"Alonso beim Indy? Ich drücke die Daumen"

Norbert Haug war 22 Jahre als Motorsportchef bei Mercedes aktiv
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SPOX: Mit Vettel, Nico Hülkenberg und Pascal Wehrlein hat Deutschland nur mehr drei Formel-1-Fahrer in seinen Reihen, vor wenigen Jahren waren es noch sechs. Zudem findet dieses Jahr erneut kein Deutschland-GP statt. Wie gefährdet ist die "deutsche Formel-1-Zukunft"?

Haug: Ich sehe durchaus deutsche Nachwuchs-Fahrer mit Potential, Maximilian Günter, der Vizemeister der Formel-3- Europameisterschaft, oder Mick Schumacher, sein Teamkollege in der aktuellen Formel-3-EM. Dazu kommt mindestens eine Handvoll weiterer Fahrer mit großem Potential bei entsprechender Förderung und den dazu erforderlichen Finanzen. Es gibt derzeit 20 Formel-1-Fahrer, und drei Deutsche bedeuten 15 Prozent Marktanteil. Seit 2000 haben Michael Schumacher, Sebastian Vettel und Nico Rosberg 10 von 17 WM-Titeln gewonnen, die deutschen Fahrer holten in diesem Zeitraum zu dritt also mehr Weltmeisterschaften als alle andere Nationen und ihre Fahrer zusammen.

SPOX: Nico Rosberg sprach nach seinem Rücktritt vom "Horror" der Formel 1: Das viele Reisen, die ständigen Zeitverschiebungen und der große Druck belasteten ihn stark. Für viele ist der Beruf des F1-Fahrers ein Traum. Können Sie Rosbergs Klagen dennoch nachvollziehen?

Haug: Nico konnte ja schlecht sagen: 'Ich liebe das Reisen, das von-zu-Hause-und-von-der-Familie-Wegsein und deshalb höre ich jetzt auf.' Er hatte sein Ziel, den WM-Titel, geschafft und danach einen Schlusspunkt gemacht. Gut, wenn einer weiß, wann für ihn persönlich Schluss ist. Und wenn man dann mit Freude und Stolz auf das Erreichte zurückschauen kann, ist das umso großartiger. Nach dem Abschied aus der Vollgaswelt darf man sicher nicht sofort im Standgas unterwegs sein, und Nico wird das bestimmt im Griff haben.

SPOX: Sie selbst arbeiteten von 1990 bis 2012 als Mercedes-Motorsportchef und waren sowohl in der Formel 1 als auch in der DTM tätig. Vermissen Sie diese Arbeit heute manchmal?

Haug: Natürlich ist das eine Umgewöhnung: Es wäre aus meiner Sicht nicht hilfreich nach einer so langen Zeit voller Arbeit, Leidenschaft und Engagement, eine Panikbremsung von full speed auf full stop vorzunehmen. Und das habe ich keineswegs getan. Ich liebte sehr, was ich im Motorsport tat, und das ist heute mit jeder Menge neuer Herausforderungen kein bisschen anders. Allerdings arbeite ich noch deutlich mehr, als ich mir vor fünf Jahren vorgenommen hatte. Aber nur, weil ich so schöne und reizvolle Aufgaben habe - ich erledige diese viel lieber, als in der Sonne zu liegen. Meine Daten sind besser denn je, und mein Setup ist voll auf Ankommen eingestellt.

SPOX: Ihre Karriere war von vielen Höhen geprägt. Dennoch die Frage: Gibt es ein Erlebnis, das für Sie persönlich besonders heraussticht?

Haug: Es gibt da sehr viele glückliche Momente und Erinnerungen, und ich stelle fest, dass der Mensch die schlechten Erinnerungen und Erlebnisse offensichtloch nicht so abspeichert - und das ist sicher besser als umgekehrt. Ich könnte Ihnen jetzt sicherlich einige schönen Erlebnisse aufzählen, aber gerade im Internet muss man ja kurz und prägnant sein, deshalb lassen wir das besser ... (lacht)

SPOX: In Ihrer Zeit bei (McLaren-)Mercedes fuhren unter anderem Michael Schumacher, Mika Häkkinen, Alonso und Hamilton bei Ihnen im Team. Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede in ihrer Art und Arbeitsweise konnten Sie bei diesen mehrfachen Weltmeistern ausfindig machen?

Haug: Die Ära Michel Schumacher/Mika Häkkinen war sicher eine ganz besondere und Michael betonte ja, dass Mika sowohl sein größter wie auch sein meistgeschätzter Gegner gewesen sei und Mika erzählte mir genau das über Michael. Ihr Kampf bestimmte ein halbes Jahrzehnt die Formel 1 und wird sicher in den Motorsport-Geschichtsbüchern nicht vergessen werden. Lewis Hamilton ist ein Ausnahmetalent, er war schon als Zwölfjähriger in unserem Kader und zu Gast bei Mika Häkkinens erster WM-Feier in Stuttgart, heute, knapp 20 Jahre später ist er der weltweit bekannteste Rennfahrer. Alonsos Talent und seine rennfahrerischen Fähigkeiten sind unbestritten. Er wollte sicher mehr, als er bisher bekam.

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