Aufstand der Exoten

Von Alexander Mey
Sauber-Pilot Kamui Kobayashi fuhr in Valencia das beste Rennen seiner Formel-1-Karriere
© Getty

Auch in der Formel-1-Saison 2010 beurteilt SPOX-Redakteur Alexander Mey nach jedem Rennwochenende in seinem Driver-Ranking die Leistungen aller Fahrer - unabhängig von der Stärke ihrer Autos. Ausgabe 9: Der Europa-GP in Valencia.

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Das Driver-Ranking zum Europa-GP bietet ein ungewohntes Bild. Diesmal sind nicht die üblichen Verdächtigen vorne, sondern es haben gleich mehrere Exoten in die Punkte geschafft. Nur Sebastian Vettel ist unantastbar.

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Meine Wertung für den Europa-GP:

Platz 1, Sebastian Vettel: Einmal hat er sich verbremst. Am Ende der Safety-Car-Phase, als er unbedingt deutlich vor Lewis Hamilton bleiben wollte, um nicht wieder in eine leichte Kollision verwickelt zu werden wie am Start. Das war's aber auch schon mit der Kritik. Ansonsten? Pole-Position, souveräner Sieg - da kann man nur Platz eins vergeben.

Platz 2, Kamui Kobayashi: Und schon geht es los mit den Exoten. Was für ein Rennen des jungen Japaners! Im Qualifying ist er schlecht, weil sein Auto schlecht ist. Platz 18, eigentlich meilenweit weg von Punkten im Driver-Ranking. Doch dann macht er erst strategisch alles richtig, indem er in der Safety-Car-Phase nicht - wie vor allem Michael Schumacher - aus Aktionismus heraus die Reifen wechselt. So bleibt er auf Rang drei und gibt dort fast ein ganzes Rennen lang dem eigentlich guten Überholer Jenson Button keine einzige Chance, vorbeizugehen. Ähnliches hat er mit Button auch im vergangenen Jahr schon zweimal gemacht. Der Weltmeister scheint sein Lieblingsgegner zu sein. Die Krone setzte sich Kobayashi dann noch mit seinen Überholmanöver gegen Fernando Alonso (!) und Sebastien Buemi in den letzten Runden auf. Dem Japaner fehlt es noch etwas an Konstanz, aber er ist ein toller Rennfahrer.

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Platz 3, Rubens Barrichello: Die nächste Überraschung, wenngleich der Routinier natürlich kein Exot ist. Barrichello hat 2009 in Valencia gewonnen, man hätte also eigentlich ahnen können, dass ihm der Stadtkurs liegt. Aber so gut? Im Qualifying noch zeitgleich mit seinem diesmal auch sehr gut aufgelegten Williams-Kollegen Nico Hülkenberg, absolvierte Barrichello ein absolut fehlerfreies Rennen, hatte einen tollen Start und biss sich am vierten Platz fest. Natürlich hat er vom Pech der beiden Ferrari-Fahrer in der Safety-Car-Phase profitiert, aber trotzdem: eine sensationelle Leistung in einem Williams, auch wenn das Auto deutlich besser aussah als noch in der Türkei.

Platz 4, Robert Kubica: Sicher. Wenn man ganz böse ist, kann man ihm vorwerfen, dass er gegenüber der Startaufstellung Plätze gegen Button und Barrichello verloren hat und dass er das ganze Rennen über keinen Weg an Barrichello vorbei gefunden hat, aber das ändert nichts daran, dass der Pole mal wieder ein nahezu optimales Ergebnis aus dem Renault herausgeholt hat. Bei ihm ziehe ich auch gerne mal die Trainings und die ersten Quali-Runden heran, um seinen unglaublichen Speed zu würdigen. Immer, wenn er auf die Strecke ging, war er sofort der Schnellste oder zumindest einer der Schnellsten. Eingewöhnungszeit oder ein paar Ründchen zum Warmwerden gibt es bei ihm nicht. Das spricht für großes Talent.

Platz 5, Lewis Hamilton: Warum ist er nicht weiter vorne gelandet, immerhin wurde er im Rennen doch trotz Durchfahrtsstrafe Zweiter? Zwei Gründe: Erstens war es schon sehr frech, einfach mal das Safety-Car an der Boxenausfahrt zu überholen. Da hat Alonso mit seiner Kritik im Kern schon Recht, auch wenn ich absolut nicht nachvollziehen kann, was für ein Fass Ferrari wegen dieser Sache aufgemacht hat. Viel weniger hat mir aber Hamiltons Aktion in der ersten Kurve gefallen. Was sollte das? Er war beim Anbremsen meilenweit von Vettel weg. Dieses Überholmanöver hätte nie im Leben gut gehen können. Nicht auszudenken, was los gewesen wäre, hätte Hamilton Vettel mit dieser Aktion aus dem Rennen gekegelt.

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Platz 6, Adrian Sutil: Tolles Rennen des Deutschen. Das Qualifying, in dem nicht viel zusammen lief stellen wir da mal hinten an. Super Start, etwas Glück in der Safety-Car-Phase und vor allem ein überragendes Überholmanöver gegen Buemi außen herum. Das war knallhart, aber fair. Und es ging vor allem ohne Kleinholz ab. Das hätte es bei Sutil im vergangenen Jahr nicht gegeben. Da wären garantiert die Fetzen geflogen.

Platz 7, Nico Hülkenberg: Endlich mal wieder! Man konnte ja schon anfangen, am Talent des vor der Saison so hoch gelobten Deutschen zu zweifeln. Diesmal hat er aber vor allem im Qualifying eine tolle Leistung gezeigt und das Optimum aus dem Auto herausgeholt. Im Rennen lief es dann nicht ganz so toll, er verlor am Start und an der Box ein paar Positionen. Sein Speed hat mir aber trotzdem gefallen. Zum Schluss leider der technische Defekt, aber die Leistung bis dahin sollte ihm Mut für den Rest der Saison machen.

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Platz 8, Sebastien Buemi: Wie schon im letzten Ranking geschrieben: Das ist endlich wieder der Buemi, der mit im vergangenen Jahr so viel Spaß gemacht hat. Seit einigen Rennen hat der Schweizer den Schalter umgelegt und fährt seitdem seinem Teamkollegen Jaime Alguersuari wieder deutlich davon. Ein starkes Rennen von ihm, es sieht eben nur leider nicht ganz so gut aus, wenn man sich von Sutil außen herum und von Kobayashi in der letzten Kurve überholen lässt.

Platz 9, Jenson Button: Platz neun im Ranking scheint hart für jemanden, der es im Rennen aufs Podium geschafft hat. Aber seien wir mal ehrlich. Viel konnte Button selbst dafür nicht. Die beiden Ferrari vor ihm haben sich früh verabschiedet, Mark Webber fiel gleich am Start weit zurück, Kobayashi musste an die Box. Button kam zu diesem dritten Platz wie die Jungfrau zum Kind. Dass er nicht einmal versucht hat, an Kobayashi auf der Strecke vorbeizugehen, hat mich sehr überrascht. Da ist er sonst aggressiver. Dazu kam, dass er im Qualifying im Vergleich zu Teamkollege Hamilton viel zu langsam war.

Platz 10, Fernando Alonso: Ein Punkt für ein sehr starkes Qualifying und für die Tatsache, dass er und nicht Button auf dem Podium gestanden hätte, wäre das große Pech mit dem Safety-Car, hinter dem beide Ferrari-Piloten hängen geblieben sind, nicht gewesen. Der Speed des Spaniers war da, das hat er in den Trainings mit einer Bestzeit schon gezeigt.

Härtefall 1, das Mercedes-Duo: An Nico Rosberg und Michael Schumacher hat es nicht gelegen, dass Mercedes so desolat abgeschnitten hat. Aber Punkte im Ranking kann es trotzdem nicht geben, weil sie so gut wie nie zeigen konnten, zu was sie in der Lage gewesen wären, wenn das Auto mit den Reifen umgehen könnte. Schumacher fuhr gegen Rennende sehr schnelle Rundenzeiten, mit neuen Reifen und leerem Tank aber keine allzu große Kunst. Sein Rennen war nach dem falsch getimten Boxenstopp de facto vorbei. Rosberg kämpfte früh mit Bremsproblemen und rollte ab da eigentlich nur noch mit. Den einen geerbten WM-Punkt darf er als Geburtstagsgeschenk betrachten.

Härtefall 2, Timo Glock: Das war gar nichts diesmal. Nicht nur erstmals das Quali-Duellen gegen den diesmal guten Lucas di Grassi verloren, auch im Rennen wenig Übersicht bewiesen. Das überharte Duell gegen Bruno Senna und der Reifenschaden als Folge und dazu noch das beharrliche Ignorieren der blauen Flaggen gefolgt von einer 20-Sekunden-Strafe werfen an diesem Wochenende kein gutes Licht auf den Deutschen. Er ist um seine Situation bei Virgin aber auch nicht zu beneiden.

Meine Punkte für das Valencia-Wochenende:

Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM