"Die Betonung liegt auf Schmerz"

Gute, alte Formel-1-Zeiten: Mika Häkkinen, Heidi Klum und David Coulthard
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SPOX: Ist Rosberg bereit für den ersten Weltmeistertitel?

Häkkinen: Die Physis und das Talent waren immer vorhanden. Jetzt hat er das Ziel klar vor Augen und sagt voller Überzeugung: "Ja, ich will Weltmeister werden!" Der Schritt, diesen einen Satz nicht einfach nur so, sondern mit all deiner Überzeugung und jeder Faser deines Körpers zu sagen, ist eine größere Herausforderung, als viele glauben. Er hat sich der Herausforderung gestellt. Deswegen lautet meine Antwort: Ja, er ist bereit für den Weltmeistertitel.

SPOX: Zwischen Ihnen und Rosberg gibt es einige Parallelen, die über die finnischen Wurzeln hinausgehen. Sie gewannen sechs Jahre nach dem F1-Debüt Ihren ersten Grand Prix, Rosberg ebenfalls. Sie gewannen als 30-Jähriger Ihre erste Weltmeisterschaft, Rosberg ist nun im gleichen Alter. Zufall?

Häkkinen: Ich bin normal gar kein Mann der Zahlen und Statistiken - aber die Parallele ist wirklich spannend. Wahrscheinlich lässt sich nicht alles mit Zufall erklären. Es ist so: Alles benötigt seine Zeit - und besonders in der Formel 1 muss man mental ready sein zu gewinnen. Es ist schwierig, diesen Prozess in Worte zu fassen. Sagen wir es so: Selbst wenn dein eigener Kopf dir sagt, dass ich Weltmeister werden will, heißt es nicht, dass man wirklich bereit ist, Weltmeister zu werden.

SPOX: Sondern?

Häkkinen: Diese Bereitschaft, diese Readiness, muss sich entwickeln und reifen. Man braucht auf den Zwischenstationen Erfolg. Man braucht auf den Zwischenstationen genauso Niederlagen, die man sich nicht einmal dem Feind gewünscht hätte. Doch beide Extreme sind nötig, um bereit zu sein. Und an dem Punkt ist Nico jetzt. Ihm sind Fehler unterlaufen und er hat daraus gelernt und wurde immer besser. Er kann nun seine Gefühle besser kontrollieren, er ist zu einem besseren Taktiker geworden und er hat sich im Teamwork verbessert. Er ist jetzt zweifelsfrei ein Winner.

SPOX: Vom stallinternen Zweikampf zwischen Rosberg und Lewis Hamilton und dem wiedererstarkten Ferrari unter Sebastian Vettel abgesehen schreibt die Formel 1 wenig positive Nachrichten. Im Gegenteil: Die politischen Streitigkeiten über all die Regeln überschatten die Sportart. Sie selbst fuhren in den goldenen 90ern mit Michael Schumacher, Ayrton Senna, Nigel Mansell, Gerhard Berger, Damon Hill und Jacques Villeneuve. Sehen Sie heutzutage eine Gefahr für die Formel 1?

Häkkinen: Es fällt mir nicht so leicht, Tipps zu geben, da ich nur noch von außen die Szene betrachte. Dennoch dürfte jedem klar sein, dass die Formel 1 vor wegweisenden Veränderungen steht. Sie ist eine faszinierende Sportart und nicht umsonst mit Abstand Nummer 1 unter allen Motorsportarten. Aber umso mehr steht man im Fokus der Welt. Und umso mehr muss man auf die Fans hören, die vollkommen recht damit haben, wenn Sie von der Formel 1 mehr zurückbekommen möchten. Die Regeln sind zu kompliziert und wechseln zu oft.

SPOX: Sie waren 2000 in Spa mit Ihrem legendären Manöver, als Sie Michael Schumacher und den überrundeten Ricardo Zonta zur gleichen Zeit überholten, an einem der spektakulärsten Szenen der Formel 1 überhaupt beteiligt. Fehlen Ihnen derlei Elemente in der heutigen F1?

Häkkinen: Ja. Den Rennfahrern muss wieder erlaubt werden, ihrer Berufsbezeichnung nachzukommen und Racing zu betreiben. Ich verstehe nicht, warum es nicht mehr möglich ist, so oft flatout zu fahren, also mit Vollgas. Sie sollen von Angesicht zu Angesicht um die Positionen kämpfen und sich in jeder Runde so verausgaben, dass ihre Overalls nach jedem Rennen vor Schweiß tropfen. Wenn die Fahrer das wieder dürfen, kommt diese Leidenschaft auch bei den Fans an.

SPOX: Damit kritisieren Sie indirekt Pirelli - oder besser: Die Anweisung der Formel 1 an Pirelli, stark abbauende Reifen herzustellen.

Häkkinen: Die Authentizität des Racings ist unglaublich wichtig, allerdings wurde das in den letzten Jahren von den Verantwortlichen vernachlässigt. Jeder Fahrer muss aus dem Auto steigen und sagen: Ich habe alles gegeben, mehr ging nicht. Doch das können sie gar nicht sagen, weil es heutzutage nicht mehr um den Speed geht. Das kann so nicht funktionieren. Wir müssen wieder dahin zurück, dass Vollgas von Anfang bis Ende angesagt ist.

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