Armutszeugnisse für die Routiniers

Von Alexander Mey
Rubens Barrichello ist nach seinen Fehlern in Melbourne Letzter im Driver-Ranking
© Getty

Auch in der Formel-1-Saison 2011 bewertet SPOX-Redakteur Alexander Mey nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen der Piloten und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 1: Australien-GP.

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Angesichts seiner unglaublichen Demonstration in Melbourne ist es keine Frage, dass Sebastian Vettel die erste Runde in meinem Ranking gewinnt. Aber dahinter sind die Punkteränge kunterbunt geworden. Routiniers wechseln sich mit Youngstern ab. Andere Routiniers wie Mark Webber und Rubens Barrichelo haben mich maßlos enttäuscht.

Ich freue mich wie immer über Eure Meinung und antworte auch gerne auf sachliche Kritik unter meinem Ranking. Auf eine spannende und fahrerisch hochklassige Saison!

Meine Wertung für den Australien-GP:

Platz 1, Sebastian Vettel: Knapp 23 Sekunden Vorsprung auf den Zweiten, Blitzstart, 0,8 Sekunden Vorsprung auf den Zweiten im Qualifying, den Teamkollegen im Rennen um 38 Sekunden distanziert - und das alles ohne KERS, das noch einmal bis zu einer halben Sekunde gebracht hätte. Mehr sage ich nicht.

Platz 2, Witali Petrow: Das ist nicht mehr der Petrow, der im vergangenen Jahr gefühlt häufiger neben der Strecke war als auf ihr. Fehlerlos, schnell und am Ende gegen den heranstürmenden Alonso nervenstark. Sollte das keine Eintagsfliege gewesen sein, dann hat ihn sein starkes Rennen beim WM-Finale 2010, als er Alonso den Titel gekostet hat, zu einem sehr viel besseren Piloten gemacht. Besonders bitter aus deutscher Sicht, dass er Nick Heidfeld das ganze Wochenende über nach Strich und Faden vorgeführt hat, auch wenn dessen Auto nach einem frühen Crash im Rennen nicht mehr konkurrenzfähig war. Die Pleite in der Quali saß.

Platz 3, Lewis Hamilton: Wenn er ein schnelles Auto hat, ist er immer für einen Podestplatz gut. Er hat aus seiner Situation mit dem auf den letzten Drücker konkurrenzfähig gewordenen McLaren das Optimum gemacht. Zudem hatte er seinen Teamkollegen Jenson Button klar im Griff. Hamilton ist wieder zurück in der Spur, nachdem er gegen Ende 2010 in einigen Rennen ungewohnte Fehler gemacht hat.

Platz 4, Sergio Perez: Für mich mindestens eine genauso große Überraschung wie Petrow. Wirklich ein Jammer, dass beide Sauber wegen einer Lappalie disqualifiziert wurden. Aber seine starke fahrerische Leistung beim Debüt nimmt Perez niemand mehr. Er war schnell und hat keine Fehler gemacht. Noch höher bewerte ich aber die Leistung, die Reifen so sehr zu schonen, dass er mit nur einem Stopp durchfahren konnte. Das hat sonst kein Fahrer auch nur annähernd geschafft. Perez ist mir schon in der GP2 aufgefallen, wo er vom Speed her oft der Beste war, besser als Champion Maldonado. Aus dem Mexikaner kann ein richtig Guter werden.

Platz 5, Fernando Alonso: Ein Wochenende mit Licht und Schatten. Sein Qualifying war mit Platz fünf solide, mehr nicht. Dann hatte er Pech am Start und verlor im Getümmel einige Plätze. Auf der Aufholjagd war sein Speed vor allem im Vergleich zu Teamkollege Felipe Massa bemerkenswert und er hat mit Platz vier im Rennen letztlich noch optimale Schadensbegrenzung betrieben. So gehört es sich für jemanden, der den Anspruch hat, Weltmeister zu werden.

Platz 6, Kamui Kobayashi: Der Japaner macht dort weiter, wo er 2010 aufgehört hat, obwohl der Japaner im Moment sicher andere Dinge im Kopf hat als die Formel 1. Aber er hat die schwierige Situation sehr professionell gemeistert und ist ein starkes Rennen gefahren. Dass er das direkte Duell gegen Rookie Perez verloren hat, wird ihm sicher nicht schmecken, aber dessen Einstopp-Rennen war auch ein besonderer Coup. Im Qualifying war Kobayashi überlegen.

Platz 7, Sebastien Buemi: Der nächste Kandidat, der nicht unbedingt Stammgast in den Punkterängen ist. Weder in der WM noch im Ranking. Endlich hat der Schweizer den Speed, den er in sich hat, umsetzen können. Schon im Qualifying hat er die Top Ten erreicht und immerhin Michael Schumacher geschlagen. Im Rennen hat er sich durch ein mutiges Überholmanöver gegen Adrian Sutil vor die beiden Force India gebracht.

Platz 8, Jenson Button: Ein wenig der tragische Held des Wochenendes. Eigentlich war er sehr gut drauf und hat das mit Platz vier im Qualifying untermauert. Doch dann verhagelte ihm der Zweikampf mit Felipe Massa das Rennen. Das Duell war sehr sehenswert und Button hat alles versucht, um schnell am Ferrari vorbeizukommen, aber hat sich klassisch die Zähne ausgebissen. Die Durchfahrtsstrafe nach dem Abkürzen ging völlig in Ordnung.

Platz 9, Felipe Massa: Die zwei Punkte im Ranking bekommt er bestimmt nicht für seinen Speed, denn der war vor allem auf den harten Reifen im Rennen unterirdisch. Ich rechne ihm hoch an, dass er Button so lange hinter sich halten konnte, ohne unfair zu werden. Er ist knallhart gefahren, und das gegen einen der besten Überholer im Feld. Etwas enttäuschend war danach, dass er wieder einmal Alonso freiwillig hat passieren lassen. Aber was hätte er tun sollen? Ein so harter Kampf wie gegen Button hätte Ferrari ganz und gar nicht gefallen.

Platz 10, Adrian Sutil: Der letzte Punkt für Sutil, weil er trotz schwachen Autos nie aufgegeben und seinen Teamkollegen im Griff behalten hat. Abgesehen von seinem Dreher im Training hat er keine Fehler gemacht. Das hat diesmal gereicht, um Zehnter im Ranking zu werden, weil aus meiner Sicht niemand sonst stärker war. Auch nicht das Mercedes-Duo Schumacher/Rosberg, von dem ich im Rennen wegen der frühen Ausfälle zu wenig gesehen habe.

Härtfall 1, Mark Webber: Er hat mich maßlos enttäuscht. Sich selbst aber auch, das hat seine Reaktion nach der Zieldurchfahrt gezeigt. Ich bin noch etwas vorsichtig mit meiner Schelte, solange nicht sicher ist, ob an seinem Auto etwas kaputt war oder nicht. Aber sollte alles in Ordnung gewesen sein, dann sind 38 Sekunden Rückstand auf Vettel ein Armutszeugnis. Ich behaupte mal ganz dreist: In diesem Red Bull wäre auch Narain Karthikeyan Fünfter geworden.

Härtefall 2, Rubens Barrichello: Das war eines der schlechtesten Wochenenden von ihm in der jüngeren Vergangenheit. Dass ausgerechnet er sich im Qualifying saudumm ins Kiesbett dreht und eingräbt, während sein Rookie-Teamkollege ohne Fehler durchkommt, war schon schlecht. Dann aber im Rennen völlig übermotiviert Nico Rosberg abzuräumen, ohne auch nur die kleinste Chance auf ein Überholmanöver zu haben, geht gar nicht. Da lasse ich auch die Entschuldigung mit den Reifen nicht gelten. Einem Routinier wie ihm darf so etwas nicht passieren, Punkt. Deshalb der letzte Platz, die beiden HRT-Piloten werte ich nicht.

WM-Stand bei Fahrern und Teams

Meine Punkte für das Melbourne-Wochenende:

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