Abrechnung mit den Verkehrsrowdys

SID
Romain Grosjean löste in Spa einen Massencrash am Start aus
© Getty

Auch in der Formel-1-Saison 2012 bewertet SPOX-Redakteur Alexander Mey nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen der Piloten und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 12: Der Belgien-GP.

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Spa hat einen sportlich wiedergeborenen Jenson Button gesehen, einen tollen Racer Sebastian Vettel und einen Michael Schumacher, der bei seinem Jubiläum wieder mal durch Kampfgeist geglänzt hat. Über allem stand aber der Blackout von Romain Grosjean, der den Startcrash ausgelöst hat. Und nicht zu vergessen: Auch Pastor Maldonado hat mal wieder zugeschlagen.

Meine Wertung für den Belgien-GP:

Platz 1, Jenson Button: Ein rundum tolles Wochenende. Button hat die Sommerpause augenscheinlich sehr gut getan. Er hat seinen Aufwärtstrend seit den Updates am Auto in Hockenheim nicht nur fortgesetzt, er hat nahezu einen Quantensprung hingelegt. Er hat erst zum zweiten Mal in dieser Saison Hamilton im Qualifying geschlagen und im Rennen seine gewohnten Stärken Konstanz und Reifenschonung ausgespielt. Und er hatte das richtige Näschen, als er sich im Gegensatz zu Hamilton für den neuen anstatt für den alten McLaren-Heckflügel entschieden hat. All das macht ihn zum haushohen Sieger des Rankings.

Platz 2, Sebastian Vettel: Manchmal kann ein etwas schwächeres Qualifying sogar ein Segen sein. Natürlich nicht mit Blick auf die WM-Chancen, aber mit Blick auf das persönliche Image. Denn die Aufholjagd in Spa hat Vettel wieder einmal die Möglichkeit gegeben zu zeigen, dass er eben nicht nur stark ist, wenn er ein Rennen anführt, sondern dass er auch ein toller Racer ist, der entschlossen überholen kann. Er hat schnell gemerkt, dass er mit dem vergleichsweise lahmen Red Bull in der DRS-Zone keine Chance hat. Also hat er sich die Bus-Stop-Schikane ausgeguckt, um einen Gegner nach dem anderen zu kassieren. Genau die Stelle übrigens, an der er vor zwei Jahren seinen viel kritisierten Crash mit Button hatte.

Platz 3, Michael Schumacher: Wenn es Mercedes mit dem Silberpfeil schon nicht konnte, dann hat sich Schumacher wenigstens selbst durch seine fahrerische Leistung im Rennen zum 300. GP-Jubiläum beschenkt. Wie immer war Schumi in seinem Wohnzimmer in Bestform. Natürlich hat er vom Startcrash profitiert, aber danach hat er das ganze Rennen über in einer Liga gespielt, in der sein Auto eigentlich nichts zu suchen hatte. Der Mercedes kämpft im Moment nicht gegen den Lotus von Kimi Räikkönen, Schumi hat es dennoch getan. Zu Beginn als Angreifer, später dann notgedrungen nur noch als Verteidiger. Dieses Metier beherrscht Schumacher aber grandios. Er ist knallhart, schoss dieses Mal aber nie über das Ziel hinaus. Auch nicht im Duell mit Vettel. Die Situation, als er mitten im Zweikampf an die Box abgebogen ist, war einfach unglücklich.

Platz 4, Nico Hülkenberg: Langsam aber sicher bekommt Hülkenberg das Teamduell gegen Paul di Resta in den Griff. Offenbar scheinen ihn die Gerüchte um ein mögliches Ferrari-Interesse zu beflügeln. Wie Schumacher profitierte auch er vom Startcrash, aber dadurch, dass er im Gegensatz zu Schumi von Beginn an auf eine Zweistopp-Strategie gesetzt hat, hatte er am Ende als Vierter die Nase vorne. Fahrerisch war seine Leistung fehlerlos.

Platz 5, Kimi Räikkönen: Der Iceman selbst war von seinem Spa-Wochenende trotz des Podestplatzes enttäuscht. Ein ganz guter Gradmesser, zur Bewertung seines Wochenendes. Räikkönen war nicht glücklich mit dem Speed seines Autos, fuhr aber dennoch stark. Mehr als Platz drei war eben nicht drin. Räkkönen ließ sich früh von Schumacher überholen und hing dann Ewigkeiten hinter dem Mercedes fest. Sein Manöver in der Eau Rouge war sehr mutig, aber Schumacher hat rechtzeitig zurückgesteckt und Räikkönens Mut wurde somit belohnt.

Platz 6, Felipe Massa: Der Brasilianer hat durch seinen guten fünften Platz gezeigt, was für Alonso ohne den Startcrash drin gewesen wäre: auf jeden Fall ein Podestplatz. Massa zeigte eine solide und fehlerlose Leistung und arbeitete sich im Sog von Schumacher mit nach vorne. Allerdings hatte er mit dem Ferrari das bessere Auto als Schumacher, weshalb er im Ranking hinter ihm landet.

Platz 7, Mark Webber: Natürlich hatte er Pech mit seinem Getriebewechsel und dem daraus resultierenden schlechten Startplatz. Aber er hat es eben nicht wie Vettel geschafft, im Rennen das Beste aus der Situation zu machen und den Nachteil beim Top-Speed an anderen Stellen des Kurses zu kompensieren. So hing er oft im Verkehr fest und kam letztlich nicht über Rang sechs hinaus. Zu allem Überfluss hat er sich auch noch im direkten Duell von Vettel abkochen lassen.

Platz 8, Jean-Eric Vergne: Beide Toro-Rosso-Piloten waren auf einem ähnlich starken Niveau unterwegs, so halte ich mich beim Ranking an die Reihenfolge im Ziel. Für Vergne sind es sogar die ersten Punkte im Ranking. Die hat er sich aber auch verdient, schließlich war er schon im Qualifying ausnahmsweise mal schneller als Teamkollege Ricciardo.

Platz 9, Daniel Ricciardo: Zu seiner Leistung ist im Vergne-Eintrag eigentlich schon alles gesagt. Starkes Rennen im Doppelpack mit Vergne.

Platz 10, Kamui Kobayashi: Ich will nicht von einem Mitleidspunkt sprechen, aber mir war es schon wichtig, die Sauber-Piloten nicht völlig leer ausgehen zu lassen. Kobayashis Qualifying war herausragend - erste Startreihe in einem Sauber! Am Start wurde sein Rennen dann von Grosjean zerstört. Trotz völlig demolierten Seitenkastens fuhr Kobayashi das Rennen aber zu Ende und wurde sogar noch 13. Das nötigt Respekt ab und rechtfertigt den letzten Punkt im Ranking.

Härtefall 1, Die Startcrash-Opfer: Auch wenn ich gerne gewollt hätte, ich konnte Alonso, Hamilton und Perez keine Punkte geben. Natürlich weiß ich, dass sie wahrscheinlich allesamt starke Rennen absolviert hätten, aber sie sind eben keine einzige Runde gefahren. Da konnte ich sie gegenüber denjenigen, denen ich die Punkte stattdessen gegeben habe, nicht bevorzugen.

Härtefall 2, Romain Grosjean: Auf ihn wird im Moment unglaublich eingeprügelt, deshalb werde ich auf eine allzu große Schelte verzichten. Aber es ist bei ihm schon auffällig, dass er immer wieder in Kollisionen involviert ist. Es war schon das sechste Mal in dieser Saison, dass er in der Anfangsphase eines Rennens für Ärger gesorgt hat. So reumütig, wie er sich in seinen jüngsten Aussagen angehört hat, war der Spa-Crash hoffentlich ein heilsamer Schock. Denn irgendwann wird ihm sein Speed alleine das F-1-Cockpit nicht mehr sichern.

Härtefall 3, Pastor Maldonado: Sehr schnell, aber viel zu aggressiv. Das Prädikat, das für Grosjean gilt, gilt für Maldonado sogar noch mehr. Aufgrund der Schwere des Startunfalls steht Grosjean nach Spa verständlicher Weise am Pranger, aber Maldonado ist in der Summe seiner Eskapaden eigentlich noch viel schlimmer. Mittlerweile vergeht ja kein Rennen mehr ohne eine Strafe für den Williams-Rowdy. In Spa waren es gleich drei. Drei Startplätze für die Behinderung von Hülkenberg in der Quali, fünf für seinen Fehlstart, weitere fünf für seinen Crash mit Glock beim Restart. Macht zehn Plätze Strafe für den Italien-GP und ich mag mir gar nicht ausmalen, was er von hinten kommend in der ersten Schikane nach dem Start anstellen wird. Der Kerl ist eine Gefahr für sich und seine Mitmenschen. Mehr noch als Grosjean. An den beiden GP2-Champions sieht man deutlich, dass Ferraris Kritik an der Ausbildung des Nachwuchses absolut berechtigt ist. Schnell sein um jeden Preis ist nicht alles. Ein bisschen Rennintelligenz, Übersicht und Rücksicht gehören auch zu einem Top-Fahrer dazu.

Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM

Meine Punkte für das Spa-Wochenende: