Ein Rookie schlägt Sebastian Vettel

Von Alexander Maack
Sebastian Vettel muss sich bei der Bewertung der Fahrerleistung Jules Bianchi geschlagen geben
© imago

Auch in der Formel-1-Saison 2013 bewertet SPOX-Redakteur Alexander Maack nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen der Piloten und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 1: Australien-GP.

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Der siegreiche Finne ist auch im Driver-Ranking nicht zu schlagen. Kimi Räikkönen hielt als einziger der zwölf Erstplatzierten mit zwei Boxenstopps bis zur Überquerung der Ziellinie durch und wurde deshalb zu Recht mit 25 Punkten belohnt. Doch auch andere überzeugten: Aus seinem zwölften Startplatz holte Adrian Sutil das bestmögliche Ergebnis heraus. Jules Bianchi fuhr sogar stärker als Sebastian Vettel. Und Fernando Alonsos Rennpace war wie gewohnt überragend.

Zählt man die persönlichen Bestzeiten der Piloten auf einer Runde aus allen Trainings- und Quali-Sessions, sowie dem Rennen zusammen, belegt Alonso sogar mit hauchdünnem Vorsprung vor Felipe Massa Platz eins des gesamten F1-Feldes. Die Spielerei ist aber nichtig. Im Motorsport zählt immer noch die Performance im entscheidenden Rennen. Ein gutes Ergebnis im Qualifying kann zwar die Grundlage dafür sein, aber nicht als Hauptkriterium für die Bewertung der Fahrer herhalten.

Meine Wertung für den Australien-GP:

Platz 1, Kimi Räikkönen: Die Überraschung bleibt aus. Der Iceman übernimmt nach dem Saisonauftakt die Führung im Driver-Ranking. Eine andere Wahl wäre kaum möglich gewesen. Räikkönen fuhr bärenstark und ging bei seinen Überholmanövern wie gewohnt kein unnötiges Risiko ein. In Melbourne hatte er zudem Glück, dass er nie lange hinter einem langsameren Auto fest hing und so die Stärke des neuen Lotus E21 ausspielen konnte. Abzüge in der B-Note gibt es trotzdem. Der siebte Platz im Qualifying war für den Finnen deutlich zu wenig.

Platz 2, Adrian Sutil: "Expect the unexpected". Der Starnberger hat seine Kritiker beim Comeback nach 477-tägiger Auszeit Lügen gestraft. Starker Freitag, etwas Pech im Qualifying aber durch die richtige Reifenwahl plötzlich in Führung. Sutil führte zum ersten Mal in seiner Karriere das Fahrerfeld an, verteidigte sich 14 Runden lang gegen seine Verfolger und zeigte gegen Vettel und beide Ferrari, dass man auch im Force India aufs Podium fahren kann. Fast hätte es zu Platz eins gereicht, der letzte Stint auf den Supersofts und Startplatz zwölf schmälern die Leistung minimal.

Platz 3, Fernando Alonso: Der Vizeweltmeister hat seine Ziele umgesetzt. Dass der Ferrari nicht das schnellste Auto ist, hatte er angekündigt. Doch nach der durchwachsenen Qualifikation arbeitete sich Alonso im Rennen mit einem fulminanten Start von Platz fünf auf drei. Dass er Massa nicht überholte - geschenkt. Alonso blieb geduldig und wurde belohnt. Highlight des Rennens: Als Hamilton auf Biegen und Brechen vor dem Spanier bleiben sollte und wollte, verpasste der Brite den Bremspunkt deutlich. Alonso ließ die Tür offen und wartete, verhinderte so einen Unfall. Klasse.

Platz 4, Jules Bianchi: Was? Ein Rookie schrammt haarscharf am Podium vorbei? Ein Marussia landet vor beiden Red Bull? Ja, verdammt! Der 23-jährige Franzose überzeugte an diesem Wochenende. Nach neun Freitagseinsätzen in der letzten Saison bewies Bianchi beim GP-Debüt eindrucksvoll sein Talent: Teamkollege Max Chilton deklassiert. Die Hinterbänkler-Teams souverän angeführt. Noch bedeutender: Bianchi fuhr im Lada Niva der Formel 1 die elftschnellste Rennrunde. Er war damit 0,045 Sekunden langsamer als der aktuelle Weltmeister aus Heppenheim. Wer dem Franzosen jetzt noch vorwirft, er würde nur wegen seiner Ferrari-Beziehungen mitfahren, darf sich eine neue Sportart suchen.

Platz 5, Sebastian Vettel: Fast eine halbe Sekunde nahm der Heppenheimer seinem eigenen Teamkollegen Webber im Qualifying ab. Fast sieben Zehntel betrug der Vorsprung auf den Dritten Lewis Hamilton. Auch in den Trainingssessions war Vettel schnell. Im Rennen hatte der Dreifachweltmeister deutliche Probleme, die er wohl auch selbst verursachte. Vettel verlangte den Slicks zu viel ab. Sein Reifenverschleiß war höher als der von Webber. Besser als Platz fünf war er an diesem Wochenende deshalb nicht.

