Gute Teamkollegen - böse Teamkollegen

SID
Lewis Hamilton (r.) gewann im direkten Duell mit Jenson Button sein erstes Saisonrennen
© Getty

Auch in der Formel-1-Saison 2010 beurteilt SPOX-Redakteur Alexander Mey nach jedem Rennwochenende in seinem Driver-Ranking die Leistungen aller Fahrer - unabhängig von der Stärke ihrer Autos. Ausgabe 7: Türkei-GP.

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Der Türkei-GP wurde geprägt von zwei teaminternen Zweikämpfen. Bei Sebastian Vettel und Mark Webber ging es schief, deshalb bekommen sie diesmal keine Punkte. Bei Lewis Hamilton und Jenson Button ging es gut, deshalb liegen beide im Driver-Ranking zum Türkei-GP ganz vorne.

Meine Wertung für den Türkei-GP:

Platz 1, Lewis Hamilton: Er und sein McLaren-Kollege Button waren an diesem Wochenende nahezu gleichwertig. Hamilton war im Qualifying und im Rennen einen Tick schneller, dafür leistete er sich im Training einen Dreher in der schnellen Kurve acht. Entscheidend für meine Reihenfolge der beiden ist aber das finale Duell in der 49. Runde gewesen. Dass Hamilton, der sich im Spritsparmodus befand und wie Webber bei Red Bull nicht mehr mit einem Angriff des Teamkollegen rechnete, sich so schnell berappelt und direkt gekontert hat, zeugt von sehr viel Abgezocktheit. Und im Vergeich zum Red-Bull-Duo entscheidend: Es ging zwar hart, aber stets fair zur Sache.

Platz 2, Jenson Button: Ihm hat die Trennung von seiner Freundin augenscheinlich nicht aufs Rennfahrer-Gemüt geschlagen. Er war das ganze Wochenende über vom Speed her ganz dicht an Hamilton dran. Das ist relativ neu, denn bisher schlug er seinen Teamkollegen meistens durch seine cleveren Rennen, nicht durch die nackte Rundenzeit. Durch sein Überholmanöver in Runde 49 hat er wieder mal bewiesen, dass er einer der besten Überholer im Feld ist. Und er hat den Killerinstinkt gezeigt, den er braucht, wenn er langfristig mit Hamilton mithalten will.

 

Platz 3, Michael Schumacher: Der Altmeister bei mir auf dem Podium - zum ersten Mal übrigens. Aber verdient, da sich außer ihm niemand für die Position aufgedrängt hat. Schumacher ist abgesehen von dem Dreher im Qualfying, der ohne Folgen blieb, absolut nichts vorzuwerfen. Kaum darf er wieder im Mercedes mit dem längeren Radstand ran, ist er einen Tick schneller als Nico Rosberg. Entscheidend war dieser Tick im Qualifying, denn dort stellte er sein Auto vor das von Rosberg. So konnte er den Teamkollegen das ganze Rennen über relativ locker hinter sich halten. Dabei hat natürlich auch sein großartiger Start geholfen, bei dem er für kurze Zeit an Button im überlegenen McLaren vorbei kam.

Platz 4, Robert Kubica: Wieder mal kein spektakuläres, aber ein grundsolides und starkes Wochenende des Polen. Es gibt diesmal keine einzelne Szene, an der ich die gute Leistung von Kubica festmachen kann, aber der Gesamteindruck verfestigt sich einfach von Rennen zu Rennen immer mehr, dass der Mann Renault auf ein Level hebt, das das Team sonst nie erreichen würde.

Platz 5, Nico Rosberg: Seine Leistung ist eigentlich schon im Kommentar zu Schumacher abgehandelt worden. Im Rennen hätte Rosberg nach eigener Aussage etwas schneller gekonnt als Schumacher, aber da er eben das Quali-Duell zum zweiten Mal in dieser Saison verloren hatte, waren ihm im Rennen die Hände gebunden. Immerhin hat er Kubica und Co. hinter sich gehalten und so für Mercedes das optimale Ergebnis nach Hause gefahren. Außerdem kam Rosberg mit dem längeren Radstand deutlich besser zurecht als noch in Barcelona. Das macht Mut für die kommenden Rennen.

Platz 6, Witali Petrow: Das bisher eindeutig beste Wochenende des Russen. Nicht zum ersten Mal, aber so eindrucksvoll wie noch nie, hat er Renault-Kollege Kubica herausgefordert. Im Training war er sogar schneller als der Pole, im Qualifying hat er es zum ersten Mal in Q3 geschafft. Dann das Rennen, in dem er sicher auf Punktekurs lag, bis er dann im harten Zweikampf mit Alonso Pech hatte und mit Reifenschaden zurückfiel. Das hatte er nicht verdient, denn seine Leistung hätte mit WM-Punkten belohnt werden müssen. Petrow kommt im Gegensatz zu seinem viel höher eingeschätzten GP2-Kollegen Nico Hülkenberg immer besser in der Formel 1 zurecht. Allerdings muss man fairer Weise sagen, dass der Renault im Moment auch das deutlich bessere Auto ist als der Williams.

Platz 7, Kamui Kobayashi: Der Japaner hat den Bann für Sauber gebrochen und endlich den ersten WM-Punkt eingefahren. Mit ihm ist es so eine Sache. Er ist noch sehr unkonstant und neigt zu Fehlern, aber er ist vom Grundspeed her mit Sicherheit seinem Teamkollegen Pedro de la Rosa überlegen. Wenn Kobayashi dann mal ein sehr gutes Wochenende rausrutscht, dann läuft es eben wie in der Türkei. Erst erreicht er Q3 - übrigens schon zum dritten Mal in dieser Saison. Doch dann hat er diesmal auch das Glück und das Geschick, in die Punkteränge zu fahren.

Platz 8, Adrian Sutil: Mehr als Platz neun im Rennen war für Sutil im diesmal nicht ganz so starken Force India nicht drin. Aber es zeichnet ihn eben in dieser Saison aus, dass er dieses Maximum dann auch erreicht. Die Lücke zu seinem Teamkollegen Vitantonio Liuzzi wird immer größer. Mal sehen, wie lange sich das Team diesen Klassenunterschied noch anschaut. Gut möglich, dass Sutil noch während der Saison einen neuen Teamkollegen bekommt.

Platz 9, Fernando Alonso: Sein Überholmanöver gegen Kobayashi kurz vor Schluss war knallhart, aber es zeugte von der Aggressivität, die den Doppelweltmeister auszeichnet. Ansonsten war seinem Wochenende nicht allzu viel Positives abzugewinnen. Startplatz zwölf war schwach, da half diesmal auch eine erneute Aufholjagd im Rennen nicht mehr viel weiter. In der Türkei war aber auch der Ferrari einfach nicht konkurrenzfähig genug, da konnten die Fahrer nicht viel retten.

Platz 10, Felipe Massa: Er hatte wie Alonso mit dem relativ schwachen Auto zu kämpfen. Im Qualifying kam der Türkei-Spezialist trotzdem noch besser zurecht als sein Teamkollege, aber im Rennen war es wie so oft. Massa kam nicht wirklich vorwärts, und zum Ende des Rennens hatte sich Alonso bis zu ihm nach vorne gearbeitet. Insgesamt nicht mehr als Durchschnitt - von beiden Ferrari-Piloten.

Härtefall, Mark Webber und Sebastian Vettel: Das meiste ist zu dem Crash der beiden ohnehin schon gesagt. Also nur kurz meine persönliche Meinung: Für mich sind beide schuld, weil sich beide dumm angestellt haben. Webber sollte etwas mehr Platz lassen und es in Führung liegend nicht auf einen Crash ankommen lassen. Vettel darf auf keinen Fall so naiv nach innen ziehen, nur weil er glaubt, dass sein Teamkollege schon irgendwie Platz machen wird. Ich finde es grundsätzlich gut, dass auch Teamkollegen hart gegeneinander kämpfen, auch wenn es in diesem Fall schief gegangen ist. Wichtig ist nur, dass sich jetzt schnell alle wieder zusammenraufen, und nicht - wofür einige Indizien sprechen - hinter den Kulissen Politik gemacht wird. Ach ja, Punkte kann ich nach so einem überflüssigen Crash keinem von beiden geben. Grundschnelligkeit hin oder her.

Stand in der offiziellen Fahrer-WM

Meine Punkte für das Istanbul-Wochenende: