberpfeile bei den nächsten Rennen könnte Mercedes abermals von den Erkenntnissen aus Barcelona profitieren, werden die übrigen Top-Teams ihre Kritik erneuern. Beeindrucken die Silberpfeile auch in Kanada mit größerer Konstanz, ist die nächste Aufregung programmiert. Für Niki Lauda steht die richtige Deutung derweil schon fest: "Die anderen haben es verschlafen."

Der WM-Stand in der Fahrerwertung