Platz 6, Lewis Hamilton: Nachdem in der vergangenen Woche sein neuer Hund Roscoe fast mehr Aufmerksamkeit erregte als der Mercedes-Neuzugang, machte Hamilton dem Gossip mit einer respektablen Vorstellung in Melbourne ein Ende. Der Vorsprung von sieben Zehnteln im Qualifying auf Teamkollege Rosberg war ein Ausrufezeichen. Den fünften Platz im Rennen hätte Hamilton nach eigener Aussage nicht erwartet. Warum sein Renningenieur Peter Bonnington ihn anwies, unbedingt vor Alonso zu bleiben, darf hinterfragt werden. Hätte Hamilton seine Reifen geschont, wäre vielleicht die Zwei-Stopp-Strategie aufgegangen. So drängte ihn die Anweisung zu einem Fehler, durch den der Brite sich umgehend neue Slicks abholen musste.

Platz 7, Felipe Massa: Starker Auftritt im Qualifying, respektable Leistung im Rennen. Dennoch kann Massa leider mit seinem Ferrari-Partner Alonso nicht mithalten. Dem Brasilianer fehlten die herausragenden Momente. Seine Durchschnittsgeschwindigkeit lag am ganzen Wochenende eigentlich hinter der des Vizeweltmeisters zurück. Erfreulich für den Brasilianer: Er darf wohl am Anfang der Saison frei fahren. In Runde zwei hielt er Alonso hinter sich, als der Spanier zum Überholversuch ansetzte und schon vorbei schien. Als sein Renningenieur Rob Smedley ihn anschrie, er habe freie Fahrt, sollte Massa Vorsprung herausfahren. Es ging nicht. Der späte Stopp kostete Massa eine bessere Platzierung. Hier wäre ein wenig mehr Kommunikation und eine Abänderung der Strategie angebracht gewesen.

Platz 8, Paul di Resta: Die Quali hatte der Schotte noch eindeutig für sich entschieden. 1,2 Sekunden hatte er Teamkollege Sutil in Q2 abgenommen, wenn man die beiden schnellsten Runden im teaminternen Duell vergleicht. Im Rennen wählte er die Drei-Stopp-Strategie und hätte gegen Ende fast Sutil überholt. Di Resta fühlte sich "bestohlen", weil er Sutil in der letzten Runde nicht mehr attackieren durfte. Die Leistung war gut, der Funkspruch des Teams verständlich. Die Aufregung bei einem Crash wäre riesig gewesen. Insgesamt hat der 26-jährige Schotte aber noch ordentlich Luft nach oben. Am Freitag schmiss er sein Auto weg, als er beim Bremsen mit dem rechten Hinterrad aufs Gras kam, im Rennen hätte er sich beim Webber-Überholmanöver etwas geschickter anstellen können.

Platz 9, Mark Webber: Warum der Australier nach dem katastrophalen Start, bei dem er von Rang zwei auf sieben zurückfiel überhaupt Punkte bekommt? Er konnte wenig dafür. Eine bessere Leistung wurde durch technische Probleme verhindert. Vor dem Start streikte die Telemetrie, was zu durchdrehenden Rädern führte, später machte KERS Probleme. Nachdem Red Bull die Computersysteme neugestartet hatte, lief Webber plötzlich heiß. Selbst Helmut Marko gab anschließend zu: "Mark hat die Reifen über weite Strecken besser geschont als Vettel." Aus dem Munde des erklärten Webber-Gegners schon fast ein Kniefall. Ordentliche Vorstellung des Australiers beim Heimspiel.

Platz 10, Jenson Button: Viermal hatte Button in den letzten fünf Jahren im Albert Park gewonnen. 2013 hatte er keine Chance. Der McLaren ist wohl die größte Enttäuschung des Saisonauftakts. Die Bestzeit zum Auftakt der Wintertests resultierte aus einem falsch eingebauten Teil. Button und Perez kämpfen mit einem aktuell nicht konkurrenzfähigen Auto. Sobald sich die Fähigkeit des Piloten auswirkt, ist der Brite jedoch auf der Höhe. Beweis: Das Qualifying am Sonntag. Während Perez wie vom Team gewünscht mit Slicks seine Runden drehte, holte sich Button wieder Intermediates und bretterte damit immerhin in die Top Ten. Viel mehr war dann auch im Rennen nicht drin. Immerhin überschritt der Engländer mit dem neunten Platz die Marke von 1.000 WM-Punkten um einen Zähler. Das schafften bisher nur Alonso, Vettel und Michael Schumacher.

Härtefall, Nico Rosberg: Sonntag war ein gebrauchter Tag für den Mercedes-Piloten. Beim Qualifying konnte Rosberg seine starke Form des Vortags nicht bestätigen. Im Rennen hielt er lange ordentlich mit, führte eine Runde lang und hätte durch eine mögliche Zwei-Stopp-Strategie weiter nach vorne gespült werden können. Dann streikte die Elektronik und Rosberg musste das Auto abstellen. So reicht es knapp nicht für die Top Ten. Für mich nicht klar ist, ob Rosberg mit den Reifen lange genug ausgehalten hätte.

Untauglich, Pastor Maldonado: Statt sich auf der Strecke auszuzeichnen, betätigte sich der Venezolaner zum Saisonauftakt als Rasenmäher und Baggerfahrer. Auf zahlreiche Ausritte folgte die Kritik am Team. Das Auto sei unfahrbar. Klar, sein neuer Teamkollege Valtteri Bottas hatte auch zu kämpfen. Aber immerhin hielt der Finne das Auto unter Kontrolle und meckerte nach eigenen Fehlern nicht über das Team.

Meine Punkte für das Melbourne-Wochenende:

Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM